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Die faktische Bankrotterkärung des Systems ist nicht erst seit gestern im Umlauf und die "Hilferufe" der Schulen in Berlin sind nicht wirklich die ersten und mit Sicherheit auch nicht die letzten. Selbst Politikern auf Bundesebene ist seit langer Zeit klar, dass am System Schule ein paar Dinge geändert werden müssten. Aber es werden mit einiger Sicherheit die letzten solcher "Hilferufe" sein, von denen die breite Öffentlichkeit erfährt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden Maßnahmen ergriffen, solche PR-Desaster in Zukunft zu verhindern. Politiker lassen sich nur äußerst ungern so kalt und unvorbereitet erwischen.
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Die Idee hinter der Dreiteilung des Schulsystems mit Durchlässen in alle Richtungen und Möglichkeiten zum Auf- aber auch Abstieg war grundsätzlich nicht falsch. Allerdings war ein entscheidender Aspekt dahinter der Leistungsgedanke der Schüler, die durch die Lehrer gefördert werden sollten. In der Praxis findet aber beides nur noch sehr eingeschränkt statt. Einerseits wird den Pädagogen eine Kuschelpädagogik beigebracht, die ein Ahnden von Fehlverhalten beim Verursacher kategorisch ausschliest, andererseits ist das mit dem Leistungsprinzip auch so eine Sache.
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Hinzu kommt, dass die Leistung des Einzelnen nicht bewundert, sondern geächtet wird. Wo wird denn die Leistung des Einzelnen wirklich gewürdigt? Wo gibt es denn Lob für "besondere Leistungen"? Alle Systeme des Staates durchzieht der Rote Faden der Belanglosigkeit der Leistung des Einzelnen. Wer seine Zukunft schon in der Schule im Auge hat, wird als "Streber" gebrandmarkt oder dem wird Unterdrückung durch die Eltern nachgesagt. Schüler, die am Ende ihrer gymnasialen Schulkariere allen Ernstes verkünden, dass sie jetzt ersteinmal gar nichts tun werden, weil sie ja bis jetzt genug für die Gesellschaft getan hätten, kennt wahrscheinlich jeder. Arbeiten? Wieso? Gibt doch genug Geld vom Staat.
Es ist nicht so, dass ausschließlich die Kinder der Einwanderer das Problem schlechthin sind. Ja, diese Gruppe hat und verursacht auch Probleme. Aber diese Gruppe ist mit Sicherheit nicht das einzige Problem. Ich bezweifle, dass mit Bewältigung des Problems der Integration mit einem Schlag das Problem Schule gelöst ist. Bestimmt nicht. Durch Lösen dieses Problems hört nicht von heute auf morgen der Monolog-Unterricht auf. Auch das Problem des ideenlosen Unterrichts, der fehlenden Möglichkeiten für Lehrer, der fehlenden tatsächlichen Förderung des Einzelnen, der fehlenden Lehrkräfte und so weiter wird nicht gelöst. Und wie durch die verbesserte Integration der Einwanderer das Problem der sich nicht um ihre Kinder kümmernden Eltern gelöst werden soll, interessiert wahrscheinlich nicht nur mich brennend.
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Ich habe den Eindruck, dass es hier gerade nicht um das Aufzeigen tatsächlicher Probleme geht. Es scheint darum zu gehen einerseits eine Schuldfrage zu konstruieren, die so nie gestellt wurde und gleichzeitig eine Antwort darauf zu finden, die gut in das bisherige Muster passt: "Der Deutsche ist eben ein Faschist! Wir haben es ja immer gewusst! Also schämt euch gefälligst und seid still!"
Es ist schwer nachzuvollziehen, warum das Problem Schule von jetzt auf gleich umgedreht wird in ein Problem der Integration. Nicht die Einwanderer sind das Problem. Globale Migration gibt es, seit es Menschen gibt. Die ganze Welt hat da lokal ganz eigene Probleme. Fragt mal in Amerika, Frankreich, Spanien, England, Italien nach. Die können zu dem Thema auch ganz schön was erzählen. Was allerdings für Deutschland besonders ist, ist die Konstellation aus Vergangenheit, Sozialer Hilfe der Gesellschaft für den Einzelnen, Globalisierung und alt eingesessener Interessenverbände.
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Durch die fehlende Akzeptanz des Systems Schule bei denen, die sie besuchen müssen, erhalten diejenigen Mechanismen und Institutionen mehr Gewicht in der Meinungsbildung und im Erwachsenwerden, die (zumindest scheinbar!) attraktiver, moderner, weltoffener, neutraler und näher und direkter mit dem eigenen Leben verknüpft erscheinen. Daraus entsteht sozialer Druck, denn der Mensch braucht seine Mitmenschen, muss mit ihnen kommunizieren, will sich mit ihnen vergleichen und gleichzeitig als Individuum abgrenzen und so weiter. Wer oder was liefert denn heute die Gesprächsinhalte der Jugend? Das altbekannte Paradoxon des Individuums in der Gruppe der Gleichen.
Schüler brauchen Konsumgüter im Peering-Netzwerk ihrer eigenen Realität. Nicht nur in der Schule, sondern auch und gerade außerhalb davon. Nur so können sie im Sozialisationsdruck der Mitschüler und im Bekanntenkreis ihrer Altergruppe bestehen. Allerdings ist es ja gerade die Kenntnis der Zusammenhänge, die es dem Einzelnen ermöglicht, die Regeln des Systems für sich zu nutzen, um so dem System widerstehen zu können. Und genau das ist es, was Schule und Eltern nicht vermitteln.
Geht es darum, wirklich etwas zu verändern? Scheinbar nein. Es geht offenbar eben nicht darum etwas zu verändern, sondern es geht wohl eher darum, wie man das Bestehende aufrechterhalten kann, indem man behauptet das Problem an einer anderen Stelle geortet zu haben. Viele ehemalige Pädagogen und Lehrer sind Politiker. Entsprechend sind die Verstrickungen zwischen System und Politik. Wohin das führt, sollte spätestens seit der Rechtschreibreform auch dem Letzten klar geworden sein.
Verantwortung tragen und Verantwortung zu übernehmen ist es, was in Deutschland nicht gelehrt und folglich auch nicht gelernt wird. Weil keiner selber für irgendetwas - am allerwenigsten für sich selber - verantwortlich sein will, sein kann, sind solche Katastrophen wie die, vor der wir mal wieder stehen, überhaupt erst möglich.
Für mich ist das einer der besten Artikel, die ich zu diesem Thema gelesen habe.
AntwortenLöschen"Um so erstaunlicher ist vor diesem Hintergrund die Haltung der Medien, die sich mit einer unvergleichlichen Impertinenz auf den Zusammenhang des Verhaltens der Kinder von Einwanderern und Schule stürzen, als wäre dies die Wurzel allen Übels."
Stimmt, die meisten suchen ihre Sündenböcke. Einwanderer und sozial schwache versauen unsere Kinder.