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Freitag, 25. Mai 2018

Nur ein Bild...

Anna Ahronheim postete auf Twitter ein Foto:

Auf den ersten Blick: "Ja gut. Son Flieger halt. Und?"

Nun, das ist ein F-35 Lightning II. Der Vogel hat in der Vergangenheit nicht gerade die beste Presse bekommen, was seine Einsatzfähigkeit angeht. Es ist ein F35 der Israelischen Luftwaffe. Und er fliegt über Beirut. Am helllichten Tage. Mit genügend Zeit und Ruhe, mal eben ein Erinnerungsfoto zu knipsen.

Beirut ist die Hauptstadt des Libanon und nicht etwa Teil von Israel. Der Libanon ist bekannt für seine Hizbollah und seine nicht eben unkomplizierte Beziehung zu Israel. Wenn Libanon den Flieger bemerkt hätte, wäre da bestimmt einiges los gewesen. Ob es nun den gravierenden Unterschied macht, über der Hauptstadt des Libanon herumzukurven, oder etwas weiter östlich über Syrien, darüber darf man gerne spekulieren, aber ich behaupte mal kraft eigener Willkür: Macht es nicht.

Ach ja: Aus welchem Flieger das Foto wohl geschossen wurde...?

Freitag, 18. Mai 2018

Wie gefährlich ist die Lage im Nahen und Mittleren Osten?

Als meine Bundeskanzlerin bei der Verleihung des Karlspreises an Emmanuel Macron sagte: "Die Eskalationen der vergangenen Stunden zeigen uns, dass es wahrlich um Krieg und Frieden geht", hielten das etliche für eine medienwirksame Übertreibung. Das war es wahrscheinlich nicht. Um die Gefahr zu begreifen, lohnt es sich vielleicht, die Situation im Nahen und Mittleren Osten ein wenig zu reflektieren.

Die Tatsache, dass US Special Forces heimlich dem Saudischen Militär bei Operationen gegen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen helfen, war bereits ein deutlicher, letztendlich aber auch nur ein weiterer Hinweis darauf, dass Trump bewusst auf einen neuen Krieg am Golf zu steuert.

Nach offizieller Lesart endeten die Kriege '91 und '03 mit "Siegen" der USA. Allerdings wurden durch diese "Siege" neue Formen und Ausmaße des Terrorismus losgetreten, Millionen Menschen zu Flüchtlingen und der Mittlere Osten dramatisch destabilisiert.

Ob deshalb auch wirklich von "Siegen" gesprochen werden darf, ist zu Recht umstritten. Ein dritter Golf-Krieg, der sich speziell gegen die Führung des Iran richten wird, wird ohne Frage mit einem weiteren "Sieg" der USA enden - wahrscheinlich aber mit weitaus dramatischeren Folgen, als die vorangegangenen.

Der Iran hat eine - verglichen mit den USA - zwar schwache, trotzdem militärisch modern ausgerüstete, motivierte und erfahrene Armee. Eine militärische Konfrontation zwischen dem Iran und den USA wird auch deshalb tendenziell schwieriger (und härter) als im Irak, gegen ISIS oder in Afghanistan. Der Iran ist weitaus moderner ausgerüstet, geografisch ein Albtraum und größer als Irak und Afghanistan zusammen (viereinhalb Mal so groß wie Deutschland). Letztendlich wird das den Konflikt verlängern, aber es wäre vermessen, dem Iran letztendlich einen Sieg über die US-Truppen zuzutrauen.

Ein Dritter Golf-Krieg verliefe wahrscheinlich nicht ganz nach dem "bewährtem" Muster, denn der Iran verfügt über bemerkenswerte Mittel und Methoden, Angreifern das Leben schwer zu machen. Wenn die USA in den Krieg zögen, hätten sie zwei Optionen: Invasion oder militärisch unterstützte wirtschaftliche Strangulation. Egal wie der Krieg auch immer verläuft, schon das geografische Ausmaß des Feldzuges und die Anzahl der involvierten Akteure stellt die beiden vorherigen Golf-Kriege in den Schatten. Ob das Ziel, einen Regimewechsel zu erzwingen, militärisch erreicht werden kann, ist mehr als fraglich.

Wenn der Iran angegriffen würde und der Iran alle Optionen ausschöpft - warum sollte er auch nicht? - könnte sich das Schlachtfeld im Extremfall von den Küsten des Mittelmeeres bis zur Straße von Hormus erstrecken. Gegenüber stünden sich in dem Fall auf der einen Seite die Allianz aus Iran, Assad in Syrien, Hisbollah im Libanon, diverse Milizen im Irak und im Jemen. Dem stünden auf der anderen Seite die USA, Israel, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (UAE) gegenüber. Sollte der Konflikt in Syrien aus dem Ruder laufen und Tartus und / oder Khmeimim ernsthaft gefährdet sein, würde sich wahrscheinlich Russland einmischen. Auf welche Seite sich das stinkreiche Katar schlägt, bleibt ebenso abzuwarten, wie die Reaktionen in Afghanistan und Pakistan.

Alle Parteien haben sich massiv mit modernsten Waffen ausgerüstet. Jeder Konflikt wäre entsprechend blutig - für alle Beteiligten. Auch die USA müssten sich auf Verluste einstellen, denn insbesondere der Iran besitzt einige moderne Waffensysteme russischer Produktion und hat selber eine ernstzunehmende Rüstungsindustrie, die wiederum Assad mit Waffen und wahrscheinlich die Hisbollah mit Raketen und Munition versorgt hat.

Die USA wiederum haben Israel, Saudi-Arabien und die UAE seit Jahren mit milliardenschweren Rüstungslieferungen ausgestattet und Trump hat versprochen, diese Lieferungen sogar noch auszuweiten. Sobald die USA den Iran angreifen, kann der Konflikt mit Leichtigkeit eskalieren, weil jeder in der Gegend mehr als einen selbsterklärten "Grund" dafür hat, gegen irgendjemanden loszuschlagen und eigentlich nur auf die "richtige" Gelegenheit wartet. Nicht zuletzt, weil USA und Iran gegenseitig erklärte Feinde sind.

Die instabile Lage im Irak könnte endgültig kippen, weil die dem Iran verschriebenen Shia-Milizen sofort gegen die USA losschlagen würden. Die vom Iran materiell und finanziell unterstützte Hisbollah im Libanon würde Israel angreifen, auch um deren Kräfte zu binden. Im Jemen würden die vom Iran unterstützten Milizen die Einheiten Saudi-Arabiens angreifen, um die dort zu binden. Assad wiederum könnte parallel zur Hisbollah gegen Israel vorgehen. Einerseits, um sich die Golan Höhen zurückzuholen, was Israel in eine gefährliche Lage brächte, die Israel nicht zulassen kann. Andererseits auch, um das im syrischen Bürgerkrieg gefestigte Bündnis mit dem Iran einzuhalten und sich bei Israel für diverse Aktionen der Vergangenheit zu revanchieren. Was parallel dazu in Gaza und im Westjordan los wäre, kann man nicht mal erahnen.

Das Resultat einer solchen ausufernden Eskalation wäre kaum auszumalen. Neben den unmittelbaren militärischen Zerstörungen und Verlusten würden gewaltige Flüchtlingsströme in Gang gesetzt. Dagegen wären die bisherigen Flüchtlingsströme aus Syrien ein laues Lüftchen. Der Öl-, Gas- und sonstige Export aus der Region käme quasi zum Erliegen, was unmittelbare Auswirkungen auf die Ölpreise hätte. Bereits das Risiko dieser Eskalation ist schon heute an den Tankstellen bei uns abzulesen. Unsere Exporte in diese Regionen wären ebenso betroffen. Der Schiffsverkehr um die Arabische Halbinsel herum wäre zumindest zeitweise sehr riskant und würde wahrscheinlich ebenfalls stark eingeschränkt. Der Luftraum wäre komplett zu, was wiederum den Flugverkehr in Richtung Indien und Fernost mindestens beeinträchtigen würde. Das alles hätte massive Auswirkungen auf den Welthandel.

Hinzu kämen die unmittelbaren geopolitischen Folgen im größeren Rahmen. Naheliegend sind die nach außen sichtbaren (und deshalb eher symbolischen) Krisensitzungen des UN-Sicherheitsrates und Konflikte auf höchster diplomatischer Ebene. Russland hat sich recht deutlich erkennbar auf die Seite des Iran gestellt. Im Falle einer Eskalation würde das ohnehin angespannte Verhältnis zu Russland weiter belastet.

China war schon früher auch eher auf Seiten des Iran als auf der der USA. Seit den jüngsten Steuern gegen China und Aktionen wie die Nummer mit ZTE ist Xi sicherlich nicht unbedingt Washington gewogen. Auch hier wäre im Falle einer Eskalation kaum mit einer Verbesserung des Verhältnisses zu den USA bzw. zum Westen insgesamt zu rechnen.

Zu welchen Maßnahmen Moskau und Beijing sich letztendlich genötigt fühlen, ist völlig unabsehbar, aber ignorieren werden beide das sicher nicht. Wer sich in welchem Umfang wann und wo und wie beteiligt, ist kaum vorherzusagen. Aber sollten die USA wirklich angreifen, wäre es deshalb keine Frage des "ob", sondern des "wann" und in welchem Umfang die Lage eskaliert.

Sollten die USA nicht angreifen und es gleichzeitig der Koalition aus Europa-Russland-China nicht gelingen, das Abkommen irgendwie zu retten, wird Teheran mit dem endgültigen Ende des Abkommens mit Sicherheit sofort mit dem Bau einer eigenen Atombombe beginnen. Dass Teheran weiß, wie das geht und das theoretisch auch kann, steht außer Frage. Das war ja der Auslöser für das Abkommen. Sobald aber der Iran (wieder) damit anfängt, würde auch Saudi-Arabien jede Hemmung fallen lassen und ebenfalls sofort nach der Bombe greifen. Das wiederum würde eine Kette von Ereignissen und Reaktionen auslösen, auf die niemand im Augenblick vorbereitet ist. Die ewige Nordkorea-Krise mag ein ganz oberflächlicher Eindruck von den zu erwartenden Dimensionen sein.

All das wurde bislang verhindert durch dieses ganz bestimmt nicht perfekte Abkommen mit dem Iran. Aber selbst ohne eine sich abzeichnende Eskalation zwischen Iran und USA markiert das Ende des Abkommens mit dem Iran einen Paradigmenwechsel in der US-Außenpolitik in der Region. Die sich abzeichnende Achse USA-Israel-Saudi-Abrabien stellt nicht nur einen fundamentalen Wechsel der geopolitischen Ausrichtung der USA dar.

Bislang ging es den USA eher um Öl und Gas und weniger um lokale Akteure. Da die USA inzwischen nur noch knapp 30% ihres Öls importieren, davon etwas mehr als die Hälfte davon aus der Region. Die Carter Doktrin diente der Sicherstellung der Versorgung der USA mit Öl und war bisher Grundlage der Androhung von Gewalt gegen jeden in der Region, der das gefährden wollte. Heute geht es eher um die geopolitische Vorherrschaft in der Region. Dieser Wettstreit dreht sich um Saudi-Arabien und Iran, die sich beide jeweils als Mittelpunkt der arabischen Welt verstehen, die Saudis für die Schiiten, der Iran für die Sunniten.

Trump mag Mohammed Bin Salman offenbar und Israel, speziell Netanjahu, sowieso. Israel wiederum nähert sich auch mehr oder weniger intensiv den Saudis an. Den Iran mag Trump dagegen eher nicht so. Israel will schon lange gegen den Iran gezielt losschlagen. Saudi-Arabien hat auch sehr spezielle Ansichten über den Iran.

Ja, Trumps Rückzug aus dem Abkommen ist nachvollziehbar. Auch das Ziel, im Nahen und Mittleren Osten neue geopolitische Fakten zu schaffen ist offensichtlich und nachvollziehbar. Ob allerdings allen klar ist, wie heikel die Nummer tatsächlich ist, bezweifle ich.


(Bild: Wikimedia)

Mittwoch, 9. Mai 2018

Warum hat Trump das Abkommen gekündigt?

Präsident Trump hat den "Iran-Deal", den am 14. Juli 2015 beschlossenen und am 16. Januar 2016 in Kraft getretenen Joint Comprehensive Plan of Action, oder kurz JCPOA, verlassen. Damit ist das Ding im Prinzip am Ende, egal, was die verbleibenden Nationen dazu sagen. Abgeschlossen wurde der JCPOA zwar zwischen dem Iran auf der einen und China, Russland, Frankreich, England, Deutschland und den USA auf der anderen Seite. Aber es dürfte kaum realistisch sein, ohne die USA die ausgehandelten Bedingungen aufrecht zu erhalten. Umso mehr, da das Regime in Teheran gerade die USA als Prime Evil betrachten.

Warum Trump das Abkommen letztendlich verlassen hat, wird wahrscheinlich nie vollständig erklärt werden können. Allerdings hat er den JCPOA schon seit Jahren kritisiert und immer wieder Neuverhandlungen gefordert. Er selbst nannte das Aufkündigen des Abkommens ein Wahlversprechen, das er jetzt einlöse. Da der JCPOA von seinem Vorgänger Obama unterzeichnet wurde und Trump eine vorhersagbare Aversion gegen alles von Obama Beschlossene hegt, dürfte auch das eine Rolle mitgespielt haben. Siehe Obamacare.

Auch das Verhältnis zu Israel wird einen Anteil an dem Schritt haben. Auch Netanjahu hat das Abkommen immer wieder kritisiert und zuletzt gar behauptet, Israel hätte Beweise dafür, dass der Iran trotz des Abkommens weiterhin Atomwaffen entwickle - den faktischen Beweis blieb er bis heute allerdings schuldig.

Wer mutig ist, der mag sagen: "Der Trump ist einfach nur bekloppt" und ihm unterstellen, dass er aus reinem Irrsinn heraus getan hat, was er tat. Aber das lässt ein paar Dinge außer Acht. Selbst Politiker, die den Schritt der USA scharf kritisieren, räumen ein, dass der JCPOA reichlich löcherig ist und der Iran nicht gerade zu den mustergültigsten Staaten der Welt gehört.

Im Kern ging es beim JCPOA darum, die Anreicherung waffenfähigen Urans und Plutoniums zu unterbinden. Das ist geschehen. Die IAEA hat bestätigt, dass Teheran kein waffenfähiges Uran bzw. Plutonium herstellt und sich an den Vertrag hält. Allerdings hat der Iran durchaus seine Ambitionen vorangetrieben, mehr Einfluss in der Region zu bekommen. Das wiederum sagt aber nichts darüber aus, was mit dem Wissen über die Entwicklung von Atomwaffen geschieht. Das lässt sich nämlich nicht ganz so einfach wieder aus der Welt schaffen. Auch lies das JCPOA die Frage nach den Trägersystemen und den Mittelstreckenraketen insgesamt außen vor.

Grundsätzlich ist da ja nichts gegen zu sagen. Jedes Land hat das Recht sich zu verteidigen und entsprechende Forschung und Entwicklung zu betreiben. Dem stimmt sogar die US-Regierung zu. Wenn der Iran jetzt nicht ausgerechnet die libanesische Hezbollah und die Huthi-Rebellen im Jemen militärisch unterstützen würde, wära vieles einfacher. Aber das Engagement im Jemen trägt sehr zur Destabilisierung der ganzen Region bei und verhindert, dass die dort seit im Prinzip seit den 1930er Jahren herrschenden Kriege endlich beendet werden können. Allerdings ist auch diese Situation nicht frei von komplizierten Verstrickungen unterschiedlichster, sich diametral entgegenstehender Interessen. Man sollte den Anteil der reinen Propaganda bei keiner der im Jemen beteiligten Parteien unterschätzen, erstrecht nicht was Saudi-Arabien angeht.

Die Unterstützung der schiitischen Hezbollah durch den Iran ist nicht förderlich für einen Frieden im Nahen Osten. Die USA, Israel, die Arabische Liga und Kanada stufen die Hezbollah pauschal als terroristische Organisation ein. Die EU und Australien sehen nur die Miliz der Hezbollah als terroristisch an. Die Regierung des Libanon lehnt eine Entwaffnung der Hezbollah ab und deshalb kann diese nahezu ungestört auch weiterhin in der selbsterklärten Rolle des einzigen Beschützers des Libanon vor Israel auftreten. Israel erklärt seit Ewigkeiten immer wieder, dass die vom Iran unterstützte, militärische Hezbollah eines der zentralen Probleme im Friedensprozess sei.

Zwar ist der Iran im Moment nicht dazu in der Lage, mit irgendwelchen Raketen Mitteleuropa oder gar die USA zu erreichen. Weder konventionell noch nuklear. Aber der Iran hat trotz aller Kontrollen und Embargos erfolgreich Raketen in den Jemen geliefert. Von dort aus wurden - gerade in der jüngeren Vergangenheit - verstärkt Angriffe gegen Saudi-Arabien gefahren. Nun ist Saudi-Arabien auch nicht völlig unumstritten, aber diese Raketenangriffe auch gegen Schiffe auf den international stark frequentierten Seewegen am Horn von Afrika und in der Meerenge zwischen Afrika und der arabischen Halbinsel trugen auch nicht gerade dazu bei, die Lage dort zu entspannen und diplomatische Fortschritte zu erzielen.

Diese Lieferungen in den Jemen dienten auch dem Test der vom Iran entwickelten Mittelstreckenraketen, die sie im eigenen Land nicht durchführen konnten. Die Raketen sind zwar noch nicht so weit entwickelt, dass man davon sprechen könnte, die Raketen des Iran spielten in derselben Liga wie beispielsweise die der USA. Allerdings gelang es des Huthi-Rebellen, mit einigen Angriffen Angehörige der US-Armee und ihrer Verbündeter zu töten und auch einige Patriot-Systeme auszuschalten. Spätestens jetzt wird klar, dass es den USA nicht nur ums Prinzip geht.

Das Pentagon und führende Generäle in der Region bestätigen, wovor der damalige Verteidigungsminister Robert Gates bereits vor inzwischen mehr als zehn Jahren gewarnt hat. Insbesondere warnen sie davor, dass der Iran aktiv an einer Destabilisierung des Mittleren Ostens arbeitet.

General Joseph Votel, Kommandant des US Central Command, warnt immer wieder vor den Zielen des Iran im Jemen. Im Februar sagte er gegenüber dem US Kongress, dass seine Mission darin besteht, die destabilisierenden Einflüsse des Iran in der Region abzuwehren, insbesondere die Verbreitung von Raketen und das Starten von Stellvertreterkriegen:

"Iran has extended its tentacles across the region through numerous proxies." "Iran continues to develop advanced ballistic missile capabilities and also transfer them to the Houthis and to its Hizballah proxies. This will enable them to strike U.S. partners and allies, and the possibility Tehran will reinvigorate its nuclear program in the out-years of the JCPOA remains a potential risk. Nuclear proliferation, combined with proxy warfare, increases opportunities for miscalculation and generates a serious threat to the region and the United States."
(Gen. J. Votel, Central Command)

Auf der einen Seite haben Vertreter der militärischen Geheimdienste jede sich bietende Gelegenheit genutzt, der Presse Belege für aus dem Iran stammende Raketen, Drohnen und ferngesteuerte IED-Schnellboote zu präsentieren, die in Saudi-Arabien und im Jemen gefunden wurden. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Raketen des Iran inzwischen so gut sind, dass der Mittlere Osten nur noch knapp vier Minuten Zeit hätte, auf einen massiven Raketenangriff des Iran zu reagieren, gleichzeitig die Raketen aber immer größere Reichweiten erzielen.

Auf der anderen Seite veröffentlichte die New York Times neulich, dass US Special Forces im Jemen aktiv sind. Etwas, was die US-Regierung nicht unbedingt öffentlich zugeben wollte, während Verteidigungsminister Mattis und andere den US-Kongress drängen, die Mittel für die Unterstützung Saudi-Arabiens und der UAE nicht zu kürzen. Wohl wissend, dass Saudi-Arabien und die UAE nicht gerade mit Präzisionsschlägen gegen die Huthis vorgehen und so letztendlich für zivile Toten durch von den USA gelieferten Waffen sorgen.

Es ist insgesamt nachvollziehbar, warum die US-Administration das JCPOA gekippt hat. Nachvollziehbar ja, ob es richtig war, ist eine andere Frage. Denn aus dem Abkommen auszusteigen ist eine Sache. Aber wichtiger ist, was dem Ausstieg denn jetzt folgt. Zwar hat Trump angekündigt, dass jetzt (realistisch ist in drei bis sechs Monaten) drastische Sanktionen in Kraft treten werden. Er hat auch gesagt, dass er mit "verbündeten" sprechen werde. Er hat auch gesagt, dass dem Iran andere Wege offenstehen. Aber er hat vollkommen offengelassen, wie, wann und in welcher Reihenfolge welche Schritte erfolgen sollen.

Besondere Besorgnis sollte dabei die durchaus realistische Option machen, dass Präsident Trump Militärschläge gegen den Iran anordnen könnte. Allerdings dürften die Entwicklungen entlang der Stellvertreterfronten im Jemen und in Syrien sehr viel interessanter sein. Gerade die Inbetriebnahme der Bunker in den Golan Höhen durch Israel ist ein solcher Hinweis auf sich anbahnende Entwicklungen.

Insofern ist die Sorge um das Ausbrechen eines Krieges zwischen den USA und dem Iran absolut berechtigt. Aber de facto ist ein solcher bereits im Gange, wenn auch verdeckt. Ob Trump soweit geht, militärisch im Iran zu handeln, um etwa den Wiederaufbau von Anreicherungsanlagen zu verhindern oder aber die behaupteten versteckten Nuklearanlagen zu zerstören, ist im Moment kaum abzuschätzen. Aber wie der ehemalige Chairman der Joint Chiefs of Staff, General Martin Dempsey sagte:

"We walked away from allies and withdrew from the Iran Nuclear Agreement." "Yet strategically we should share complex problems. Fewer Partners means fewer options. We are now alone on a more dangerous path with fewer options. We'll see."
(Gen. Martin Dempsey)

"Weniger Optionen" ist nun wirklich nicht das, was ich von jemandem wie Dempsey als Lagebeurteilung hören möchte. Schon gar nicht mit jemandem wie Trump als oberstem Befehlshaber der US Streitkräfte...

Samstag, 14. April 2018

Trump, Macron und May lassen es in Syrien knallen

In der vergangenen Nacht haben die USA, England und Frankreich gemeinsam Ziele in Syrien angegriffen. Dieser Angriff galt als Vergeltung wegen des wiederholten Einsatzes chemischer Waffen durch das Regime von Baschar al Assad (eigentlich: Baššār Ḥāfiẓ al-Asad) gegen die eigene Bevölkerung.

Es gibt wenig, was durch die internationale Staatengemeinschaft übereinstimmend so sehr verurteilt wird, wie der Einsatz chemischer Waffen. 1925 wurde im Bewusstsein der grausamen Auswirkungen chemischer Waffen, die im Ersten Weltkrieg von nahezu allen Seiten ungehemmt eingesetzt wurden, das Genfer Protokoll über das "Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder anderen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege" von damals 36 Staaten unterzeichnet.

Das Genfer Protokoll ist eine Weiterentwicklung der Haager Landkriegsordnung, die bereits 1899 ein erstes Verbot von Gift oder vergifteten Waffen enthielt (Zweiter Abschnitt, Erstes Kapitel, Artikel 23 a). Es daher ist keine "neue" Idee, den Einsatz von Giften im Krieg zu ächten. Angesichts der geschätzt 100.000 getöteter und ca. 1,2 Millionen verwundeter Soldaten, die durch den Einsatz von 120.000 Tonnen chemischer Kampfstoffe zu beklagen waren, schien eine erneute Auseinandersetzung mit dem Thema notwendig. Deutschland gehörte zu den Erstunterzeichnern und ratifizierte das Protokoll 1929. Bis heute sind dem Abkommen 140 Staaten beigetreten. Seit 2013 auch Syrien.

Eigentlich hätte die UN bzw. der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen aktiv werden müssen, aber entsprechende Resolutionen wurden immer wieder durch Russland verhindert. Offenbar hatten Trump, Mey und Marcon jetzt den Kanal dicht und haben gehandelt - mit Vorankündigung.

Bereits vor einem Jahr hatten die USA eine Militärbasis in Syrien als Vergeltungsmaßnahme für den Einsatz chemischer Waffen angegriffen. Die Folgen waren damals politisch wie militärisch "überschaubar" und es war klar, dass der Angriff eher symbolischen Charakter hatte. Al Shayrat war bereits wenige Wochen nach dem Angriff wieder im normalen Einsatz.

Meine Kanzlerin hatte schon am 12. April ausgeschlossen, dass sich die Bundeswehr an einem militärischen Einsatz gegen Syrien beteiligen würde. Angesichts der Situation der Bundeswehr war das, obwohl Merkel eigentlich nie ungefragt und schon gar nicht ohne Not etwas kategorisch ausschließt, wohl auch eher eine offensichtliche Feststellung der Realität. Niemand mit ausreichend Hirn im Kopf würde auch nur ansatzweise in Erwägung ziehen, dass sich die Bundeswehr an einem militärischen Angriff beteiligen könnte, egal wer das fordert oder befiehlt. Interessant ist allerdings, dass sie zwar die militärische Unterstützung ausschloss, aber zu finanziell und politisch kein Wort verlor. Man darf spekulieren.

Jetzt wurden mehrere Ziele in Syrien angegriffen und meine Kanzlerin sagt zu den Angriffen:

"Der Militäreinsatz war erforderlich und angemessen, um die Wirksamkeit der internationalen Ächtung des Chemiewaffeneinsatzes zu wahren und das syrische Regime vor weiteren Verstößen zu warnen." "Wir unterstützen es, dass unsere amerikanischen, britischen und französischen Verbündeten als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats in dieser Weise Verantwortung übernommen haben."
(Angela Merkel, Bundeskanzlerin, CDU)

Die Schwierigkeit des Themas zeigt sich in der international kontrovers geführten Debatte: Darf man Syrien militärisch angreifen, um das Regime dazu zu zwingen, den Einsatz chemischer Waffen zu unterlassen? Darf das ohne UN Resolution geschehen? Kann Assad auf diplomatischem Wege dazu gezwungen werden? Es ist ja nicht so, dass alles das nicht versucht worden wäre. Eine Beschlussfassung der UN wurde mehrfach versucht herbeizuführen - siehe oben. Auch auf diplomatischem Wege außerhalb der UN wurde viel und lange versucht.

Es ist auch nicht so, dass die US, England und Frankreich unmittelbare territoriale Interessen in Syrien zeigen würden, wie es z. B. Iran, Russland oder die Türkei tun. Allerdings ist "der Westen" am Konflikt in Syrien direkt beteiligt, der inzwischen durchaus als "Stellvertreterkrieg" bezeichnet werden kann.

Bevor man allerdings skandierend auf die Straße rennt und die jetzt handelnden Staaten pauschal in Bausch und Bogen verurteilt, sollte man sich über eins im Klaren sein: Das syrische Regime setzt Chemiewaffen gegen die eigene Zivilbevölkerung ein. Wenn es "wenigstens" gegen fremde Truppen wäre, man könnte anders diskutieren. Aber gegen die eigene Zivilbevölkerung? Darf die internationale Staatengemeinschaft, darf irgendein Staat da sagen "mir egal, mach mal"? Ich denke nicht.

Um sich eine Vorstellung zu machen, wie sehr sich das Assad-Regime an das Protokoll gegen Chemiewaffen gebunden fühlt, empfehle ich ein wenig Lektüre.

Die größere Frage ist allerdings, worin die langfristige, übergeordnete Lösung besteht. Angenommen, Assad würde abgesetzt - was angesichts der offensichtlichen Interessen Moskaus (Stichworte: Tartus, Khmeimim) und Teherans (Stichworte: Schiiten, Hisbollah) kaum realistisch ist. Aber spielen wir das mal durch. Assad ist weg vom Fenster. Und dann? Wer soll die Nachfolge antreten?

Die eine Opposition gibt es in Syrien nicht. Das, was an Opposition überhaupt noch am Leben ist, sitzt entweder in syrischen Foltergefängnissen (in denen, nebenbei bemerkt, angeblich auch ganz gerne mal durch die CERS / SSRC chemische Kampfstoffe an den Insassen ausprobiert werden). Oder die Gruppierungen wurden so weit zusammengeschossen, dass alleine der Gedanke an eine funktionierende Regierungsbildung durch eine Oppositionspartei so abwegig ist wie nur irgendwas. Sobald Assad aber weg vom Fenster wäre, entstünde zwangsläufig ein Machtvakuum, das alle sich in Syrien abwechselnd auf die Mappe hauenden Fraktionen versuchen würden auszufüllen. Der Zusammenbruch des Staates Syrien wäre unausweichlich.

Eine Regierung aus den unterschiedlichen Interessengruppen zu bilden und so die Einheit (und den Fortbestand) Syriens aufrechtzuerhalten (vergleichbar mit dem Libanon) ist unter anderem Idee Moskaus. Das wiederum würde aber einen kompletten Umbau des Staates Syrien erfordern, der im Moment keine Chance auf Erfolg hat, weil die Interessen der unterschiedlichen Interessengruppen, die in Syrien Gebiete halten, nahezu unvereinbar und teilweise sogar offen feindselig sind: Die Regierung Assad und ihre unmittelbaren Oppositionsgruppen, die pro-türkischen Milizen, die pro-iranischen Milizen, die Kurden.

Daneben gibt es noch internationale Interessengruppen, ganz vorne dabei Teheran. Teheran will um jeden Preis eine physische Verbindung zu seinen Verbündeten Gruppierungen halten und eine dauerhafte Präsenz auf syrischem Boden erhalten. Allerdings hat Israel so rein gar kein Interesse an militanten und bewaffneten schiitischen Milizen in Sichtweite der Israelischen Grenze. Die Kurden wiederum wollen einen eigenen Staat, der sich über mehrere Regionen im Irak, der Türkei und Syrien erstrecken würde. Diese Idee findet Ankara mal so gar nicht sexy.

Irgendein Regierungssystem unter der Aufsicht der UN? Nach den Erfahrungen des Afrikanischen Frühlings (Libyen, Ägypten, Tunesien, Sudan) will dieses Experiment niemand ernsthaft schon wieder anfassen und scheitern sehen. Unter Aufsicht der USA? Das werden Moskau, Teheran, Ankara nicht zulassen. Unter Aufsicht Moskaus? Das werden weder die Nato noch Israel erlauben.

Assad an der Macht lassen scheint die im Moment für das Volk finsterste, aber leider einzige irgendwie funktionierende Lösung zu sein. Ihn an der Macht lassen und dann das Land "von außen" wieder aufbauen, Oppositionen etablieren und dann irgendwann Wahlen... Ob das allerdings in der Praxis auch nur im Entferntesten eine realistische Idee ist, vermag wahrscheinlich im Augenblick niemand zu sagen, denn verglichen mit der syrischen Melange ist selbst die Situation in Israel / Gaza / Westbank "ausgeglichen".

Dienstag, 3. April 2018

Leben und leben lassen: Saudi-Arabien, Israel und das Existenzrecht

Der Saudische Kronprinz Mohammed bin Salman ist auf Rundreise durch die USA. Neben allerlei privaten Einkäufen, die man eben so macht, unter anderem eine Yacht für 500 Mio US$, trifft er sich auch mit Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft und gibt auch das eine oder andere Interview. Unter anderem traf er sich mit Jeffrey Goldberg von The Atlantic und gab dort ein bemerkenswertes Interview.

Bevor wir uns aber mit den durchaus bemerkenswerten Details des Interviews befassen, sollten wir daran denken, dass Jeffrey Goldberg heute zwar Journalist und Chefredakteur des Magazins The Atlantic ist. Früher allerdings... In Brooklyn geboren, verließ das College, um nach Israel zu ziehen. Trat der IDF bei, war als Mitglied der IDF während der Ersten Intifada (1987-1993) Wärter im Ktzi'ot-Gefängnis der IDF in der Wüste Negev.

In diesem Gefängnis wurden speziell palästinensische Aufständische festgehalten. Zeitweise waren dort mehr als 6000 Insassen inhaftiert. Eben jenes Gefängnis, dessen Haftbedingungen von Human Rights Watch (HWR) 1991 als "illegal" und "unmenschlich" beschrieben wurden. Bis 1992 wurden mindestens 28 Insassen durch andere Insassen getötet. Müßig zu erwähnen, dass seit dem HWR kein einziges israelisches Gefängnis mehr besuchen durfte.

Es ist wichtig diese Vorgeschichte zu kennen, um das Interview zu verstehen. Nachdem gerade erst etliche Demonstranten an der Grenze zum Gazastreifen erschossen wurde, ist das Thema "Israel" nicht gänzlich unproblematisch. Auch der bemerkenswerte Salto Rückwärts wegen des "Umsiedlungsplans" afrikanische Flüchtlinge betreffend, den Israels Premier Benjamin Netanyahu gerade vorgeführt hat, spricht Bände.

Saudi-Arabien ist nicht nur schwer reich, es ist auch der Staat, der den Mittleren Osten mehr oder weniger zusammenhält. Wenn Saudi-Arabien aus irgendeinem Grunde untergehen sollte, ist der gesamte Nahe Osten ein einziges Kriegsgebiet. Das ist auch einer der Gründe, warum die USA sich aus dem Innenpolitischen in Saudi-Arabien so auffallen heraushalten: Solange da alle "funktioniert": Nicht anfassen, einfach machen lassen.

Die Tatsache, dass der Kronprinz mit ausgerechnet diesem Reporter über Israel spricht, ist auf gar keinen Fall "Zufall". Dass der Kronprinz auf einige unangenehme Nachfragen in Richtung Saudi-Arabien nicht seinerseits unangenehme aktuelle Fakten über Israel anspricht, ist auch nicht bloß eine zufällige Auslassung.

Die Presse - auch hierzulande - feiert, dass der Kronprinz dem Staat Israel ein Existenzrecht zugesteht und manche Redaktion sich dazu versteigt zu behaupten, dies wäre das erste Mal. Man irrt. Bereits das Camp David Abkommen (1978) gesteht Israel immanent das Existenzrecht zu, denn man kann keinen internationalen Vertrag mit einem nicht existierenden Staat abschließen. Das gleiche geht auch implizit aus dem Jordanisch-Israelischen Friedensvertrag (1994) hervor. Selbst die PLO hat Israel in den 1990ern anerkannt.

Allerdings: Bislang favorisierte Saudi-Arabien den von König Abdullah vorgeschlagenen und von der Arabischen Liga übernommenen Plan, Israel innerhalb der Grenzen von 1967 vollständig anzuerkennen, wenn im Gegenzug Israel Palästina am Westufer des Jordan und im Gaza-Streifen anerkennt. Dieser Plan wurde mehrfach durch die Arabische Liga bestätigt, zuletzt 2017 (Nouakchott Declaration). Es ist unwahr, dass die Araber kompromisslos wären und deshalb stimmt es auch nicht, dass Saudi-Arabien erst jetzt Israel ein Existenzrecht zugestehen würden. Viel mehr sollte auffallen, wer dort mit wem in welchem Kontext spricht.

Der Kronprinz ist nicht sein Onkel König Abdullah. Letzterer war ein formidabler Verhandlungsführer, ersterer ist eher Realist. Dennoch: Kronprinz Mohammed bin Salman spricht ein Existenzrecht aus, ohne etwas dafür zu fordern? Sicherlich nicht. Die Zwei Staaten Lösung ist im Augenblick völlig utopisch. Davon auszugehen, dass die Likud-Regierung 800.000 israelischen Siedler aus dem West Jordan Land abzieht, die Wasserquellen und Bodenschätze aufgibt, ist im Augenblick völlig unrealistisch.

Der Kronprinz weiß das, Goldberg auch. Eben deshalb unterstreicht Goldberg in seinem dem Interview vorangestellten Artikel ja auch explizit das Existenzrecht Israels und lässt das der Palästinenser mehr oder weniger unter den Tisch fallen. Es geht daher in diesem Interview auch nicht um Palästina, nicht mal am Rande. Es geht darum, dass sich Saudi-Arabien die Unterstützung Israels sichern will und zwar im Kampf gegen den Iran.

Vor dem Hintergrund ist auch das Frage-Antwort-Spiel um den Wahhabismus zu verstehen. Wahhabiten gelten als ähnlich fundamental-extrem, wie Salafisten, allerdings sind Wahhabiten im Unterschied zu Salafisten absolut loyal gegenüber dem saudischen Königshaus. Es heißt, dass die Wahhabiten von Saudi-Arabien staatlich unterstützt werden. Das Argumentieren des Kronprinzen kann deshalb nur verstanden werden als Taktieren mit dem Ziel, Befürchtungen um einen staatlich protektionierten Extremismus zu zerschlagen.

Gleichzeitig dürfte diese Argumentation des Kronprinzen eine Abkehr von einigen bislang in Beton gegossenen Traditionen bedeuten, was wiederum auch eine Annäherung an den Westen darstellt. In Anbetracht der Komplexität der inneren Struktur Saudi-Arabiens ist eigentlich das der bemerkenswerte Inhalt des Interviews.

Der Part mit Israel ist eigentlich wenig mehr als eine freundliche Annäherung an die Regierung Israels und das Signal, zukünftig eng mit ihr zusammen arbeiten zu wollen. Ayatollah Khamenei nicht nur mit Hitler zu vergleichen, sondern ihn als noch schlimmer als diesen darzustellen, ist die diplomatische Umschreibung, dass ein Frieden mit dieser Regierung im Iran ausgeschlossen ist. Das wird untermauert durch die Feststellung, dass der mit dem Iran geschlossene Atom-Vertrag zwar ein ehrenwerter Versuch war, aber der Führung des Iran gar nicht an Frieden gelegen ist.

Insofern ist das gerade so hochtrabend durch die Presse getragene "Arabischer Kronprinz erkennt Existenzrecht Israels an" eher zu lesen als: "Israel und Saudi-Arabien erörtern gemeinsame Optionen gegen den Iran". Nur liest sich das natürlich nicht so toll in der Zeitung.

Naja und was den USA-Besuch insgesamt angeht... ich empfehle da ein Video.

Montag, 20. Oktober 2008

Angebot und Nachfrage (2)

Flagge IsraelAm Sonntag wurde bei mir das Gerücht zugetragen, Israel könnte die Golanhöhen aufgeben. Nicht nur ich hatte einige Zweifel, ob das denn wohl sein könnte, denn die Golanhöhen sind für Israel aus mehreren Gründen ziemlich wichtig - die militärisch-strategische Bedeutung ist dabei nur einer von vielen Aspekten.

Gestern Abend gab Israels Verteidigungsminister Ehud Barak gegenüber dem Israelischen Militärrundfunk an, dass die Israelische Führung sich intensiv und ernsthaft mit dem von Saudi Arabien 2002 vorgeschlagenen Friedensplan befasse, der einen Frieden zwischen Israel und der Arabischen Welt ermögliche. Dieser Plan sieht unter anderem vor, dass Israel die 1967 eroberten Gebiete räumt. Das sind unter anderem die erwähnten Golanhöhen.

Israels scheidender Premier Ehud Olmert soll den Friedensplan begrüßt haben, aber andere Politiker Israels möchten gerne "kleine Regionen" der jetzt noch besetzten Regionen behalten wollen. Außerdem sieht Israel es wohl gar nicht gerne, dass in dem angestrebten Plan eine groß angelegte Rückführung von Flüchtlingen enthalten ist. Israel ist der Meinung, dass ein massiver Zustrom palestinensischer Einwanderer den "jüdischen Charakter" des Landes Zerstören würde. Aber dennoch sieht Israels Führung in dem Vorschlag eine Menge Spielraum, um Israelische Interessen zu berücksichtigen.

Man darf gespannt sein. Sieht aber so aus, als hätte Onkel George vielleicht am Ende doch noch eine Lösung gefunden...

(Quelle: Ynetnews)

Sonntag, 19. Oktober 2008

Angebot und Nachfrage

Bush - AhmadinedschadSyrien, nicht eben als eines der unkompliziertesten Regime im Nahen Osten bekannt, macht immer wieder von sich Reden. Neulich erst durch das laute Nachdenken darüber, ob man nicht den Russen einen netten kleinen Ersatzhafen anbieten möchte. Mit Israel hat Syrien auch einen ganz eigenen Strauß offen. Die Golanhöhen. Eine Gegend, die Israel irgendwann mal besetzt hat und seit dem aus Gründen der "nationalen Sicherheit" besetzt hält. Syrien findet das äußerst uncool und nennt Israel deshalb alles, aber nicht "Freund".

Am anderen Ende der Welt hat ein alternder Texaner die letzten 3 Monate seiner Amtszeit als Präsident vor sich und irgendwie bekommt der wohl langsam Angst, dass man ihn vergessen könnte. Insbesondere im Nahen Osten, wo er während seiner Amtszeit eher nicht so wirklich erfolgreich war. "Schwierige Zeiten erfordern drastische Maßnahmen", muss er sich gedacht haben und deshalb versucht er etwas, was den Nahen Osten ein ganz klein wenig in Aufruhr bringen könnte:

Sowohl Arutz Sheva als auch Ynetnews berichten, dass unser allseits geliebter Onkel George heimlich dem Präsident Bashar Assad von Syrien einen Deal angeboten hat. Dieser Deal soll in etwa so aussehen: Syrien macht Schluss mit dem Iran und dafür gibts die Golanhöhen zurück. Wenn Syrien mitspielt, soll die Lösung innerhalb weniger Wochen, noch vor den Präsidentschaftswahlen in den USA dingfest gemacht werden. Israels Premierminister Ehud Olmert ließ auf Anfrage der Arutz Sheva bekanntgeben, dass man zu diesem Bericht keinen Kommentar abgeben werde.

Sollte das mit dem Angebot stimmen (gewisse Zweifel sind da nicht völlig unangebracht) und sollte Syrien sich auf den Deal einlassen (wer weiß?) und Israel mitspielen (möglich, wenn die USA wirklich Druck machen...), dann wäre das für den Nahen Osten ein echter Meilenstein und für den Iran ein herber Schlag, denn Syrien ist ein nicht unwichtiger Verbündeter des Iran. Es ist schwierig vorauszusagen, wie Syrien auf dieses Angebot eingeht und auch die Haltung Israels dürfte nicht unbedingt pure Freude sein, denn die Golanhöhen hält man ja nicht ganz ohne Grund besetzt...

Dienstag, 7. Oktober 2008

Sehenden Auges blind

Im Zuge der Mandatsverlängerung der Bundeswehr lassen die Medien in Deutschland zu meiner großen Überraschung mal die Militärs und nicht nur die Aufständischen zu Wort kommen. Daraus wird natürlich ein Possenspiel ganz besonderer Güte. Es gäbe keine Hoffnung auf Erfolg und das alles sei ja nur die Schuld der USA. Aha. Wenn man die Ausbildungslager und Rückzugsgebiete der Aufständischen in den Griff bekommt, hat man auch Ruhe in A'Stan. Hat man Ruhe, kann das Militär abziehen. Nur wird diese Ruhe nicht von alleine einkehren, wie man offenbar in weiten Teilen der Bevölkerung Deutschlands glaubt.

Während wir uns darüber aufregen, dass die Deutsche Bundeswehr tatsächlich weitere 14 Monate in Afghanistan tätig sein soll, werden andere Themen beharrlich totgeschwiegen. Was fällt uns zu "Operation Gomorrha" und Thunderclap"? Nichts? Aber "Hamburg, Juli 1943" und "Dresden, 13.-15.02.1945" sagen uns etwas? Gut. Israel, jenes Land, dem wir in unserer großzügigen Art Uboote schenken, hat sich eine neue Militärdoktrin einfallen lassen. Mal wieder. Das ist für sich nichts Neues. Der Inhalt leider auch nicht, aber über den sollte man mal reden:
"In einem Interview am Freitag mit der Tageszeitung Yedioth Ahronoth präsentierte Eisenkot seine 'Dahiyah Doktrin', unter der die IDF ihre Zerstörungskraft weit über das bereits vor zwei Jahren im beiruter Vorort Dahiyah gezeigte Maß ausbauen wird. Dahiyah galt als Zentrum der Hisbollah. 'Wir werden überproportionale Gewalt gegen jedes Dorf einsetzen, von dem aus auf uns geschossen wird und werden immensen Schaden und Zerstörung anrichten. Aus unserer Perspektive sind solche Dörfer Militärbasen', sagte er. 'Das ist kein Vorschlag. Dies ist ein Plan, der bereits authorisiert wurde.'"
Mit anderen Worten: Israel wird im nächsten Feldzug mit so viel Feuerkraft vorrücken, wie Israel nur auftreiben kann und diese Feuerkraft wird gegen alles eingesetzt, was sich auch nur ansatzweise gegen die IDF wehrt. Klingt vernünftig? Nun, wer Israels Militärführung kennt, wird sich an folgende Aussage des Leiters der Artillerie der IDF während der Operation "Accountability" von 1993 erinnern:
"Wir sind jetzt auf der Stufe angekommen, in der wir in die Dörfer schießen, um Schaden an Besitztümern anzurichten. Ziel ist es eine Situation zu schaffen, in der die Bewohner ihre Dörfer verlassen und nach Norden ziehen. Das Zielt ist das Schädigen der Infrastruktur, die Dörfer zu zerstören und so auch die Häuser der Aktivisten und die Stellungen, von denen aus Raketen abgeschossen werden."
Was will Israel eigentlich? International endgültig ins totale Abseits? Wohl nicht. Den ohnehin desolaten Libanon in die Steinzeit zurück bomben? Möglich, aber das würde nur beweisen, dass Israel nicht die Eier für eine Bodenoffensive hat. Ist der Libanon wirklich das Ziel? Vielleicht nicht. Warum fragt Israel alle Nase lang bei den USA nach, ob man nicht mal eben ein paar Flugzeuge durch den Luftraum des Irak nach Osten schicken könnte? Die gerade erst bei den USA bestellten "Bunker Buster" ihrer Bestimmung zuführen? War es nicht Israel, dem jüngst von seiten der EU bescheinigt wurde auf gar keinen Fall so lange warten zu wollen, bis der Iran eine Bombe gebaut hat?

Hört man den US-Präsidentschaftskandidaten zu, dann ist mehr als klar, dass keiner von beiden Israel auf ewig von einem Angriff auf den Iran abhalten kann. Angesichts der Berichte um 60 oder 70 Tonnen verschwundenen Yellowcake und der Mitteilung von vorhin, dass ein Militärflugzeug im Iran zur Landung gezwungen wurde, habe zumindest frage ich mich, ob es hier nicht eher darum geht "schon morgen" kraftvoll zuzubeißen, denn sobald sich Afghanistan und Pakistan darauf geeinigt haben gemeinsam in den FATA aufzuräumen, hat man da ja jede Menge Truppen frei...

Mittwoch, 13. Februar 2008

Schlangenbeschwörer?

So ziemlich jeder kennt die Hava Nagila. Das ist ein ein hebräisches Volkslied. Der Titel bedeutet übersetzt "Lasst uns glücklich sein". Es wird gelegentlich auch als das musikalische Synonym für das Judentum bezeichnet. Die Inder haben in Bollywood eine ganz eigene Idee davon, wie man mit diesem Lied umgehen sollte. Natürlich will ich Euch das nicht ersparen:

Stellt sich die Frage, ob Israel jetzt auch Indien den Krieg erklären wird...

Freitag, 4. Januar 2008

Geheimdienste in Deutschland

Verschwörungstheorien sind immer Toll. Haben diese mit Geheimdiensten zu tun, ist deren Erfolg bei der Leserschaft nahezu garantiert. Geht es dann dabei auch noch um Juden, kann man sicher sein, dass Stoff für mindestens einen Bestseller, vier Fernsehsendungen und einen Hollywoodstreifen drin ist. Man denke nur an 9-11. Nun ist es ja so, dass man gerne an das Standardmuster denkt, wenn folgende drei Schlagworte genannt werden: Juden, Geheimdienst und: Deutschland. Stimmt doch, oder? Schon denkt man ganz perfide Storys. So die Richtung Jüdische Geheimdienste unterminieren Deutschland und so. Oder von Deutschland ausgehend gegen die Welt. Irgendwas ganz Krudes halt. Tatsächlich lautet die Geschichte aber anders, wenn auch nicht weniger haarsträubend.

Die Berliner Morgenpost schrie mir entgegen:

russische Juden sollen abgeworben werden
Das hätte mich jetzt nicht so sehr fasziniert, wenn nicht der Artikel begonnen hätte mit:
"Werden die jüdischen Gemeinden in Deutschland von Israels Regierung geschwächt? Eine äußerst heikle Frage, die auch die Bundesregierung beschäftigt. Eine Geheimdienstorganisation will Juden, die aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland ausgewandert sind, nach Israel abwerben."
Ernsthaft. Der Zentralrat der Juden Deutschlands beschwert sich bei der Bundesregierung(!) darüber, dass ein israelischer(!) Geheimdienst namens "Nativ" versucht, aus Russland nach Deutschland ausgewanderte Juden aus Deutschland wegzulocken, damit die sich stattdessen in Israel ansiedeln. Ich war mir erst nicht so ganz sicher, ob das nicht unter "Stutenbeißen" und "Futterneid" abzuheften wäre, aber die Tatsache, dass sogar die Bundesregierung mit eingeschaltet ist, ließ mich etwas länger drüber nachdenken. Was will denn wohl ein Zwergstaat wie Israel mit immer mehr Einwohnern? Platz haben die ja nun wirklich nicht... Moment mal... Die Siedlungen... Sollte Israel etwa versuchen, durch von Innen provozierten Expansionsdruck...? Weltmacht Israel? Deutschland als Spielstein des Konflikts im Nahen und Mittleren Osten? Allen Verschwörungstheorien sind Tür und Tor geöffnet und der Tag wird bunt...

Wünsche schönes Fantasieren!

(Quelle: Berliner Morgenpost)

Freitag, 7. September 2007

Spiel mit dem Feuer

Israel ArmeeIsrael, der Staat am Mittelmeer, dessen paranoid-aggressives Verhalten gegen alle Nachbarn inzwischen legendär ist, hat sich offenbar nach dem jüngsten, selbst bei der ansonsten meistens permanent bedingungslos pro-israelisch eingestellten US-Bevölkerung umstrittenen Libanonkrieg von vor gut einem Jahr jetzt ein neues Ziel ausgesucht. Bereits gestern drangen israelische Kampfflugzeuge vom Mittelmeer aus kommend in den syrischen Luftraum ein und bombardierten nicht näher benannte Ziele. Die syrische Luftabwehr wurde daraufhin aktiviert und beschoss die Flugzeuge, die infolge des Beschusses abdrehten. Israel bestreitet die syrische Darstellung.

Schon 1973 gab es einen handfesten Krieg zwischen Israel und Syrien, in dessen Folge Israel die Golanhöhen besetzte und bis heute mit der Begründung besetzt hält, dass diese Besatzung für das Überleben des Staates Israel unbedingt und zwingend notwendig sind. 2003 griff die israelische Luftwaffe erneut Ziele in Syrien an. Israeli behauptete damals, dass ein Ausbildungslager palästinensischer Kämpfer angegriffen worden sei. Auf diesen Angriff hatte damals die syrische Armee nicht reagiert. Im jüngsten Libanonkrieg griffen israelische Truppen einen libanesisch-syrischen Grenzübergang an. Eine direkte militärische Auseinandersetzung zwischen den beiden Staaten blieb jedoch aus.

Heute könnte das anders sein. Syrien unterstreicht immer wieder seinen Anspruch auf die gesamten Golan-Höhen als Voraussetzung für ein Friedensabkommen und bezeichnete das jüngste Vorgehen Israels als "aggressiven Akt". Man behalte sich vor, entsprechend zu reagieren. Syrien untersagte in diesem Zusammenhang den Angehörigen von Reserve-Einheiten der syrischen Armee Reisen ins Ausland. Verschiedene andere Anzeichen deuten auf eine generell erhöhte Alarmbereitschaft der syrischen Armee hin.

Hintergrund für den Konflikt wird wahrscheinlich auch die Haltung Syriens in Bezug auf Israel sein. Syrien ist nicht eben als ein bedingungsloser Befürworter Israels bekannt und unterstützt oft dessen militärische Gegner mit Geld und Material. So hatte Syrien zum Beispiel im letzten Libanonkrieg die libanesische Hisbollah-Miliz nachhaltig unterstützt. Darüber hinaus fordert Syrien seit mehr als einem Jahr entgegen früherer Praxis seine Bürger auf, im syrischen Teil der Golanhöhen zu siedeln. Dieser Aufforderung kommen besonders häufig ehemalige Militärangehörige nach, die in diesem Teil des Landes Dienst getan haben. Früher benötigte man spezielle Visa, um überhaupt in dieses Gebiet reisen zu dürfen.

Bereits 2003 bezeichnete Lawrence Ari Fleischer, von 2001 bis 2003 Pressesekretär von Präsident Bush, Syrien als Schurkenstaat und schon länger wird spekuliert, dass Syrien auf der Liste der zu "befreienden Länder" für die gegenwärtige US-amerikanische Administration einen Spitzenplatz einnimmt. Unvergessen die Spekulation von US-Militärs, dass die im Irak ums Verrecken nicht zu findenden Massenvernichtungswaffen rechtzeitig vor dem Angriff der Koalition der Willigen nach Syrien exportiert worden sind. Ebenfalls 2003 forderte der britische Außenminister Jack Straw, dass Damaskus beweisen müsse kein Schurkenstaat zu sein - in vollem Bewusstsein um die Groteske und Unerfüllbarkeit dieser Forderung.

In Syrien selber ist die Stimmung deutlich gegen Israel eingestellt. Die Hisbollah hat hier sehr viele Sympathisanten und Mitglieder. Deren Chef, Hassan Nasrallah, hält sich hier auf und lässt sich immer wieder feiern. Israel gilt hier als Aggressor, der alle Nachbarn zerstören will. Vielen Syrern gilt die Hisbollah deshalb als Verteidiger von Leben und Ehre der Syrer. In der Region steht Syrien insgesamt recht stark da, denn weder die Versuche das Land politisch zu isolieren, noch die insbesondere von den USA verhängten Sanktionen haben zu greifbaren Erfolgen geführt. Im Konflikt mit der Hisbollah tätig zu werden lehnen führende syrische Politiker strikt ab, solange nicht klar ist, was Syrien dafür erhält und was Syrien dafür will, ist klar: Man will den Golan zurück - ohne Wenn und Aber. Das wiederum kommt für das unter Expansionssucht leidende Israel überhaupt nicht infrage.

Es bleibt abzuwarten, ob Israel lediglich austesten wollte, wie weit man gehen darf oder ob es hier darum ging herauszufinden, ob die Zeit reif ist für einen weiteren Krieg in der Region. Egal wie: Für die Stabilität des Nahen und Mittleren Ostens wäre ein weiterer Krieg eher nicht von Vorteil und für das Ansehen Israels erst recht nicht.

(Quelle: FAZ, Telepolis, Tagesspiegel)

Donnerstag, 19. Juli 2007

Schuldfrage

Holocaust Überlebende im KZ AuschwitzDeutschland soll zahlen. Mindestens 50 Millionen Euro. An rund 4.000 Israelis. Damit die zum Arzt gehen können, weil sie unter den Erfahrungen ihrer Eltern gelitten haben. Aus den weitergegebenen Erfahrungen sollen sich bei diesen 4.000 Israelis diverse Traumata und Zwangsneurosen entwickelt haben, die eindeutig auf die Erfahrungen der jeweiligen Eltern während des Holocaust zurückzuführen sein sollen. Zwar schätzen "Fachleute", dass bis zu 15.000 Israelis betroffen sein könnten, aber erst rund 4.000 haben sich der Sammelklage vor dem obersten Gericht in Tel Aviv angeschlossen.

Juristisch steht hier eine mehrfach indirekte Forderung und Schuldfrage im Raum. Kann der Nachfahre der Täter dafür Verantwortlich gemacht werden, dass die Nachfahren der Opfer darunter Leiden, dass sie Nachfahren der Opfer sind? Anders formuliert: Kann irgendjemand moralisch und in der Konsequenz deshalb auch finanziell für das Handeln seiner Großeltern und Urgroßeltern verantwortlich gemacht werden?

In Frage steht, ob die in der Literatur so genannten Zahlungen zur Wiedergutmachung nur die unmittelbar Betroffenen entschädigt oder ob damit auch deren Nachkommen und deren Sorgen, Nöte, Probleme und Leiden abgedeckt sind. Sicher ist diese Frage von einiger Sensibilität und bestimmt wird hier wie da großzügig mit beliebigen Totschlagargumenten hantiert werden, was ich gerne vermeiden möchte.

Darum stelle ich mir selber die Frage, ob ich mich finanziell dafür verantwortlich fühle, dass zum Beispiel eine 55jährige Israelin aufgrund der Erfahrungen ihrer Eltern während des Holocaust heute Angst davor hat mit dem Bus zu fahren, Panikattacken hat und medikamentös behandelt wird. Fühle ich mich verantwortlich dafür, dass eine andere Frau in einem dunkeln, verschmutzten Zuhause aufgezogen wurde und heute unter Depressionen leidet und eine Angst vor Hunden entwickelt hat?

Ich gebe zu, ich habe damit so meine Probleme. Sicher, diese Leute tun mir leid und ihre Schicksale sind bedauerlich, aber ich fühle mich irgendwie nicht dafür verantwortlich, deren Probleme mit meinem Geld zu lösen. Ich fühle mich hingegen verantwortlich dafür zu sorgen, dass soetwas wie der Holocaust nie wieder stattfinden kann und ich fühle mich auch dafür verantwortlich, gegen den Rechtsextremismus entschieden vorzugehen. Ich sehe auch ein, dass die unmittelbaren Opfer entschädigt werden müssen. Das ist nicht abzustreiten und steht außerhalb der Diskussion.

Aber die Nachfahren? Wenn diese jetzt in Tel Aviv eingereichte Klage tatsächlich zugelassen wird und der Staat Israel von der Bundesrepublik verlangt, dass den Nachkommen Entschädigungsleistungen gezahlt werden, wo soll das dann hinführen? Kommen dann in 50 oder 100 Jahren deren Urenkel an und verlangen von den dann hier lebenden Nachfahren Entschädigungen dafür, dass sie die Urenkel der Nachfahren der Opfer des Holocaust sind? Bei allem Respekt, aber da hört es bei mir irgendwo mit dem Verständnis auf.

Oder sehe ich da etwas falsch?

(Quelle: Haaretz)

Montag, 2. Juli 2007

Stress wegen der Handys

Flagge PolenNicht nur Deutschland, auch andere Staaten haben so ihre Probleme mit Polen. Meistens sind das zwar eher die europäischen Staaten, die so ihre liebe Mühe mit dem Gebaren des EU-Mitglieds haben, aber die Reibereien beschränken sich nicht nur darauf. Auch Staaten wie Israel haben hin und wieder so ihre Probleme.

Israel hat mit Polen speziell wegen der Vorliebe der israeilischen Bürger für das Handy seine ganz eigenen Probleme. Für den Israeli ist das Handy eine Art zusätzliches Körperteil, auf dessen Benutzung er nur ungern verzichtet und von dem er sich nicht freiwillig trennt. Das beginnt schon im Jugendalter. Und genau deshalb gibt es jetzt Streß zwischen Warschau und Jerusalem.

Wie eine der größten israeilischen Tageszeitungen, Yediot Achronot, berichtet, hat die Regierung in Warschau sich hoch offiziell und sehr energisch über israelische Schülergruppen beschwert, die auf das Benutzen ihrer Handys partout nicht verzichten wollen.

Eigentlich schwer verständlich, denn wer sollte sich daran stören, dass eben diese jugendlichen Juden ihrer nach eigener Auffassung völlig natürlichen Neigung nachgeben und scharenweise aus Gedenkstätten wie Auschwitz lachend zu Hause anrufen und der entzückten Verwandtschaft verkünden:
"Hey Mama, ich bin gerade in der Gaskammer!"
(Quelle: Sueddeutsche Zeitung)

Montag, 25. Juni 2007

Eine Frage der Toleranz

PakistanEin Preis wurde verliehen. Ein Literaturpreis, benannt nach dem als Wegbereiter der literarischen Kritik in Deutschland, insbesondere des Feuilletons, geltenden deutschen Journalisten, Literatur- und Theaterkritiker Ludwig Börne. Erhalten hat ihn Henryk Modest Broder, der unter anderem für den Spiegel schreibt. Seine Dankesrede, die heute bei Spiegel Online veröffentlicht wurde, strotzt nur so vor Kritik am unverständlich toleranten Verhalten der aufgeklärten Welt gegenüber den Extremisten dieser Welt.

Es ist schwierig aus dieser kompakten und dichten Rede die Schlüsselzitate herauszufiltern und zur Diskussion zu stellen, aber dennoch sollte über seine Rede unter der Überschrift "Toleranz hilft nur dem Rücksichtslosen" diskutiert werden, denn so sehr einige seiner Kritiken auch zu instinktivem Widerspruch reizen und so leichtfertig man ihm vielleicht einseitiges Denken vorwerfen mag, so sehr zeigen diese Reflexreaktionen, dass seine Kritik wunde Punkte trifft, über die wir vielleicht gar nicht reden wollen.

Ein paar Beispiele:
"(...) Ich versuche zu verstehen, warum eine Raketenabfanganlage, die von den Amerikanern in Tschechien gebaut werden soll, den Menschen Angst macht und die Politiker von einer Wiederbelebung des Kalten Krieges phantasieren lässt, während die Tatsache, dass Iran sich zur Atommacht erklärt hat, so gelassen wie ein unvermeidliches Naturereignis hingenommen wird. Es gab keinen Aufschrei der Empörung, als der Direktor des Hamburger Orient-Instituts vor kurzem erklärte, falls Iran wirklich nach Atomwaffen strebe, dann nur deshalb, um mit dem Westen auf gleicher Augenhöhe verhandeln zu können. Teheran gehe es darum, endlich respektiert zu werden. (...)"
In der Tat eine abstruse Situation, in der man mehr Angst vor dem eigenen Verbündeten zeigt, als vor dem, der sich auf der gegenüberliegenden Seite der eigenen Weltanschauung befindet und nicht gerade dafür bekannt ist, unser wohlwollender Freund sein zu wollen.
"(...)Und wenn es dann auch noch heißt, das Existenzrecht Israels sei nicht verhandelbar, es stehe nicht zur Disposition, höre ich aus solchen Zusicherungen das Gegenteil heraus.
Wie würden Sie reagieren, wenn Ihr Nachbar Ihnen jeden Tag versichern würde, er habe nicht vor, Sie umzubringen, Ihre Frau zu vergewaltigen und hinterher Ihr Haus abzufackeln? (...)"
Es ist sicherlich schwierig das Thema Israel in Kategorien wie "richtig" und "falsch" abzuhandeln, denn es gibt wohl kaum jemanden, der bei diesem Thema noch keine Fehler gemacht hat, von Israel selbst ganz zu schweigen. Trotzdem besteht der Staat Israel nunmal und es ist müßig darüber zu diskutieren, ob seine Entstehung 100% korrekt gelaufen ist oder nicht. Und es ist ein völlig anderes Thema, ob die Leute, die dort wohnen und regieren, alles richtig machen oder ob ihr Vorgehen vielleicht doch etwas sehr über die Grenzen des Zumutbaren schlagen.
"(...)Ja, sie haben sich nicht verhört: ich sagte Toleranz. Toleranz war das Gebot der Zeit, als Lessing seinen Nathan in eine Welt setzte, die vertikal organisiert war. Die einen waren oben und die anderen waren unten, und dazwischen war wenig. Aber in horizontal organisierten Gesellschaften, in denen es kein Oben und kein Unten, sondern ein breites Spektrum an homogenisierten Angeboten gibt, unter denen man wählen kann, in horizontal organisierten Gesellschaften kommt das Toleranzgebot nicht den schwachen, sondern den Rücksichtslosen zugute. Sie sind es, die mit der Toleranzkeule um sich schlagen und Rechte einfordern, die sie anderen verweigern. (...)"
Irgendwie ist das was dran, wie gerade seine Spekulation zeigt, in der eine Kannibalen-Selbsthilfegruppe gesellschaftliche Anerkennung als Alternative zur vegetarischen Lebensweise fordert, denn beide zeichneten sich doch durch eine gewisse Einseitigkeit aus. Wäre ich weniger erfahren im Schwachsinn dieser Welt, würde ich soetwas für völlig unmöglich halten. So jedoch halte ich gerade dieses Beispiel für eine Frage der Zeit, bis es Realität wird.
"(...)Toleranz steht auf dem Paravent, hinter dem sich Bequemlichkeit, Faulheit und Feigheit verstecken. Toleranz ist die preiswerte Alternative zum aufrechten Gang, der zwar gepredigt, aber nicht praktiziert wird.

Wer heute die Werte der Aufklärung verteidigen will, der muss intolerant sein, der muss Grenzen ziehen und darauf bestehen, dass sie nicht überschritten werden. Der darf "Ehrenmorde" und andere Kleinigkeiten nicht mit dem "kulturellen Hintergrund" der Täter verklären und den Tugendterror religiöser Fanatiker, die Sechzehnjährige wegen unkeuschen Lebenswandels hängen, nicht zur Privatangelegenheit einer anderen Rechtskultur degradieren, die man respektieren müsse, weil es inzwischen als unfein gilt, die Tatsache anzusprechen, dass nicht alle Kulturen gleich und gleichwertig sind. (...)"
Es mag im ersten Moment klingen, als streite Herr Broder gegen den Islam oder gegen die Palästinenser, aber bei näherer Betrachtung tut er genau das nicht. Er streitet für die Aufklärung, auf die wir uns hier im westlichen Kulturkreis so viel einbilden. Er streitet für die Verteidigung jener Weltanschauung, auf deren Grundlage wir uns für überlegen gegenüber den theokratischen Systemen und den von Dogmen geprägten Regimen halten.

Implizit stellt er die Frage nach der Motivation, die uns lieber den größten Schwachsinn widerspruchslos schlucken lässt, statt eben diesen Schwachsinn anzuklagen und Rückgrat zu beweisen. Er kritisiert aber nicht nur generell alle Extremisten, die auf dem Rücken der Einforderung der Toleranz von uns verlangen akzeptiert und unterstützt zu werden, er kritisiert genau so sehr das scheinheilige Gehabe von Politikern und Medien aber auch von Anwälten und der Justiz, das von der Bevölkerung nahezu widerspruchsfrei akzeptiert und zur Kenntnis genommen wird.

Seine Kritik lautet, dass die Toleranz, die von uns gefordert wird, immer nur denen nützt, die diese Toleranz einfordern, aber nie denen, die diese Toleranz gewähren. Er folgert aus seinen Beobachtungen, dass die "Toleranz", die geübt wird, am Ende nichts Anderes ist, als Feigheit in einem anderen Gewand. Feigheit, für diejenigen Werte und Normen einzustehen, deren Existenz keine Selbstverständlichkeit ist, sondern ein harter Kampf, der von Anfang an Menschenleben gekostet hat und auch weiterhin kosten wird. Die Welt, in der wir hier leben, ist eine bequeme Welt und eine komfortable Welt, aber sie ist nicht "gottgegeben" und sie ist auch nicht "garantiert", im Gegenteil. Je mehr wir uns zurücklehnen, uns aus der Verantwortung stehlen unsere Weltanschauung mit aller Kraft und Härte zu verteidigen, desto mehr steht sie zur Disposition zugunsten all jener, die bereit sind für ihre Interessen mit allen erreichbaren Mitteln einzutreten.

Auch wenn ich nicht in jedem Punkt mit Herrn Broder übereinstimme, kann ich nicht umhin, dieser Kritik im Kern zuzustimmen.

(Quelle: Spiegel)

Freitag, 22. Juni 2007

Ja nee, is klar.

FragezeichenEs ist inzwischen nicht mehr ganz so einfach mich sprachlos zu machen. Die Routine des täglichen Schwachsinns, der überall auf dieser Welt verzapft wird, härtet schon ziemlich ab. Hin und wieder kommt es aber vor, dass selbst ich nicht mehr weiß, was ich zu manchem Geschehnis sagen könnte. So zum Beispiel in diesem Fall.

Es gibt seit kurzem eine neue Partei in Deutschland, die sich aus der Nachfolgepartei der PDS, ihrerseits wiederum Nachfolger der SED, nämlich der Partei "die Linke" und der WASG gegründet hat. Das ganze heißt im Bundestag jetzt "Linksfraktion" oder "Fraktion die Linke" oder wie auch immer und ansonsten wohl weiterhin "die Linke". Deren Position soll nach eigenem bekunden mehr oder weniger links von der SPD anzusiedeln sein. So weit - so gut.

Der Vorsitzende dieser Partei, der Herr Oskar Lafontaine, ehemals Parteivorsitzender der SPD und zeitweilig sogar Bundesminister für Finanzen in der Regierungsmannschaft unter Gerhard Schröder, stellt so allerlei politische Forderungen. Unter anderem fordert er der Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan, beklagt die "Völkerrechtswidrigkeit" des US-Kriegs in Irak (und fordert folglich dessen Ende) und er fordert die "Eindämmung des Aggressionsstaates Israel".

Über diese Forderungen kann man nun denken wie man will. Der Zentralrat der Juden in Deutschland jedenfalls findet diese Forderungen insgesamt nicht so den Bringer und bezeichnet sie deshalb angeblich als "antisemitisch". Sich als Partei links der SPD mit dem Zentralrat der Juden Deutschlands anzulegen und sich den Vorwurf "Antisemitismus" einzuhandeln ist schon für sich genommen eine bemerkenswerte Leistung. Aber ab hier wird es erst richtig kurios.

Es gibt da einen Herrn Marx. Der ist eher zufällig Namensvetter der in einigen weit links außen anzusiedelnden Kreisen vergötterten Kultfigur, der wir einige interessante Utopien und Abhandlungen zu verdanken haben, nämlich Karl Marx. Die beiden Marx-Brothers haben aber so rein gar nichts miteinander zu tun, denn während der eine ja - erfahrene Leser der Tapirherde wissen es - eher Ideen gegen das System des Kapitalismus entwickelte, steht der andere Marx, nämlich der Herr Peter Marx genau am anderen Ende des politischen Spektrums. Dieser Herr ist Generalsekretär der NPD.

Die NPD war es nämlich, die behauptet, dass der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, die Partei Die Linke wegen ihrer außenpolitischen Positionen als antisemitisch kritisiert hat. Es kommt aber noch besser.

Herr Marx - Peter, nicht Karl - nahm jetzt den Parteivorsitzenden der Linken vor dem Vorwurf des Antisemitismus in Schutz. Ja, richtig gelesen: In Schutz.
"Lafontaine vertritt außenpolitisch lupenreine und völlig authentische NPD-Positionen, deshalb hat er Solidarität verdient."
So. Das lassen wir jetzt mal sacken und zum Käffchen reichen wir dann noch einen nach. Der Peter sagte nämlich auch noch folgendes:
"Durch seine Bekanntheit und seine Medienpräsenz nimmt Oskar Lafontaine innerhalb dieser Querfront eine gar nicht zu unterschätzende Verstärkerrolle wahr"
Querfront? Kannte ich so jetzt auch noch nicht, bedeutet aber wohl eine Parteien- und Ideologienübergreifende Verbindung verschiedener Gruppierungen gegen eine andere. Und damit der Spaß auch so richtig Schwung bekommt, noch ein Sahnehäubchen hinterher. P. Marx hält darüber hinaus künftig gemeinsame Aktionen der NPD mit dem "antiimperalistischen Flügel der Linken" durchaus für möglich. Da war doch was? Heiligendamm? Schwarzer Block? Gewaltverzicht? Anybody?

Die Linksfraktion hat inzwischen heftig dementiert, dass es eine "Querfront" mit der NPD überhaupt geben könne. Dietmar Bartsch, Mitglied der Fraktion "Die Linke" und Bundesgeschäftsführer der Partei verkündete auf der Webseite der Bundestagsfraktion seiner Partei unter Anderem:
"Es gibt keine Querfront, kein Rechts-Links-Bündnis, keine gemeinsamen Aktionen und wird sie niemals geben. Rechtsextremisten gehören in Deutschland verboten."
Damit es aber nicht ganz so langweilig wird auf dem politischen Parket, holt Herr Bartsch denn auch gleich richtig aus und verteilt einmal den großen Rundumschlag:
"Im Gegensatz zur CDU, die 1969 mit der NPD einen Bundespräsidenten wählen wollte, und im Gegensatz zum Rechtspopulisten Schill, der keine Skrupel hatte, ein Bündnis mit dieser Partei anzugehen, weist DIE LINKE die plumpen Anbiederungsversuche der NPD als durchsichtiges Manöver, sich an den politischen Erfolg der Linken anzuhängen, in aller Schärfe zurück."
Noch 'n Käffchen, die Damen?

Mittwoch, 7. März 2007

Irgendwie Stimmungstief

Reichstag in BerlinIrgendwie vergaloppiert sich unsere Politik gerade ziemlich heftig. Da ist dieses Thema "Kinderbetreuung", oder auch "Krippenplätze". Es geht um die Betreuung der Kinder unter drei Jahren, damit die Frau auch weiterhin berufstätig sein kann. Angeblich, so Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, fehlen 750.000 Plätze, um den Bedarf so einigermaßen zu decken. Die Regierung will uns nun als Erfolg verkaufen, dass sie tatsächlich 230.000 Krippenplätze finanzieren und einrichten will. Das sind genau null Plätze mehr, als im Koalitionsvertrag der gegenwärtigen Regierungskoalition vereinbart.

Ursula von der LeyenMan feiert als "Erfolg" die Demontage der engagierten Bundesfamilienministerin und ein Nullsummenspiel bei den Leistungen für den Wähler. Immerhin: Der "tatsächliche" Bedarf an Kindertagesstätten soll jetzt ermittelt werden. Lebensnah - wie immer, wenn Politiker "Probleme" lösen - durch eine Konferenz von Bund, Ländern und Kommunen. Deren Ergebnis sollte man nicht zu früh erwarten, denn bis 2010 wird der aktuelle "Fünfjahresplan" umgesetzt und erst danach will man feststellen, ob es weiteren Bedarf an Krippen- und Kindergartenplätzen gibt. Überrascht es irgendjemanden, dass Beck und Müntefering - immerhin Vizekanzler - bereits jetzt von einem Mehrbedarf ausgehen?

Damit aber nicht genug. Wurde in der Öffentlichkeit noch großspurig verkündet, dass Deutschland sich mit dem Problem der Integration und der Zuwanderer offensiv und vor allen Dingen progressiv befassen muss, stellt das Bleiberecht für lange Jahre geduldete Ausländer offenbar ein erhebliches Problem dar. Ende März soll ein Gesetz verabschiedet werden, dass dieses "Problem" löst, denn Bayern hat ein ernsthaftes Problem damit, dass Arbeitssuchende unter den geduldeten Ausländern in den Genuss der sozialen Sicherungssysteme kommen.

Edmund Stoiber zeigte sich (mit eigenen Worten) "sehr zufrieden" darüber, dass man sich darüber verständigt hätte, dass durch eine Neuregelung keine Mehrkosten für Sozialleistungen entstehen dürften. Die Details dieser "Problemlösung" werden von den für ihre liberale Haltung bekannten Politikern Stoiber, Müntefering und Schäuble geklärt werden. Das lässt auf eine "moderne" Lösung hoffen.

Während in anderen Ländern schon lange ein Mindestlohn gesetzlich verankert ist, um zu verhindern, dass die soziale Notlage dazu führt, dass Arbeitnehmer zu sehr ausgebeutet werden, hat man damit in Deutschland erhebliche Probleme und sträubt sich gegen eine solche Regelung wo immer es nur geht. Nun soll eine "Arbeitsgruppe" nach Möglichkeiten suchen, die auch für weitere Branchen neben Bau und das Gebäudereinigerhandwerk gelten könnte. Immerhin: Es sei nun akzeptiert, dass es keine sittenwidrigen Löhne geben dürfe, so Beck. Na das ist ja doll. Bereits im Jahre 2007 akzeptiert die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, dass es keine sittenwidrigen Löhne in Deutschland geben darf. Mal wieder ganz weit vorne dabei die deutsche Politik, wenn es um das moderne Denken geht.

Naja, und dann die Sache mit EADS und "Power8". Egal in welche und wie viele Worte der Plan zur Sanierung des Unternehmens gekleidet wurde: Am Ende geht es darum, dass EADS zu viele Mitarbeiter hat und diese loswerden will. Man will auch die überaus komplizierte Verflechtung zwischen den Standorten deutlich vereinfachen. Für Frankreich sieht das so aus, dass man die Unternehmensführung auf einen Staat festlegt. Und das soll nach eigenem bekunden Frankreich sein, weil man sich dort für deutlich kompetenter hält. Nicht unbedingt eine Auszeichnung für die Deutsche Regierung, die mit immerhin 22,5% indirekt an dem Rüstungskonzern beteiligt ist.

JustiziaUnd dann noch die Schlappe mit der Pendlerpauschale, deren aktuelle Regelung wahrscheinlich dem Grundgesetz widerspricht, weil in Bezug auf Steuern eine Gleichbehandlung zwingend vorgeschrieben sei. Das wird jetzt den BGH beschäftigen und kann eventuell für den Staat ganz schön teuer werden, wenn festgestellt wird, dass die aktuelle Regelung (Anrechenbarkeit erst ab dem 20. Kilometer Arbeitsweg) tatsächlich so nicht haltbar ist. Da können dann einige Nachforderungen auf den Staatshaushalt zukommen.

Der muss übrigens jetzt auch den Anlegern ausländischer Aktien eine ganz schöne Summe zurückzahlen. Der EuGH (Europäische Gerichtshof) urteilte, dass Nachteile, die Besitzern ausländischer Wertpapiere aus der Regelung zur Dividendenbesteuerung, die bis 2001 gültig war, entstanden sind, ausgeglichen werden müssen. Das dürften im schlimmsten Fall 5 Milliarden Euro werden, die das Bundesfinanzministerium auf den Tisch legen muss.

Aber auch an anderer Stelle macht sich der EuGH gerade sehr beliebt bei der deutschen Politik. Hatte die doch jüngst erst bekräftigen lassen, dass der Staat ein Monopol auf Glücksspiele habe. Der EuGH urteilte zugunsten privater Wettvermittler und das könnte durchaus Auswirkungen auf das in Deutschland geltende Monopol haben. Ein Problem, auf das die Politik sicher gerne verzichtet hätte, denn so kommen mit einiger Sicherheit interessante Rechtsstreitigkeiten auf den Staat zu.

Immerhin konnte man die jüngste Eskalation in der Beziehungskrise zwischen Deutschland und Polen abfedern. Da hatte nämlich die Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach die polnischen Regierungsparteien mit deutschen Rechtsextremisten verglichen. Gegenüber der Passauer Neuen Presse hatte sie gesagt:
"Die Parteien, die in Polen regieren, sind mit den deutschen Parteien Republikaner, DVU und NPD vergleichbar. Da kann man nicht allzu viel erwarten."
Bundestagspräsident Norbert Lammert und sein polnischer Kollege Marek Jurek hatten sich in Berlin getroffen. Nach einem mehrstündigen Gespräch verkündete man, dass diese Äußerung wohl nicht angebracht war, aber bei dem eigentlichen Gespräch nicht mal in einem Nebensatz erwähnt worden sei.

Bischof Mixa AugsburgDa passt es doch richtig gut, dass der Zentralrat der Juden quasi im Vorbeigehen deutschen Bischöfen Antisemitismus vorwirft. Angesichts der nicht unerheblichen Verknüpfungen zwischen Kirche und Parteien für einigen Zündstoff sorgen, denn es meldete sich sogleich der Botschafter Israels in Deutschland, Schimon Stein, zu Wort und erklärte, wer Begriffe wie "Warschauer Ghetto" oder "Rassismus" im Zusammenhang mit israelischer beziehungsweise palästinensischer Politik benutze, der habe alles vergessen oder nichts gelernt und moralisch versagt". Die "Süddeutscher Zeitung" berichtete, dass Bischof Hanke in Bethlehem gesagt hätte:
"Morgens in Yad Vaschem die Fotos vom unmenschlichen Warschauer Ghetto, abends fahren wir ins Ghetto in Ramallah. Da geht einem der Deckel hoch."
Der Augsburger Bischof Walter Mixa soll zudem von israelischem Rassismus im Umgang mit den Palästinensern gesprochen haben. Das ist übrigens der, der sich mit der Bundesregierung wegen deren Pläne zur Kinderbetreuung angelegt hatte. Wie passend.

Und dazu noch das schwelende Desaster um Kurnaz. Irgendwie ist das alles zur Zeit nicht wirklich positiv, was man da so zu hören bekommt.

Donnerstag, 1. März 2007

Gefunden!

KircheVor zig Jahren - 1996 - wurde irgendwo Jerusalem (Israel) eine Grotte ausgegraben, in der diverse Steinkisten herumstanden und ziemlich viele Knochen herumlagen. Auf diesen Steinkisten standen eigenartig geläufige Namen zu lesen, zum Beispiel "Yeshua bar Yahosef" (was da wohl heisst "Jesus, Sohn des Josef"), "Yahosef" ("Josef"), "Yehuda bar Yeshua" ("Judah, Sohn des Jesus") und "Mariamne e Mara" (was als "Maria Magdalena" interpretiert wird). Das ganze wird zur Zeit durch die Medien getriben, wie die berühmt-berüchtigte Sau durchs ebenso bekannte, allerdings namenlose Dorf.

Wer steckt dahinter? James Cameron, seines Zeichens dreifacher Oscar Preisträger und der Dokumentarfilmer Simcha Jacobovici. Beide sind keine unbekannten in diesem Genre und beide verdienen ihren Lebensunterhalt mit Filmen. Sollte man deshalb glauben, das seit Ewigkeiten verzweifelt gesuchte Grab des Jesus aus Nazareth sein gefunden?

Ganz ehrlich: Es spielt keine Rolle. Selbst wenn es das gesuchte Grab wäre, welchen Unterschied macht es? Es steht außer Frage, dass es die historosche Person des "Königs der Juden" tatsächlich gab. Das mag für manche jetzt eine Überraschung sein, aber als historische Belege seien exemplarisch Cornelius Tacitus (ca. 52-54 n. Chr.) und Flavius Josephus (37/38 bis ca. 100 n. Chr.) genannt, die übereinstimmend berichten, dass Pontius Pilatus "den Christus" hinrichten ließ. Ob sich aber eine Familie aus Nazareth über zig Generationen in Jerusalem bestatten lies, darf ruhig bezweifelt werden. Ebenso unspektakulär sind die Namen, die - so die Ansicht von Altertumsforschern - "damals" in der Gegend ungefähr so selten waren, wie hierzulande "Klaus" oder "Dennis" oder "Jens".

Was hier also gefunden wurde, ist die Frage, ob "der Heiland" bei seiner Auferstehung und Himelfahrt nicht etwa nur sein Leichenhemd, sondern auch seine Knochen zurück gelassen hat und eine neue Einnamequelle für findige Filmemacher. Super.

Bevor jetzt also wieder ein Streit losbricht, wie damals, bei der "Passion Christi" und anderen pseudo-historischen Filmen: Hollywood wird so oder so auch weiterhin Filme über den biblischen Heiland und sein Leben und Wirken und seine Wundertaten und auch sein Sterben drehen und vermarkten. Die christliche Kirche wird auch weiterhin in Rom ihren Vertreter Gottes auf Erden würdigen. Warum also nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergehen und sich wichtigen Themen widmen?