"Ich glaube, es gibt kleinere und mittlere Städte in Brandenburg und auch anderswo, wo ich keinem raten würde, der eine andere Hautfarbe hat, hinzugehen. Er würde es möglicherweise lebend nicht wieder verlassen."Wie wir spätestens seit der Geschichte mit dem Ingenieur in Potsdam wissen, ist eine solche Warnung vielleicht nicht ganz unangebracht. Aber wir wissen auch, dass dieses Thema bei manchen Leuten zu einer spontanen allergischen Abwehrblockade führt.
Dabei ist seit Hoyerswerda und Rostock Lichtenhagen jedem klar, dass im Osten "anders" mit Ausländern umgegangen wird. Im Zusammenhang mit Potsdam ist nocheinmal in aller Deutlichkeit analysiert worden, wie groß das Problem der "Rechten Gewalt" im Osten ist. Nicht ohne Grund gab der Afrikarat eine Reisewarnung für bestimmte Gegenden Deutschlands heraus. Heye tat wenig Anderes, als diese Warnung aufzugreifen und erneut ins Gedächtnis zu rufen. Und das war richtig!
Was hat sich denn getan seit jenem Überfall in Potsdam? Welche Maßnahmen wurden denn ergriffen, um den neonazistischen Sumpf trocken zu legen? Was ist denn getan worden, um soetwas zu verhindern? Hilft es der Sache so zu tun, als sei das alles eine Bagatelle und Streiche von pubertierenden Jugendlichen? Zwar ist der Hinweis korrekt, dass es nicht nur im Osten rechte Gewalttäter gibt. Aber es sei an das Phänomen der statistischen Häufigkeit erinnert. Mit anderen Worten: Auf wieviele Einwohner im Osten kommt eine Straftat mit "rechtsradikalem Hintergrund"? Und wie sieht die Quote im Vergleich dazu im Westen der Republik aus?
Die "Kriminalstatistik" (PKS) ist eine Erfassungsmethode zur Feststellung von Häufigkeit und Verteilung begangener Straftaten. Welche Straftaten unter welchem PKS-Schlüssel verbucht werden, ist nicht selten ein Politikum. Die genannten Zahlen sind daher als "absolut nicht schön zu redendes Minimum" zu verstehen. Wie viele Delikte aus dem Bereich des Rechtsextremismus zum Beispiel in eine einfache Körperverletzung verschoben wurden, weil die Angreifer beim Zuschlagen gerade keine rechten Parolen skandierten, kann man nicht mal ahnen. Das Verhalten von Herr Schönbohm im Zusammenhang mit dem Vorfall in Potsdam lässt aber einige ungute Ahnungen aufkommen.
Im März 2006 sind von der Kriminalstatistik 155 rechtsextreme Straftaten in Nordrhein-Westfalen und 71 rechtsextreme Straftaten in Brandenburg erfasst worden (Zahlen der Bundesregierung), aber in NRW wohnen mehr als 18 Millionen Menschen und in Brandenburg "nur" etwas mehr als 2,5 Millionen. Ausgehend von diesen Zahlen hat Brandenburg eine mehr als drei Mal so große Häufigkeit von Straftaten mit rechtsextremen Hintergründen. Und das sind aktuelle Zahlen, keine Werte von vor 8 oder 10 Jahren.
Und jetzt stellt Herr Schönbohm (mal wieder) hin und nennt das Benennen von Tatsachen eine "unglaubliche Entgleisung"? Eine schon eher "unglaubliche Entgleisung" leistete sich Herr Schönbohm mit seiner schon fast krampfhaften Verharmlosung der Vorgänge in Potsdam. Und es ist ja hinlänglich bekannt, wie Herr Schönbohm über die "Schuldfrage" denkt, zumindest in Sachen "Integration" und Migranten.
Keine Frage: Es ist falsch zu behaupten, es gäbe "nur hier und da" in Deutschland rechtsradikale Spinner. Die gibt es leider überall. Aber es ist ebenso falsch so zu tun, als sei der Osten eine Oase der Ruhe für Menschen mit dunkler Hautfarbe. Oder wer rät seinen ausländischen Freunden heute nachts doch mal bestimmte Stadtteile von Halle, Berlin, Magdeburg oder Rostock zu besuchen? Saß nicht in Sachsen die NPD sogar im Parlament? Und war es nicht Sachsen-Anhalt, das durch eine besondere Form des Lobbyismus auf sich aufmerksam machte? Sicher, so gesehen kann man natürlich auch sagen "der Osten hat kein Problem mit den Rechten". Aber das ist dann schon eine sehr zynische Betrachtung - oder eine sehr verzweifelte, je nach dem.
Immerhin: Auch wenn Herr Heye jetzt Angst vor seiner eigenen Courage hat, er hat etwas sehr Wahres ausgesprochen und uns allen damit vor Augen geführt, wie groß die Gefahr von Rechts tatsächlich ist: Wenn Politiker der "großen" Volksparteien schon beim bloßen Erwähnen des Wortes in panische Verneinungskrämpfe verfallen, es einen Skandal nennen, wenn das Kind beim Namen genannt wird, dann muss schon etwas sehr im Argen liegen.
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