Was ich dagegen nicht erwarte, ist eine seitenlange Abhandlung über die die optische Gestaltung von Menüs ("anders"), deren Benennung ("Ribbon"), Zusammenstellung (nicht mehr thematisch, sondern nach Arbeitsabläufen sortiert) und Spekulationen über die Debatten, die diese auslösen können. Bitte was soll sich der Leser denken, wenn der Tester hervorhebt, dass jetzt bunte Tabellen in irgendeinem Fantasielayout "leicht ihren Weg" in den Text finden und diesen "verzieren"? Layout und Design sind für den Tester wichtiger als der Inhalt?
Schon gar nicht erwarte ich von einem "Testbericht", dass der sich in der Bewertung dahingehend ausläßt, dass "alle anderen Produkte" jetzt "irgendwie alt aussehen". Was bitte soll mir das sagen? Optik == Qualität? Sind wir im Marketing der Computerspiele angekommen, wo Grafik und FX alles sind, wo Handlung und Konzept hinter dem Visuellen zurückstecken um die Verkaufszahlen nach oben zu pushen? Und bitte was sagt mir das über die Qualität des Produktes?
Interessant ist, dass gerade die Computer Bild - eine Zeitschrift aus dem selben Hause, dem auch die Bild und die Bild am Sonntag entstammen - diesen Werbereigen nicht mitmacht. Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet diese Publikation eine Formulierung in Bezug auf den von Microsoft geforderten Vertrag wählt, die aufhorchen lässt:
"Dieser Vertrag ist ein grober Eingriff in die journalistische Unabhängigkeit"Die Computer Bild sagt weiterhin, dass Verlage, die den Vertrag unterschreiben, die Artikel zur "Prüfung und Stellungnahme" vor Drucklegung bereitstellen müssen. Das ist soweit noch beinahe akzeptabel und im professionellen Journalismus durchaus "guter Ton": Man räumt dem Gegenüber normalerweise vor einer kritischen Berichterstattung die Gelegenheit ein, sich zur Kritik zu äußern. Das ist aber normalerweise weder rechtlich verbindlich, noch sonstwie zwingend vorgeschrieben.
- Hans-Martin Burr, stellvertretender Chefredakteur Computer Bild
Jedoch ist die Aussage, dass die Verlage laut Computer Bild bei der Einbeziehung der von Microsoft genannten Umformulierungen und inhaltlichen Modifikationen "kooperieren" müssen, ziemlich harter Tobak. Die von Computer Bild angeführte Begründung ist, dass auf diesem Wege "Inkorrektheiten in Bezug auf die Produkte" und eine "Herabsetzung von Microsoft und/oder jeglichen Produkten" verhindert werden soll. Weiterer Anlaß zur Kritik war für Computer Bild eine "Anleitung für Verlage zu genehmigten Inhalten", mit der unter anderem Textpassagen für die Veröffentlichung im Heft vorgeschrieben werden.
Microsoft widerspricht dieser Darstellung und wirft der Computer Bild vor, sie hätte Zitate aus dem Vertrag aus dem Zusammenhang gerissen und verkürzt wiedergegeben.
"Die Pressefreiheit ist ein hohes und schützenswertes Gut. Wir greifen deshalb niemals und in keiner Weise in die redaktionelle Freiheit irgendeines Mediums ein. Wir haben dies in der Vergangenheit nicht getan und werden es auch in Zukunft nicht tun."Microsoft meint, dass sichergestellt werden sollte, dass Leser der Publikationen, Hefte und Magazine korrekte Informationen erhalten. Von "größtmöglichem Nutzen" (für den Leser) ist die Rede. Einflußnahme auf Meinungsbildung, Urteil und Berichterstattung streitet Microsoft vehement ab. In dem Schreiben, aus dem Computer Bild zitiert, habe Microsoft ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die redaktionelle Arbeit nicht durch Microsoft beeinflusst werde.
- Jürgen Gallmann, Vorsitzender der Geschäftsführung Microsoft Deutschland
Stellt sich die Frage, in welchem Kontext "korrekte Informationen" gelesen werden soll. Korrekt aus wessen Sicht? Korrekt in Bezug auf was? Auch die Formulierung "größtmöglicher Nutzen" ist nicht eben eine Formulierung, die Vertrauen schafft. Eher im Gegenteil, denn zu sehr haftet ihr der Geruch der Marketingabteilung an.
Auch die c't hat sich inzwischen zu den Vorwürfen geäußert:
"Der aus den USA vorgegebene Vertrag ist aus meiner Sicht juristischer Overkill, schränkt aber bei vernünftiger Auslegung die journalistische Freiheit nicht ein"Der Vertrag selbst scheint einem "Non Disclosure Agreement" (NDA) zu unterliegen und darf deshalb wohl nicht veröffentlicht werden, denn sonst wäre das schon geschehen. Das verhindert allerdings, dass man sich ein neutrales Bild von dessen Bedingungen machen kann. Es ist auffällig, wie sanft mit dem Produkt umgegangen wird, wie frei von Kritik an Firma und Produkt die jeweiligen Artikel (und im Falle der c't fast das ganze Heft) sind. Auch fällt das Fehlen von Vergleichen frappierend auf. Wie siehts denn nun aus im Vergleich zur Vorgängerversion mit dem Ressourcenhunger? Wie schneidet das Produkt denn nun ab im Vergleich zu Open Office? Nichts, kein Wort darüber. Lediglich ein paar sehr diffuse und vage Hinweise.
- c't-Chefredakteur Christian Persson
Was die von Herrn Persson erwähnte "vernünftige Auslegung" angeht: Redet der Herr von derselben Firma wie der Rest der Welt? Redet er auch von der Firma, die wegen etlicher Kartellrechtlicher und urheberrechtlicher Themen vor Gericht steht und stand und auch schon mehrfach verurteilt wurde und sich noch häufiger "außergerichtlich" geeinigt hat, um weiteren Verurteilungen zu entgehen? Redet er von derselben Firma, deren EULA schon legendär sind in Bezug auf "an geltendem Recht und Gesetz meilenweit vorbei" und die keine Skrupel hat, jeden sofort mit beliebigen Prozessen und Klagen zu überziehen, der dieser Firma im Wege steht?
Insgesamt sieht das alles sehr eigenartig aus. Die Wahrheit wird irgendwo auf halber Strecke zwischen beiden Versionen liegen. Wahrscheinlich hat Microsoft schon irgendwie dafür gesorgt, dass die Firma und das Produkt in einem möglichst guten Licht präsentiert werden. Längst nicht alle Absprachen werden schriftlich im Vertrag fixiert. Ob das ausreicht, um der Firma "Eingriffe in die Pressefreiheit" zu unterstellen?
(Quelle: Golem, Heise, Computer Bild, Microsoft)