Donnerstag, 4. Mai 2006

Meinungsfreiheit (2)

interviewManchmal ist das Leben gleichzeitig kompliziert und einfach. Medien wollen unterhalten, Kirche will erlösen und der Mensch soll konsumieren. Solange sich die drei nicht ins Gehege kommen, passt das auch wunderbar zusammen. Allerdings hat dieses sauber aufgeteilte Gleichgewicht der Aufgaben ziemlich Schlagseite bekommen.

Die Medien wollen nicht nur unterhalten, sie wollen auch informieren. Sie wollen kritisch berichten, dem Menschen "Wahrheiten" vermitteln. So entstehen Meisterwerke wie der "DaVinci Code" und "Popetown", aber eben auch Karikaturen aus Dänemark und deren Erwiderungen. Die Katholische Kirche findet unzumutbar, dass sie so dermaßen verunglimpft wird und schlägt Alarm. Zwar wählt die Katholische Kirche einen "gesitteteren" Weg in die Medien als ihre Mitbewerber aus dem mittleren Osten. Während dort zehntausende im Namen (und wohl auch auf Aufforderung ihrer Kirche hin) auf die Straße gingen und Botschaften abfackelten, begnügt sich die Katholische Kirche auf die Debatte in den Medien und den Gang vor Gericht und erzeugt so die nötige Thermik.

Landgericht Muenchen IZumindest in Deutschland bekam die Kirche nun deutlich gesagt, wie das so ist mit "Kritik" und "Meinungsfreiheit". Das Landgericht München wurde vom Erzbistum München und Freising bemüht doch dem ungezügelten Treiben der Medien einhalt zu gebieten und dem Sender MTV die Ausstrahlung der Serie Popetown zu untersagen. Hatten wir neulich drüber gesprochen. Das Gericht meinte dazu:
"nicht jede Veröffentlichung, die an den Empfindungen anderer rührt, mag sie auch geschmacklos oder schlicht dümmlich sein, eine Beeinträchtigung des öffentlichen Friedens zu besorgen geeignet ist"
Deutlichere Worte fand gestern Abend Smudo (von den Fantastischen Vier) in der leider nicht wirklich tollen "Diskussionssendung" des Senders MTV zu der Serie. Sinngemäß sagte er dort, dass die Kirche "froh sein kann", dass nicht noch "ganz andere Leichen aus dem Keller" geholt wurden. Obwohl sich Smudo wahrscheinlich eher auf so farbenprächtige und massenwirksame Dinge bezog, wie die Kreuzzüge, die Spanische Inquisition, die Rolle der Kirche im Dritten Reich und so weiter, tritt die Kirche selbst ganz aktuell den Beweis dafür an, wie richtig es ist, Sekten gegenüber kritisch zu sein und je größer sie sind, desto kritischer sollte man sein.

Da gibt es in Polen einen Radiosender. Der heißt "Radio Maryja" und zu dem zitierte die Tagesschau am 10.10.2005 den polnischen Politologen Ireneusz Krzeminski :
"(...) Andererseits läuft auf dem Lande ein Wahlkampf, der geführt wird von Pater Rydzyk und dessen Radio Maryja. Dort gewinnt man die Wählerschaft (...)"
Ein Radiosender macht Wahlkampf. Ein von einem Priester betriebener Radiosender macht Wahlkampf und wird ganz offen als "Königsmacher" angesehen. War da nicht was mit Trennung von Kirche und Staat? Es kommt aber noch besser.

VatikanAm 06.04.2006 berichtet n-tv "am Rande" davon, dass der Vatikan die polnischen Bischöfe zu "entschiedenerem und gründlichem Vorgehen" gegen den umstrittenen Rundfunksender Radio Maryja aufgefordert hat. Im Programm dieses Senders sind nicht nur regelmäßig Mitglieder der polnischen Regierung zu Gast, der Sender hat sich auch international erfolgreich einen Ruf als konservatives und antisemitisches Organ erarbeitet. Erst im März 2006 hatte eine Sendung mit antisemitischen Inhalten scharfe Kritik des Ethikrates der Medien hervorgerufen.

Heute berichtet die TAZ, dass die Katholische Kirche endlich eingreifen würde. Die gravierenden Maßnahmen bestehen darin, dass die Kirche dem Sender ein paritätischer, aus Mitgliedern der Kirche besetzter Programmrat beratend(!) zur Seite gestellt wird. Die bislang benannten Mitglieder dieses Kontrollgremiums (hohe katholische Würdenträger aus Polen sowie Mitglieder des Ordens, der den Sender betreibt) sind nicht dafür bekannt, dass sie Radio Maryja kritisch beurteilen.

Die Katholische Kirche unterstützt und fördert in Polen offen den Antisemitismus. Sie fördert das, was man in Deutschland als "rechtsextremes Gedankengut" bezeichnen würde und gibt ihm nicht nur Raum und Schutz, indem sie z. B. Räume in einer Kirche an antismitische Buchhandlungen vermietet (siehe "Antyk" in Warschau), sondern sie macht sich diese Ansichten zu eigen. Sie verbittet sich Kritik daran durch den Papst, in dem sie Jerzy Robert Nowak, für den nicht nur ein Festgottesdienst in Jedwabne abgehalten wurde - das Verurteilen der Vorgänge 1941 dort nennt er "antipolnisch" - sondern den sie auf Radio Maryja zitieren lässt:
"Wenn ich Deutscher wäre, würde ich es nicht wagen, anderen Nationen Antisemitismus vorzuwerfen. Ich würde denken, dass die Deutschen ein für alle Mal das Recht verloren haben, anderen zu sagen, wie man mit Juden umzugehen hat, was man über sie sagen und schreiben darf."
(Ursprünglich von Maciej Rybinski, in "Fakt")
Gleichzeitig verlangt dieselbe Kirche, dass man sie dafür nicht kritisieren darf und versucht genau das einzuklagen? Wie bitte? NOCH VIEL LAUTER sollte man Kritik üben! Noch viel deutlicher sollten man den Bockmist aufzeigen, der von dieser "ach so ehrwürdigen Gemeinschaft" verzapft wird!

Was für ein bigotter Haufen. Und für sowas zahlt man hier Steuern...

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