Freitag, 23. Februar 2007

Unerwartete Kritik

Bischof Mixa AugsburgDie Kirche in Deutschland macht mal wieder auf sich aufmerksam. Da meldet sich ein Bischof aus Augsburg und rechnet vor, dass die Politiker nichts anderes tun, als günstig Nachschub für den Arbeitsmarkt zu produzieren. Daraufhin empören sich die Politiker und schreien Zeter und Mordio, was dem denn wohl einfiele. Die Crux: Er hat schließlich recht. Die Entwicklung der Lhne und Gehälter hängt schließlich nicht unwesentlich damit zusammen, dass am Arbeitsmarkt ein Überangebot an Arbeitskräften besteht - sehr zum Gefallen der Arbeitgeber.

Der Politik passt das natürlich so rein gar nicht in den Kram, dass sich jemand hinstellt und rausposaunt, was man so mühsam versucht aus dem Bewustsein der "einfachen Leute" herauszuhalten. Wenn das Volk begreift, dass hier die Politik gegen das Wohl des Einzelnen und für das Wohl des Geldes handelt, dann kann sich das böse bei den Wahlen rächen, denn wer wählt schon eine Partei, die sich offenkundig nicht für das Wohl der Bürger interessiert? Gottseidank ist die Materie ja auch kompliziert genug, dass es nicht so ganz einfach nachzuvollziehen ist, aber dennoch zeigen die Reaktionen aus Berlin und anderen Zentren der Politik, wie mittig dieser Angriff im Kern der Problematik der modernen Gesellschaft getroffen hat.

Tatsächlich ist es so, dass es sich heute wohl eher die Minderheit leisten kann, die eigenen Kinder selber aufzuziehen. Kaum eine Familie kann es sich finanziell leisten, einen Elternteil aus dem Berufsleben heruaszulösen und für die Erziehung und Betreuung der Kinder abzustellen. Wer allerdings ganz am unteren oder ganz am oberen Rand der Gesellschaft lebt, für den sieht das natürlich anders aus. Wer eh kein Geld hat und nahezu ausschließlich von staatlicher Unterstützung lebt, für den macht es keinen Unterschied, ob das Geld von Behörd A oder Behörde B kommt und ob der Titel auf der Überweisung "Erziehungsbeihilfe" oder "Arbeitslosengeld" lautet.

Mehr wird das Geld trotzdem in der Familie nicht und besser wird die soziale Lage erst recht nicht - bis die Anzahl der Kinder ein bestimmtes Limit erreicht. Wer kennt nicht den Spruch "Die haben ihr Haus mit dem Schwanz gebaut"? Ab dem dritten Kind nimmt die Unterstützung durch den Staat langsam Dimensionen an, in der auch Geld bei den Eltern "hängen" bleibt, wo die Unterstützung so signifikant wird, dass der Staat die Probleme der Familie zu lösen beginnt und sie nicht mehr auf sich alleine gestellt ist.

Wer andererseits so viel Geld im Haushalt hat, dass es eh keine Rolle spielt, ob der Partner oder (was wohl in den meisten Fällen eher der Fall sein wird) die Partnerin "ein paar Euro" hinzuverdient, für den ist die ganze Diskussion auch sehr hinfällig und meistens auch völlig unverständlich: "Wenn kein Kita-Platz frei ist, stellen wir halt eine Babysitterin ein. Wo ist das Problem?"

Dem Gros allerdings ist mit solchen Überlegungen kein Stück geholfen. Das erste Kind wird nicht ohne Grund in so vielen Fällen als "Katastrophe", als "Strafe", "Benachteiligung", generell "etwas Negatives" empfunden. Für die - meist junge - Frau bedeutet die Schwangerschaft und Geburt meistens das vorzeitige Ende aller Karierechancen, für den Familienvater als logische Konsequenz eine erhebliche Mehrbelastung. Warum angeboten wird, dass auch die Kerle zu Hause bleiben können, um sich um den Nachwuchs zu kümmern? Weil es - zwar selten, aber immerhin - vorkommt, dass die Frauen mehr verdienen, als der Kerl und der Staat noch viel mehr Geld an Stütze blechen müsste, wenn der Kerl in solchen Fällen nicht zu Hasue bleiben könnte.

Sicher wäre es wünschenswert, wenn die Uhr dahin zurückgedreht werden könnte, als es noch nicht notwendig war, dass beide Partner Geld ranschaffen mussten, um gemeinsam überleben zu können. Sicher wäre es vielleicht "besser", wenn das Ideal der "klassischen" Familie mit einem arbeitenden und einem erziehenden Partner auch heute noch gelebt werden könnte. Das ist aber nicht so und die marktwirtschaftliche Realität wird wohl auch kaum eine Rückentwicklung dahin ermöglichen.

Der Zusammenbruch der familiären Strukturen ist ein Kernproblem unserer Gesellschaft, um das wir uns kümmern müssen. Dieses Problem ist Auslöser für viele andere Probleme, von Integration über soziale Kompetenz bis hin zu Toleranz und Gewalttätigkeit. Da sich Politik und Wirtschaft dazu entschieden haben, diese Familiären Strukturen zu Gunsten der ökonomischen Erträge aufzubrechen, sind diese jetzt in der Pflicht, sich um die die Folgen zu kümmern - nur dazu haben beide eben keinen Bock, weil das irrsinnig viel Geld kostet und genau deshalb dreschen gerade alle auf den Bischof Mixa aus Augsburg ein.

Warum keiner auf diesen Wagen mit aufspringt und auf die Probleme hinweist? Warum keine Demos stattfinden? Weil die Leute, die es angeht, zur Arbeit gehen müssen. Wer zur Demo geht, um seine Rechte einzufordern, riskiert seinen Job und damit seine Wirtschaftliche Existenz. Man darf zwar theoretisch seine Meinung "frei" äußern, aber man muss sich seine Meinung auch leisten können.

Im wahrsten Sinne des Wortes.

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