Freitag, 10. Februar 2006

Bundeswehr im Inland?

Manch einer möchte gerne die Bundeswehr für Inlandseinsätze heranziehen, angeblich "um die Polizei zu unterstützen" und um der Polizei "Fachkräfte zur Verfügung zu stellen, die die Polizei selber nicht hat". Besonders die Herren Schäuble (Bundesinnenminister, CDU) und Beckstein (Innenminister Bayern, CSU) finden zur Zeit recht öffentlichkeitswirksam diese Idee "echt tollTM". Bemerkenswert ist die Argumentation der "Union" in Richtung der Grünen (die ganz deutlich sagen, wie wenig sie von dieser Idee halten): Herr Binninger sagte, dass es der Union nicht um eine Bewachung von Stadien oder einen Einsatz von Soldaten gegen gewalttätige "Fußballfans" geht. Es könnte aber eine Situation entstehen, in der die Polizei bei einer bestimmten Bedrohungslage überfordert sei. Die Grünen müssten einsehen: "Sicherheitspolitik macht man entweder ganz oder gar nicht." Aha. "Ganz oder gar nicht". So so. War nicht gerade in Bayern (speziell in München) vorgesehen, die Genehmigungspflicht für Gastronomiebetriebe massiv umzukrempeln, obwohl man weiss, dass dort 50% der Gastwirte einschlägige Akten bei der Polizei haben? Aber davon mal ganz ab.

Aber nicht nur die Grünen, auch die SPD und FDP sind ganz deutlich gegen einen Einsatz der Bundeswehr im Innern. Beider Fraktionen haben sich bereits mehrfach gegen eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes ausgesprochen.

In der "Frankfurter Rundschau" wird berichtet, dass Herr Schäuble mit einem Trick versucht sein Ziel zu erreichen und Bundeswehrsoldaten pünktlich zur Fußballweltmeisterschaft mit Aufgaben der Polizei zu betrauen. Es wäre durchaus realistisch anzunehmen, dass Soldaten zur Bundespolizei abgeordnet werden. Dort könnten sie dann im Rahmen der Amtshilfe zum Objektschutz eingesetzt werden. Mehrere Abgeordnete haben scheinbar bestätigt, dass der Innenminister diese Überlegungen mit Fachpolitikern der Regierungsfraktionen diskutiert habe.

Nun ist es nicht so, dass Herr Schäuble sozusagen "gerade gestern" auf die Idee mit dem Einsatz der Bundeswehr im Landesinnern gekommen wäre. Im Gegenteil. Bereits seit einigen Jahren hat er sich diese Idee sozusagen auf die Fahnen geschrieben und versucht bei jeder sich bietenden Gelegenheit eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes durchzusetzen. Dieses schreibt nämlich vor, dass die Bundeswehr zur Zeit in Friedenszeiten nur bei besonderen Katastrophen und Krisen im Inland eingesetzt werden darf. Die Erfahrungen aus dem Dritten Reich und anderen Staaten haben den Verfassungsgebern damals deutlich gezeigt, wie riskant es ist, dem Militär polizeiliche Aufgaben und Kompetenzen im Inland auch in Friedenszeiten zu übertragen und wie leicht aus einer scheinbar guten Idee grenzenloser Mißbrauch entstehen kann.

Was treibt nun grundsätzlich recht vernünftige und gebildete Menschen mit durchaus umfassendem Wissen um die Geschichte und die Verfassung und auch deren Entstehung dazu, solche Ideen so hartnäckig zu vertreten?

Vermutlich sind die Herren Schäuble und Steinbeck "irgendwie neidisch" auf die Nationalgarde der USA (wäre jedenfalls eine naheliegende Vermutung). Aber die Nationalgarde ist verfassungstechnisch ganz anders aufgestellt als die Armee. Darüber hinaus sind die Aufgaben der beiden klar von einander differenziert. Zusätzlich sind in den USA Polizei, Nationalgarde und Armee historisch gewachsen und existieren quasi "seit je her" nebeneinander und ergänzen sich. Das die Akzeptanz von Militär und so weiter in den USA völlig anders zu bewerten ist als in Deutschland, dürfte keine wirkliche Überraschung sein. Es dürfte deshalb schwer werden in Deutschland und Europa zu erklären, warum Deutschland neue militärische Kontingente aufstellt, auch und gerade wenn man Stein und Bein schwört, dass das alles nur zum Schutz des Inneren sei und man natürlich nicht vorhätte, sozusagen hintenrum aufzurüsten.

Aber gerade das hatte die USA (und nicht nur die) erst neulich noch ganz deutlich von Deutschland verlangt, damit Deutschland dem eigenen Anspruch auf die selbstgewählte bzw. selber angestrebte Rolle in der internationalen Staatengemeinschaft gerecht werden zu können.

Die Frage, ob eine militärische Organisation in Deutschland notwendig ist, um dieses Land "von Innen heraus nach Innen" zu verteidigen, ist eine komplizierte Frage. Sicherlich lassen sich eine Menge theoretischer Fallbeispiele konstruieren, wo eine solche Einrichtung sinnvoll, wenn nicht gar dringend notwendig wäre. Mir fallen zwar gerade keine solchen Szenarien ein, aber ich bin ja auch kein Verteidigungsexperte. Herr Schäuble (und wohl auch alle anderen Befürworter) dürften sich ziemlich sicher sein, dass es politisch in Deutschland und Europa nicht durchzusetzen sein wird, "neue" militärische Kontingente neben der Bundeswehr aufzustellen. Man denke nur an die Schlagzeile in Polen oder Israel "Deutschland rüstet auf"...

Andererseits hat sich wohl in bestimmten Kreisen irgendwie die Erkenntnis festgesetzt, dass es doch irgendwie notwendig sein könnte aufzurüsten. 250.000 Mann sind nunmal keine wirklich "kapitale Streitmacht". Es dürfte nur wenige Staaten geben, die einen noch niedrigeren Quotienten von Militär zu Einwohnern haben.

Naheliegende Frage: Brauchen wir sowas denn? Schwierige Frage. Deutschland will einen festen Platz im Sicherheitsrat. Deutschland will auf dem internationalen Parket seine Rolle als eine der führenden Nationen festigen und ausbauen. Deutschland will als ernstzunehmender und respektabler "global player" wahrgenommen werden und auf lange Sicht seine Position und Machtstellung auf der internationalen Bühne konsolidieren und ausweiten. Wir sind - was nur wenigen in aller Konsequenz und Bedeutung wirklich klar ist - Exportweltmeister und spielen in vielen Bereichen weltweit ganz oben oder zumindest sehr weit oben mit (auch wenn es da in einigen Bereich gerade "etwas" kriselt).

Verschiedene Faktoren haben gezeigt, dass unmittelbar an die Rolle auf dem eben genannten internationalen Parket eine international einsetzbare Streitmacht moderner Art gekoppelt ist: Will man den USA nicht den unumstritten Alleinanspruch auf die Funktion des weltweit aggierenden Krisenbewältigers überlassen, muss man zu den durch den USA angebotenen Werkzeugen eigene Alternativen anbieten. In vielen Bereichen können wir das und dafür wird Deutschland trotz aller Probleme und Herausforderungen im Inland durchaus vom Ausland wahrgenommen und geschätzt. Allerdings kann Deutschland in Puncto "brute force" einfach nicht im großen Rahmen mitreden. Zwar haben wir an vielen Orten (Afghanistan, Ex-Yugoslavien z.B.) unsere Soldaten im Einsatz, aber diese Einsätze belasten die Bundeswehr sehr stark und eine Ausweitung dieser Einsätze sind realistisch betrachtet kaum zu leisten.

Der pazifistische (und durchaus ernstzunehmende!) Einwand "Gewalt ist keine Lösung" ist allerspätestens seit den Eskapaden der Taliban in Afghanistan und dem Komplex "Al Quaeda" (sp?) weitestgehend praktisch widerlegt. Es dürfte schwer sein stichhaltig zu erklären, wie man diesen und vergleichbaren Herausforderungen internationaler Bedrohungen effizient, schnell und nachhaltig begegnen will, ohne auf diese internationale Bedrohung auch auf internationaler Ebene mit einem wenigstens ebenbürtigen Macht- und Gewaltpotential entgegenzutreten.

Auch andere Faktoren - der erklärte Wille Frankreichs und Deutschland eine gemeinsame Armee als Grundstock für eine zukünftige europäische Armee aufzustellen ist nur einer - sprechen deutlich dafür, dass Deutschland früher oder später in die Militärtechnik investieren (und damit im Klartext aufrüsten) muss. Es wird nicht leicht werden, dies gesellschaftlich durchzusetzen und ich bin der Meinung, dass dieses Thema intensiv diskutiert werden muss. Öffentlich. Wir müssen weg von dem Bild, dass wir im Ausland erwecken, nämlich dem, dass wir die Augen vor den Problemen und Notwendigkeiten verschliessen. Das ist gefährlich. Nicht nur, weil Deutschland damit seine eigene Position in der internationalen Politik schwächt, sondern auch, weil irgendwann jemand auf die Idee kommen könnte, dass Deutschland ein zahnloser Löwe ohne Krallen ist, der sich eh nicht wehren kann und auf "Big Brother" angewiesen ist, um sich zu wehren.

Und was wenn "Big Brother" dann gerade mal nicht helfen kann? Am Daumen lutschen, Lichterketten und Sitzblockaden machen sich zwar gut im Fernsehen, aber um es mal ganz trocken zu sagen: Am 11. September haben die auch nicht einen Meter geholfen. Ich bin kein befürworter einer ausufernden Militärmaschinerie oder einer durch und durch militarisierten Gesellschaft. Ich bin aber der Meinung, dass wir global nicht in der Position sind, auf eigenes Militär verzichten zu können und wir sind schon gar nicht mehr in der Situation, dauernd andere Nationen ihre Truppen für unsere Interessen einsetzen zu lassen. Wie gesagt: In aller Offenheit diskutieren und das notwendige Maß finden.

Ich halte es aber für den schon im Ansatz falschen Weg sozusagen hintenrum durch mehr oder weniger Verschmelzen von Bundeswehr und Bundespolizei die faktische Grundlage für ein Aufstocken der Bundeswehr zu schaffen: "Wir müssen jetzt ja noch mehr Aufgaben erfüllen, wir brauchen mehr..."

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Bedingt durch die DSGVO müssen Kommentare zu Beiträgen der Tapirherde manuell freigeschaltet werden, um um der Veröffentlichung von Spam-, Hass- oder sonstiger unerwünschten Kommentaren vorbeugen zu können. Die Veröffentlichung eines Kommentars kann deshalb ein wenig dauern. Sorry dafür.
Wenn Sie Beiträge auf Tapireherde kommentieren, werden die von Ihnen eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. die IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Weitere Infos dazu finden Sie in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.