Sonntag, 16. April 2006

Was will Deutschland im Kongo?

KongoDie Demokratische Republik Kongo, sechseinhalbmal größer als Deutschland und der drittgrößte Staat Afrikas, 62 Millionen Einwohner, ist ein seit vielen Jahren umkämpfter Staat im südlichen Afrika. Scheinbar "plötzlich" ist dieser Staat in den Mittelpunkt des deutschen Interesses gerückt. Im Rahmen der anstehenden Wahlen sollen deutsche Soldaten zusammen mit ihren europäischen Kameraden dafür Sorge tragen, dass im Kongo "echte" demokratische Verhältnisse entstehen können und die kriegerischen Auseinandersetzungen ein Ende finden.

CongoWarum ausgerechnet Europa, warum ausgerechnet der Kongo und warum Deutschland? Was haben wir, was haben unsere Soldaten im Kongo zu suchen? Was macht den Kongo so wichtig? Deutschland schickt seine Truppen nahezu "ohne weiteres" in den Kongo, während eine Entsendung in andere Regionen nahezu unvermeidlich eine politische Debatte fast schon biblischen Ausmaßes nach sich zieht.

KabilaDer Kongo: 1908 durch Belgien als geographische Region zusammengefasst und als Land im politischen Sinne etabliert. Unabhängig 1960. 1965 Militärputsch (Joseph Mobuto, später Sese Seko Mobuto), Umbenennung in Zaire. Ethnische Säuberungen, Bürgerkrieg. 1997 erfolgreiche Rebellion durch Laurent Kabila. 1998 Umsturz durch Aufständische (finanziert durch Ruanda und Uganda). Truppen aus Angola, Tschad, Namibia, Sudan und Zimbabwe greifen ein, um das Regime zu schützen. Waffenstillstand 1999. Laurant kommt 2001 bei einem Anschlag ums Leben. Sein Sohn, Joseph Kabila, wird zu seinem Nachfolger ernannt. 2002 Rückzug der ruandischen Truppen aus dem östlichen Kongo und Unterzeichnung eines allseitigen Friedensabkommens mit allen beteiligten Parteien. 2003 Übergangsregierung errichtet. 2005 verfassungsgebendes Referendum. Für 2006 sind mehrere Präsidentschaftswahlen vorgesehen.

BlauhelmeDie UNO war bereits Anfang der 1960er Jahre im Kongo aktiv. Damals verdienten sich die UN Truppen einen äußerst zweifelhaften und wenig schmeichelhaften Ruf. Es dauerte mehrere Jahre - nämlich von 1960 bis 1965 - und kostete mehrere Milliarden US-Dollar, bevor es der UN schließlich durch den Einsatz indischer Ghurka gelang, die marodierenden Söldnertruppen im Kongo zu zerschlagen und eine pro westliche Regierung einzusetzen: Joseph Mobuto. Nachdem 2003 der jahrelange Bürgerkrieg mit mehr als 3 Millionen Opfern offiziell beendet wurde, droht dieser jetzt wieder auszubrechen. Wer auch immer bei den anstehenden Wahlen gewinnt, wird sich nur mit intensiver internationaler Hilfe an der Macht halten können.

Blauhelm im KongoZur Zeit befinden sich geschätzt mehr als 16.000 UN Soldaten und Militärbeobachter im Kongo, die allerdings ihre Stationierungsorte nicht verlassen können. Die jetzt zusätzlich zu entsendenden Truppen aus Deutschland und Frankreich sollen zwar in der Nähe der Hauptstadt Kinshasa stationiert werden, wahrscheinlich jedoch im benachbarten Ausland auf der anderen Seite des Flusses Kongo. In erster Linie als "Schnelle Eingreiftruppe" sollen diese Truppen der UN die lange benötigte Mobilität verschaffen. Man beruft sich dabei besonders auf die 2003 im Nordosten des Kongo unter Führung der EU gesammelten Erfahrungen bei der erfolgreichen militärischen Intervention in Bunia. Gerade deshalb traut man den Truppen der EU durchaus zu, erfolgreich zu sein und einen entscheidenden Unterschied zu machen.

BAggerWas wollen wir aber überhaupt im Kongo? Mehr als dreieinhalb Millionen Tote sind für sich genommen bereits ein mehr als ausreichendes Argument. Es bedarf keiner großen Debatte darüber, ob "man" hier "eingreifen" sollte oder nicht. Kofi Annan forderte bereits 2003 das Aufstocken des UN-Kontingents von damals 10.000 auf 23.000 Soldaten. Darüber hinaus ist der Kongo reich an Bodenschätzen und das ist der eigentliche Grund, warum hier überhaupt so derbe die Post abgeht. In dieser Region gibt es zum Beispiel für Colombo-Tantalit, Diamanten, Gold, Kobalt, Uran, Mangan, Zink, Zinn, Kupfer, Kohle und Erdöl. Ein äußerst lukratives Lager, das bereits die Belgier ausbeuteten. Damals wusste man noch nicht um den Wert und die Bedeutung dieser Lagerstätten, das ist heute jedoch ganz anders.

TantalitTatsächlich ist die Industrie von einigen der im Kongo lagernden Rohstoffe vital abhängig, Colombo-Tantalit (kurzform: "Coltan") zum Beispiel ist für die zivile (Handys) wie militärische Produktion (Nachtsichtgeräte) unverzichtbar. Rund 80% der weltweit bekannten Lagerstätten dieses Rohstoffes sind im Kongo zu finden. Das Pentagon stuft Colombo-Tantalit als "strategischen Rohstoff" ein. Auch wenn die Industrie im Kondensatorenbau jetzt statt Tantal vermehrt Niob verwendet: Niob ist ein anderer Name für Colombium und das wiederum ist der zweite Bestandteil des Colombo-Tantalits. Beides wird im Kongo häufig zusammen mit Zinn gefunden.

HandyAuch Deutschland hat ein vitales Interesse am Zugang zu diesen Rohstoffen, denn diese bestimmen letztenendes auch unser wirtschaftliches Wohlergehen. Das Problem: Wir sind an dem Punkt angekommen, an dem man nicht mehr ohne echten und nachhaltigen eigenen Einsatz an diese Rohstoffe herankommt. Wer in einem später befriedeten Kongo ein Stück vom Kuchen abhaben will, der muss jetzt mit anfassen und sich die Finger schmutzig machen. Zusätzlich sind wir durch Verträge in der UN gebunden. Ob es international "gut ankommen" wird, wenn Deutschland sich dem Einsatz verweigert, ist mehr als fraglich.

SchachEs macht viel mehr den Eindruck, als wenn der Kongo eine Art "Bewährungsprobe" für Deutschland ist: Für weltweite Zwecke stehen unsere Truppen schon kaum zur Verfügung. Wie steht es aber für die "europäische Sache"? Wenn wir unsere Truppen hier nicht entsenden, dann werden wir sie für keinen europäischen Zweck entsenden. Dieses Bild gilt es zu vermeiden. Das ist der Bundesregierung mit Sicherheit spätestens seit den Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich im Zusammenhang mit der gemeinsamen europäischen Truppe klar.

Keine Frage, der Krieg um die Rohstoffe tobt. Er wird noch viel heftiger werden. Nur die Frage ist, ob sich Deutschland diesem Konflikt verschließen kann, wenn es wirtschaftlich auf dem globalen Weltmarkt überleben will.

Ich bezweifle das.

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