Mittwoch, 7. März 2007

Irgendwie Stimmungstief

Reichstag in BerlinIrgendwie vergaloppiert sich unsere Politik gerade ziemlich heftig. Da ist dieses Thema "Kinderbetreuung", oder auch "Krippenplätze". Es geht um die Betreuung der Kinder unter drei Jahren, damit die Frau auch weiterhin berufstätig sein kann. Angeblich, so Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, fehlen 750.000 Plätze, um den Bedarf so einigermaßen zu decken. Die Regierung will uns nun als Erfolg verkaufen, dass sie tatsächlich 230.000 Krippenplätze finanzieren und einrichten will. Das sind genau null Plätze mehr, als im Koalitionsvertrag der gegenwärtigen Regierungskoalition vereinbart.

Ursula von der LeyenMan feiert als "Erfolg" die Demontage der engagierten Bundesfamilienministerin und ein Nullsummenspiel bei den Leistungen für den Wähler. Immerhin: Der "tatsächliche" Bedarf an Kindertagesstätten soll jetzt ermittelt werden. Lebensnah - wie immer, wenn Politiker "Probleme" lösen - durch eine Konferenz von Bund, Ländern und Kommunen. Deren Ergebnis sollte man nicht zu früh erwarten, denn bis 2010 wird der aktuelle "Fünfjahresplan" umgesetzt und erst danach will man feststellen, ob es weiteren Bedarf an Krippen- und Kindergartenplätzen gibt. Überrascht es irgendjemanden, dass Beck und Müntefering - immerhin Vizekanzler - bereits jetzt von einem Mehrbedarf ausgehen?

Damit aber nicht genug. Wurde in der Öffentlichkeit noch großspurig verkündet, dass Deutschland sich mit dem Problem der Integration und der Zuwanderer offensiv und vor allen Dingen progressiv befassen muss, stellt das Bleiberecht für lange Jahre geduldete Ausländer offenbar ein erhebliches Problem dar. Ende März soll ein Gesetz verabschiedet werden, dass dieses "Problem" löst, denn Bayern hat ein ernsthaftes Problem damit, dass Arbeitssuchende unter den geduldeten Ausländern in den Genuss der sozialen Sicherungssysteme kommen.

Edmund Stoiber zeigte sich (mit eigenen Worten) "sehr zufrieden" darüber, dass man sich darüber verständigt hätte, dass durch eine Neuregelung keine Mehrkosten für Sozialleistungen entstehen dürften. Die Details dieser "Problemlösung" werden von den für ihre liberale Haltung bekannten Politikern Stoiber, Müntefering und Schäuble geklärt werden. Das lässt auf eine "moderne" Lösung hoffen.

Während in anderen Ländern schon lange ein Mindestlohn gesetzlich verankert ist, um zu verhindern, dass die soziale Notlage dazu führt, dass Arbeitnehmer zu sehr ausgebeutet werden, hat man damit in Deutschland erhebliche Probleme und sträubt sich gegen eine solche Regelung wo immer es nur geht. Nun soll eine "Arbeitsgruppe" nach Möglichkeiten suchen, die auch für weitere Branchen neben Bau und das Gebäudereinigerhandwerk gelten könnte. Immerhin: Es sei nun akzeptiert, dass es keine sittenwidrigen Löhne geben dürfe, so Beck. Na das ist ja doll. Bereits im Jahre 2007 akzeptiert die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, dass es keine sittenwidrigen Löhne in Deutschland geben darf. Mal wieder ganz weit vorne dabei die deutsche Politik, wenn es um das moderne Denken geht.

Naja, und dann die Sache mit EADS und "Power8". Egal in welche und wie viele Worte der Plan zur Sanierung des Unternehmens gekleidet wurde: Am Ende geht es darum, dass EADS zu viele Mitarbeiter hat und diese loswerden will. Man will auch die überaus komplizierte Verflechtung zwischen den Standorten deutlich vereinfachen. Für Frankreich sieht das so aus, dass man die Unternehmensführung auf einen Staat festlegt. Und das soll nach eigenem bekunden Frankreich sein, weil man sich dort für deutlich kompetenter hält. Nicht unbedingt eine Auszeichnung für die Deutsche Regierung, die mit immerhin 22,5% indirekt an dem Rüstungskonzern beteiligt ist.

JustiziaUnd dann noch die Schlappe mit der Pendlerpauschale, deren aktuelle Regelung wahrscheinlich dem Grundgesetz widerspricht, weil in Bezug auf Steuern eine Gleichbehandlung zwingend vorgeschrieben sei. Das wird jetzt den BGH beschäftigen und kann eventuell für den Staat ganz schön teuer werden, wenn festgestellt wird, dass die aktuelle Regelung (Anrechenbarkeit erst ab dem 20. Kilometer Arbeitsweg) tatsächlich so nicht haltbar ist. Da können dann einige Nachforderungen auf den Staatshaushalt zukommen.

Der muss übrigens jetzt auch den Anlegern ausländischer Aktien eine ganz schöne Summe zurückzahlen. Der EuGH (Europäische Gerichtshof) urteilte, dass Nachteile, die Besitzern ausländischer Wertpapiere aus der Regelung zur Dividendenbesteuerung, die bis 2001 gültig war, entstanden sind, ausgeglichen werden müssen. Das dürften im schlimmsten Fall 5 Milliarden Euro werden, die das Bundesfinanzministerium auf den Tisch legen muss.

Aber auch an anderer Stelle macht sich der EuGH gerade sehr beliebt bei der deutschen Politik. Hatte die doch jüngst erst bekräftigen lassen, dass der Staat ein Monopol auf Glücksspiele habe. Der EuGH urteilte zugunsten privater Wettvermittler und das könnte durchaus Auswirkungen auf das in Deutschland geltende Monopol haben. Ein Problem, auf das die Politik sicher gerne verzichtet hätte, denn so kommen mit einiger Sicherheit interessante Rechtsstreitigkeiten auf den Staat zu.

Immerhin konnte man die jüngste Eskalation in der Beziehungskrise zwischen Deutschland und Polen abfedern. Da hatte nämlich die Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach die polnischen Regierungsparteien mit deutschen Rechtsextremisten verglichen. Gegenüber der Passauer Neuen Presse hatte sie gesagt:
"Die Parteien, die in Polen regieren, sind mit den deutschen Parteien Republikaner, DVU und NPD vergleichbar. Da kann man nicht allzu viel erwarten."
Bundestagspräsident Norbert Lammert und sein polnischer Kollege Marek Jurek hatten sich in Berlin getroffen. Nach einem mehrstündigen Gespräch verkündete man, dass diese Äußerung wohl nicht angebracht war, aber bei dem eigentlichen Gespräch nicht mal in einem Nebensatz erwähnt worden sei.

Bischof Mixa AugsburgDa passt es doch richtig gut, dass der Zentralrat der Juden quasi im Vorbeigehen deutschen Bischöfen Antisemitismus vorwirft. Angesichts der nicht unerheblichen Verknüpfungen zwischen Kirche und Parteien für einigen Zündstoff sorgen, denn es meldete sich sogleich der Botschafter Israels in Deutschland, Schimon Stein, zu Wort und erklärte, wer Begriffe wie "Warschauer Ghetto" oder "Rassismus" im Zusammenhang mit israelischer beziehungsweise palästinensischer Politik benutze, der habe alles vergessen oder nichts gelernt und moralisch versagt". Die "Süddeutscher Zeitung" berichtete, dass Bischof Hanke in Bethlehem gesagt hätte:
"Morgens in Yad Vaschem die Fotos vom unmenschlichen Warschauer Ghetto, abends fahren wir ins Ghetto in Ramallah. Da geht einem der Deckel hoch."
Der Augsburger Bischof Walter Mixa soll zudem von israelischem Rassismus im Umgang mit den Palästinensern gesprochen haben. Das ist übrigens der, der sich mit der Bundesregierung wegen deren Pläne zur Kinderbetreuung angelegt hatte. Wie passend.

Und dazu noch das schwelende Desaster um Kurnaz. Irgendwie ist das alles zur Zeit nicht wirklich positiv, was man da so zu hören bekommt.

3 Kommentare:

  1. Nicht das der gute Bischof im Bezug auf die Verhaltensweise der Israelis gegen über den lieben Nachbarn recht hätte :)und das Problem mit Kurnaz eigentlich ein türkisches Problem sein sollte...

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  2. Das grenzt jetzt aber hart an Ketzerei :)

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  3. war es den mal durchaus positiv in den letzten jahren?

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