Mittwoch, 9. Mai 2018

Warum hat Trump das Abkommen gekündigt?

Präsident Trump hat den "Iran-Deal", den am 14. Juli 2015 beschlossenen und am 16. Januar 2016 in Kraft getretenen Joint Comprehensive Plan of Action, oder kurz JCPOA, verlassen. Damit ist das Ding im Prinzip am Ende, egal, was die verbleibenden Nationen dazu sagen. Abgeschlossen wurde der JCPOA zwar zwischen dem Iran auf der einen und China, Russland, Frankreich, England, Deutschland und den USA auf der anderen Seite. Aber es dürfte kaum realistisch sein, ohne die USA die ausgehandelten Bedingungen aufrecht zu erhalten. Umso mehr, da das Regime in Teheran gerade die USA als Prime Evil betrachten.

Warum Trump das Abkommen letztendlich verlassen hat, wird wahrscheinlich nie vollständig erklärt werden können. Allerdings hat er den JCPOA schon seit Jahren kritisiert und immer wieder Neuverhandlungen gefordert. Er selbst nannte das Aufkündigen des Abkommens ein Wahlversprechen, das er jetzt einlöse. Da der JCPOA von seinem Vorgänger Obama unterzeichnet wurde und Trump eine vorhersagbare Aversion gegen alles von Obama Beschlossene hegt, dürfte auch das eine Rolle mitgespielt haben. Siehe Obamacare.

Auch das Verhältnis zu Israel wird einen Anteil an dem Schritt haben. Auch Netanjahu hat das Abkommen immer wieder kritisiert und zuletzt gar behauptet, Israel hätte Beweise dafür, dass der Iran trotz des Abkommens weiterhin Atomwaffen entwickle - den faktischen Beweis blieb er bis heute allerdings schuldig.

Wer mutig ist, der mag sagen: "Der Trump ist einfach nur bekloppt" und ihm unterstellen, dass er aus reinem Irrsinn heraus getan hat, was er tat. Aber das lässt ein paar Dinge außer Acht. Selbst Politiker, die den Schritt der USA scharf kritisieren, räumen ein, dass der JCPOA reichlich löcherig ist und der Iran nicht gerade zu den mustergültigsten Staaten der Welt gehört.

Im Kern ging es beim JCPOA darum, die Anreicherung waffenfähigen Urans und Plutoniums zu unterbinden. Das ist geschehen. Die IAEA hat bestätigt, dass Teheran kein waffenfähiges Uran bzw. Plutonium herstellt und sich an den Vertrag hält. Allerdings hat der Iran durchaus seine Ambitionen vorangetrieben, mehr Einfluss in der Region zu bekommen. Das wiederum sagt aber nichts darüber aus, was mit dem Wissen über die Entwicklung von Atomwaffen geschieht. Das lässt sich nämlich nicht ganz so einfach wieder aus der Welt schaffen. Auch lies das JCPOA die Frage nach den Trägersystemen und den Mittelstreckenraketen insgesamt außen vor.

Grundsätzlich ist da ja nichts gegen zu sagen. Jedes Land hat das Recht sich zu verteidigen und entsprechende Forschung und Entwicklung zu betreiben. Dem stimmt sogar die US-Regierung zu. Wenn der Iran jetzt nicht ausgerechnet die libanesische Hezbollah und die Huthi-Rebellen im Jemen militärisch unterstützen würde, wära vieles einfacher. Aber das Engagement im Jemen trägt sehr zur Destabilisierung der ganzen Region bei und verhindert, dass die dort seit im Prinzip seit den 1930er Jahren herrschenden Kriege endlich beendet werden können. Allerdings ist auch diese Situation nicht frei von komplizierten Verstrickungen unterschiedlichster, sich diametral entgegenstehender Interessen. Man sollte den Anteil der reinen Propaganda bei keiner der im Jemen beteiligten Parteien unterschätzen, erstrecht nicht was Saudi-Arabien angeht.

Die Unterstützung der schiitischen Hezbollah durch den Iran ist nicht förderlich für einen Frieden im Nahen Osten. Die USA, Israel, die Arabische Liga und Kanada stufen die Hezbollah pauschal als terroristische Organisation ein. Die EU und Australien sehen nur die Miliz der Hezbollah als terroristisch an. Die Regierung des Libanon lehnt eine Entwaffnung der Hezbollah ab und deshalb kann diese nahezu ungestört auch weiterhin in der selbsterklärten Rolle des einzigen Beschützers des Libanon vor Israel auftreten. Israel erklärt seit Ewigkeiten immer wieder, dass die vom Iran unterstützte, militärische Hezbollah eines der zentralen Probleme im Friedensprozess sei.

Zwar ist der Iran im Moment nicht dazu in der Lage, mit irgendwelchen Raketen Mitteleuropa oder gar die USA zu erreichen. Weder konventionell noch nuklear. Aber der Iran hat trotz aller Kontrollen und Embargos erfolgreich Raketen in den Jemen geliefert. Von dort aus wurden - gerade in der jüngeren Vergangenheit - verstärkt Angriffe gegen Saudi-Arabien gefahren. Nun ist Saudi-Arabien auch nicht völlig unumstritten, aber diese Raketenangriffe auch gegen Schiffe auf den international stark frequentierten Seewegen am Horn von Afrika und in der Meerenge zwischen Afrika und der arabischen Halbinsel trugen auch nicht gerade dazu bei, die Lage dort zu entspannen und diplomatische Fortschritte zu erzielen.

Diese Lieferungen in den Jemen dienten auch dem Test der vom Iran entwickelten Mittelstreckenraketen, die sie im eigenen Land nicht durchführen konnten. Die Raketen sind zwar noch nicht so weit entwickelt, dass man davon sprechen könnte, die Raketen des Iran spielten in derselben Liga wie beispielsweise die der USA. Allerdings gelang es des Huthi-Rebellen, mit einigen Angriffen Angehörige der US-Armee und ihrer Verbündeter zu töten und auch einige Patriot-Systeme auszuschalten. Spätestens jetzt wird klar, dass es den USA nicht nur ums Prinzip geht.

Das Pentagon und führende Generäle in der Region bestätigen, wovor der damalige Verteidigungsminister Robert Gates bereits vor inzwischen mehr als zehn Jahren gewarnt hat. Insbesondere warnen sie davor, dass der Iran aktiv an einer Destabilisierung des Mittleren Ostens arbeitet.

General Joseph Votel, Kommandant des US Central Command, warnt immer wieder vor den Zielen des Iran im Jemen. Im Februar sagte er gegenüber dem US Kongress, dass seine Mission darin besteht, die destabilisierenden Einflüsse des Iran in der Region abzuwehren, insbesondere die Verbreitung von Raketen und das Starten von Stellvertreterkriegen:

"Iran has extended its tentacles across the region through numerous proxies." "Iran continues to develop advanced ballistic missile capabilities and also transfer them to the Houthis and to its Hizballah proxies. This will enable them to strike U.S. partners and allies, and the possibility Tehran will reinvigorate its nuclear program in the out-years of the JCPOA remains a potential risk. Nuclear proliferation, combined with proxy warfare, increases opportunities for miscalculation and generates a serious threat to the region and the United States."
(Gen. J. Votel, Central Command)

Auf der einen Seite haben Vertreter der militärischen Geheimdienste jede sich bietende Gelegenheit genutzt, der Presse Belege für aus dem Iran stammende Raketen, Drohnen und ferngesteuerte IED-Schnellboote zu präsentieren, die in Saudi-Arabien und im Jemen gefunden wurden. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Raketen des Iran inzwischen so gut sind, dass der Mittlere Osten nur noch knapp vier Minuten Zeit hätte, auf einen massiven Raketenangriff des Iran zu reagieren, gleichzeitig die Raketen aber immer größere Reichweiten erzielen.

Auf der anderen Seite veröffentlichte die New York Times neulich, dass US Special Forces im Jemen aktiv sind. Etwas, was die US-Regierung nicht unbedingt öffentlich zugeben wollte, während Verteidigungsminister Mattis und andere den US-Kongress drängen, die Mittel für die Unterstützung Saudi-Arabiens und der UAE nicht zu kürzen. Wohl wissend, dass Saudi-Arabien und die UAE nicht gerade mit Präzisionsschlägen gegen die Huthis vorgehen und so letztendlich für zivile Toten durch von den USA gelieferten Waffen sorgen.

Es ist insgesamt nachvollziehbar, warum die US-Administration das JCPOA gekippt hat. Nachvollziehbar ja, ob es richtig war, ist eine andere Frage. Denn aus dem Abkommen auszusteigen ist eine Sache. Aber wichtiger ist, was dem Ausstieg denn jetzt folgt. Zwar hat Trump angekündigt, dass jetzt (realistisch ist in drei bis sechs Monaten) drastische Sanktionen in Kraft treten werden. Er hat auch gesagt, dass er mit "verbündeten" sprechen werde. Er hat auch gesagt, dass dem Iran andere Wege offenstehen. Aber er hat vollkommen offengelassen, wie, wann und in welcher Reihenfolge welche Schritte erfolgen sollen.

Besondere Besorgnis sollte dabei die durchaus realistische Option machen, dass Präsident Trump Militärschläge gegen den Iran anordnen könnte. Allerdings dürften die Entwicklungen entlang der Stellvertreterfronten im Jemen und in Syrien sehr viel interessanter sein. Gerade die Inbetriebnahme der Bunker in den Golan Höhen durch Israel ist ein solcher Hinweis auf sich anbahnende Entwicklungen.

Insofern ist die Sorge um das Ausbrechen eines Krieges zwischen den USA und dem Iran absolut berechtigt. Aber de facto ist ein solcher bereits im Gange, wenn auch verdeckt. Ob Trump soweit geht, militärisch im Iran zu handeln, um etwa den Wiederaufbau von Anreicherungsanlagen zu verhindern oder aber die behaupteten versteckten Nuklearanlagen zu zerstören, ist im Moment kaum abzuschätzen. Aber wie der ehemalige Chairman der Joint Chiefs of Staff, General Martin Dempsey sagte:

"We walked away from allies and withdrew from the Iran Nuclear Agreement." "Yet strategically we should share complex problems. Fewer Partners means fewer options. We are now alone on a more dangerous path with fewer options. We'll see."
(Gen. Martin Dempsey)

"Weniger Optionen" ist nun wirklich nicht das, was ich von jemandem wie Dempsey als Lagebeurteilung hören möchte. Schon gar nicht mit jemandem wie Trump als oberstem Befehlshaber der US Streitkräfte...

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