Mittwoch, 8. März 2006

Lobbyismus made in Ostdeutschland

Wappen Sachsen-AnhaltDie Tagesschau berichtet, dass es sich mal wieder lohnt, die politische Landschaft in den neueren Bundesländern ein wenig genauer zu beobachten. In Sachsen-Anhalt wirkt eine nicht ohne Grund sehr umstrittene Vereinigung (man selbst bevorzugt den Begriff "Partei") aus dem weit rechts anzusiedelnden Spektrum aktiv an der Tagespolitik mit, ohne im Landtag vertreten zu sein. Lobbyismus eben. Nun ist diese Vereinigung nicht die einzige mit rechtsextremen Tendenzen - davon gibt es in Deutschlend leider mehrere - aber diese hat es eben geschafft sich in Sachsen-Anhalt irgendwie zu etablieren. Zumindest vorübergehend. Hoffe ich.

Konstantin WeckerDer Liedermacher Konstantin Wecker wollte mal wieder etwas für seine Kariere tun (für seine Fans natürlich auch) und dachte sich, dass die Konstellation in Sachsen-Anhalt sich doch prima dafür eigne, ein wenig auf die (politische) Kacke zu hauen. Unter dem Motto "Nazis raus aus dieser Stadt!" wollte Herr Wecker eigentlich heute ein Konzert in einem Halberstädter Gymnasium geben.

Wie gesagt: "eigentlich". Das es nicht soweit kommen konnte, dafür sorgte eben jene sehr weit rechts im politischen Spektrum angesiedelte Vereinigung. Die naheliegende Vermutung wäre ja, dass eben jene Aktivisten mit dem Argument der "Verunglimpfung" oder so vorgehen würden, aber weit gefehlt! Sattdessen wurde das Argument des Wahlkampfes für die sehr viel weiter links im politischen Spektrum zu findende Linkspartei-PDS ins Spiel gebracht. Man ist ja nach eigenem Verständnis "Partei" im Sinne der freiheitlich demokratischen Grundordnung und befindet sich im Prozeß der demokratischen Meinungsfindung und Willensbildung (kurz: Wahlkampf), und während dieser Zeit ist Wahlwerbung in öffentlichen Gebäuden nicht erlaubt (in Sachsen-Anhalt ist am 26. März Landtagswahl.)

Um diesem Argument noch ein wenig mehr Würze zu verleihen und dafür zu sorgen, das auch wirklich der letzte versteht, was tatsächlich gemeint war, wurde denn auch im gleichen Atemzug angekündigt, dass man "aktiv an der Veranstaltung teilnehmen" werde, so denn das Konzert doch stattfinden sollte. Gleichzeitig wurde dann auch gleich gegen die Veranstaltung des Kabarettisten Serdar Somuncu "Hitler Kebab" protestiert und angekündigt auch dort "aktiv teilnehmen" zu wollen. Für die Zukunft wurden eine Reihe selbst veranstalteter Termine zu "nationalen Themen" angekündigt, sofern sich die Stadt nicht eines Besseren besönne. Aha, ganz so weit möchte man sich dann wohl doch nicht dem regulären politisch-demokratischem Instrumentarium anvertrauen, als dass man auf ein wenig handfeste Erpressung verzichten will.

Und so findet das Konzert von Herrn Wecker heute nicht in Halberstadt, sondern im thüringischen Jena statt.

Ich kann ja verstehen, dass man in Halberstadt nicht wirklich Bock darauf hat, dass eine zweifelhafte rechte Gruppierung mal wieder ihre noch viel zweifelhafteren rechten Kumpanen mobilisiert und im Mob vandalierend durch die City zieht. Wer hat schon Bock auf die dafür notwendige Polizeipräsenz und die fast schon unvermeidlichen Krawalle? Wofür ich aber gar kein Verständnis habe, ist die Feigheit, mit der hier vor einer Minderheit mit verkorksten Ansichten der Schwanz eingekniffen wird:
Eine Sprecherin des Landkreises Halberstadt begründete die Absage des Wecker-Auftritts auf Anfrage von tagesschau.de damit, dass in schulischen Gebäuden keine kommerziellen Veranstaltungen stattfinden dürften.
Wie eine Veranstaltung, bei der der auftretende Künstler auf seine Gage verzichtet, eine "kommerzielle Veranstaltung" sein kann, bedarf noch einiger Erklärung, denn mir erschließt sich diese Argumentation mal so rein gar nicht. Da klingt doch die vom stellvertretenden Landrat, Hans-Dieter Sturm, präsentierte Antwort um einiges ehrlicher:
Auf Nachfrage präzisierte der stellvertretende Landrat, Hans-Dieter Sturm, dass der Landkreis Sorge gehabt hätte, dass künftig in der Schule auch rechtsextremistische Veranstaltungen angemeldet werden könnten. Diese ließen sich nicht mehr verbieten, wenn jetzt ein Konzert mit Konstantin Wecker in Zusammenarbeit mit dem alternativen Zentrum "Zora" stattfinde, befürchtet er.
Ok, schiss haben die, kann man verstehen. Im Osten sind "die Rechten" eben um einiges massiver am Werke als in anderen Teilen der Republik. Trotzdem finde ich das feige, zumal Herr Sturm einräumt, dass das Konzert ohne die Androhung der Partei aus dem rechten Spektrum genehmigt worden wäre.

Wie war das noch mit "wehrhafte Demokratie" und "wehret den Anfängen"? Haben die da drüben in Sachsen-Anhalt echt keinen Mumm in den Knochen? Sind wir hier echt schon so feige, dass man uns nur ansatzweise mit Stress drohen muss, um von politischer Ebene Card Blanche zu bekommen?

Armes Deutschland.

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