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Freitag, 13. Juli 2018

Denk' ich an Deutschland in der Nacht...

Die Haltung und Intention der politischen Akteure wirft völlig zurecht tiefgreifende Fragen auf. Was geht in einem Politiker vor, wenn der sich als amtierender Ministerpräsident und erst auf massiven öffentlichen Protest deutlich widerstrebend öffentlich bereiterklärt, den mehr als fragwürdigen Begriff des "Asyltourismus" nicht mehr zu verwenden:

"Für mich persönlich gilt: Ich werde das Wort Asyltourismus nicht wieder verwenden, wenn es jemanden verletzt"
(Markus Söder, CSU)

"Wenn es jemanden verletzt"? Entschuldigung? Was ist das denn bitte für eine Haltung gegenüber den Grundwerten, die zu verteidigen er sich verpflichtet hat? Wenn ihm die Worte des Grundgesetzes nichts bedeuten, im Grundsatzprogramm der CSU steht: "Das C in unserer Partei steht für die christliche Werteorientierung. Unsere Grundwerte leiten sich aus dem christlichen Menschenbild ab. Auf Basis dieser Werte gestalten wir eine Ordnung, die ein Leben in Würde, Freiheit und Verantwortung ermöglicht. Im Zentrum unseres Denkens steht kein abstrakter Gesellschaftsentwurf. Bei uns ist der Mensch im Mittelpunkt, mit seiner unantastbaren Würde, seiner Freiheit und seiner Verantwortung. Unsere Partei steht allen Menschen offen, die sich zu diesen Grundwerten und unseren Zielen bekennen – unabhängig von ihrem persönlichen Glauben."

Wie war das noch mit dem Gebot der christlichen Nächstenliebe? Markus 12,29 ff. ein Begriff? Nein? Na dann ist das christliche Gebot der Feindesliebe wahrscheinlich noch weniger geläufig. (Findet man bei Matthäus 5, 43-48) Natürlich ist es viel verlangt, die Implikationen daraus in Gänze selber zu erdenken, darum hilft man uns sogar mit dem Konzept des Barmherzigen Samariters (Wem auch das nichts sagt: Lukas 10, 25-37)

Wie wenig diese Konzepte bei der Einlassung des Bayrischen Königs in Wartestellung auch nur im Ansatz eine Rolle gespielt haben, zeigt der aber Nachsatz: "Diese Entscheidung ist unabhängig von meiner persönlichen Wertung, wichtiger ist aber, dass Wortdebatten sinnvolle Sachfragen nicht verhindern dürfen." Er benutzt "Asyltourismus" nicht etwa deshalb nicht mehr, weil er erkannt hat, dass dieses Wort an Verachtung für die Situation der Flüchtlinge kaum zu übertreffen ist. Im Gegenteil. Er will das Unwort nicht mehr benutzen, weil er befürchtet, es könnte eine Sachdebatte verhindern.

Bei den Neo-Nazis weiß man wenigstens, woran man ist. Die machen kein Geheimnis aus ihrer menschenverachtenden Ideologie. Bei diesem Menschenschlag aber... da fehlen mir die Worte. Beruhigend, dass ich nicht der einzige bin. Aus nahezu allen politischen Lagern in Deutschland wurde die Wortwahl von Seehofer, Söder & Co kritisiert. Nun mag die CSU sich über Kritik von SPD, Linke, Grüne oder FDP vielleicht noch amüsieren. Aber wenn eine der historischen Parteigrößen der CDU und nach Angaben von Horst Seehofer engem persönlichem Freund der Parteiführung das Wort ergreift, dann sollte man selbst im Elfeinbeinturm an der Mies-van-der-Rohe-Straße 1 anfangen zuzuhören. In der CDU sowieso.

Norbert Blüm schrieb in der Süddeutschen - quasi der Haus und Hof Zeitung der Bayrischen Regierung:

"Eine Volkspartei ist etwas anderes als eine "Sammlungsbewegung", der es vor allem auf die Maximierung der Massen ankommt. Und das C im Parteinamen ist kein Besitzanspruch an Wähler, sondern eine Selbstverpflichtung der Partei, ihre Politik an der Botschaft des Christentums zu messen."
(Norbert Blüm in SZ)

Der Seitenhieb auf die Idee von Sahra Wagenknecht, eine linke Sammlungsbewegung zu schaffen, geißelt die Idee als Populismus. Aber viel wichtiger ist die Bezugnahme auf einen anderen Denker, der 1834 warnte:

"Das Christenthum – und das ist sein schönstes Verdienst – hat jene brutale germanische Kampflust einigermaßen besänftigt, konnte sie jedoch nicht zerstören, und wenn einst der zähmende Talisman, das Kreuz, zerbricht, dann rasselt wieder empor die Wildheit der alten Kämpfer, die unsinnige Berserkerwuth […] Der Gedanke geht der That voraus, wie der Blitz dem Donner. Der deutsche Donner ist freylich auch ein Deutscher und ist nicht sehr gelenkig und kommt etwas langsam herangerollt; aber kommen wird er, und wenn Ihr es einst krachen hört, wie es noch niemals in der Weltgeschichte gekracht hat, so wißt: der deutsche Donner hat endlich sein Ziel erreicht. Bey diesem Geräusche werden die Adler aus der Luft todt niederfallen, und die Löwen in der fernsten Wüste Afrikas werden die Schwänze einkneifen und sich in ihre königlichen Höhlen verkriechen. Es wird ein Stück aufgeführt werden in Deutschland, wogegen die französische Revoluzion nur wie eine harmlose Idylle erscheinen möchte."
(Heinrich Heine, Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland)

Vielleicht sollten wir uns, meinetwegen unreligiös, aber wenigstens philosophisch mal wieder mit denjenigen ethischen und moralischen Grundsätzen auseinandersetzen, denen wir letztendlich verdanken, dass wir unsere Kinder nicht mehr dafür loben, dass aus Frust Streit über ein verlorenes Ballspiel den überlegenen Gegner mit der Axt erschlagen. Ja, das war tatsächlich mal "normal" hierzulande, ebenso wie Menschenopfer (letztes auf Rügen irgendwann um 1100 n. Chr. herum belegt) und etliche andere unlustige Konzepte alltäglicher Brauch waren. Sklaverei und Leibeigenschaft zum Beispiel, die erst 1235 im Sachsenspiegel verboten wurden. Oder die Todesstrafe, die erst 1949 in der BRD, 1981 in der DDR endgültig abgeschafft wurde. Letztendlich alles aufgrund der durch das Christentum geschaffenen ethisch-moralischen Grundlagen.

Wenn ich mir aber ansehe, wie manche Politiker sich heute nahezu ungezügelt in aller Öffentlichkeit zum Gejohle der Massen nahezu beliebig weit außerhalb aller zivilisatorischen Errungenschaften wildern, nicht nur verbal, sondern auch noch mit der Kraft und Macht ihres Amtes, habe ich die Befürchtung, dass die Warnung Heines noch immer viel zu aktuell ist, als sie eigentlich sein dürfte, wenn wir denn aus unserer eigenen Geschichte lernen wollen würden.

Mittwoch, 4. Juli 2018

Der ganz ganz große Wurf aus Bayern

Ich gebe ja gerne zu, dass ich nicht alles verstehe. Das Dingen von gestern verstehe ich nicht. Glaube ich.

Die Geschichte ging ja in etwa so: Nach heftigem Staatskrisen-Geplänkel zwischen einer Bundesweiten Mehrheitspartei und einer lokalen Trachten-betonten Radikalgruppierung (Selbstverständnis: "Das Krachlederne gehört zur DNA der CSU dazu"), gab es einen sagenhaften Kompromiss. Dieser Kompromiss erlaubt es dem Chef eben jenes örtlichen Trachtenvereins mit politischen Weltstarambitionen, vom angedrohten Rücktritt zurückzutreten und sein Bundesamt weiterhin auszuüben.

Dieser Kompromiss lautet wie folgt:


(Klick Bild für Großansicht. Quelle: Dorothee Bär via Twitter)

Wenn ich es jetzt nicht mt den Augen habe, dann steht da "...an der deutsch-österreichischen Grenze...". Mag ja sein, dass ich in Erdkunde nicht gerade das Non-plus-ultra an Zitierfähigkeit bin, aaaber hatte Deutschland nicht noch mehr Nachbarländer? Oder ist jetzt überall Österreich?

Oder bedeutet der Kompromiss, dass jetzt zum Beispiel... äh... sagen wir mal Hassan-Ali Müller(*), der aus... puh... sagen wir mal aus Somalia abhaut und - wieder angenommen - irgendwo bei Frankfurt/Oder die Deutsch-Polnische Grenze übertritt - wegen der Fiktion der Einreise - zuerst von Brandenburg nach Bayern und von da dann nach Österreich abgeschoben wird? Das juristische Konstrukt der "Fiktion" besagt ja, dass die Einreise juristisch nicht nur nicht da stattgefunden hat, wo sie stattgefunden hat, sondern eigentlich gar nicht stattgefunden hat.

Wenn das jetzt alles nach Österreich abgeschoben wird, was ja jetzt der heilige Bündniskompromiss ist: Die Ösis wollen alles aus Bayern direkt nach Italien abschieben. Sagte deren Generaldirektorpräsident jedenfalls vorhin. Hassan-Ali Müller wird also nahtlos von Kiefersfelden/Kufstein direkt nach Steinach/Sterzing teleportiert und dadurch zum Problem der Pizzaproduzenten südlich der Alpen. Zumindest, wenn die Eimerkette grob so abgeht, wie aktuell angedroht. Und was machen die dann mit Hassan-Ali Müller? Entsorgen die Römer ihn dann auf einem Gummibot mit 'ner Pulle Cola und zwei Kaugummis ins Mittelmeer? Der dezent rechtsorientierte politische Außenborder und Chef-Römer hat ja sowas in der Richtung gerade wortreich angedroht.

Da der gegenwärtig ans Ruder gewählte Ostalpenlandbeherrscher und Nachbar des (noch?) amtierenden Bundesinnenministers ja gerade sagte, dass er sich nationale Alleingänge von Deutschland nicht bieten lässt und erstrecht keine Verträge unterschreiben wird, die zum Nachteil seiner Ex-Monarchie gereichen, was passiert denn dann mit Hassan-Ali Müller an der bayrischen Grenze? Wenn es keinen Ersatzzustellungsvertrag zwischen Deutschland und Österreich gibt und Bayern schmeißt Hassan-Ali Müller raus, aber Österreich lässt ihn nicht rein, was passiert denn dann?

Campiert Hassan-Ali dann im Todesstreifen zwischen den nach dem Vorbild von Panmunjeom und Umgebung hochgerüsteten Zollhütten? Wird Hassan-Ali dann auch noch wegen wilden Campierens (und wahrscheinlich Wilderei sowie diverser hundert Verstöße gegen der Abfallrecyclinggesetze, Naturschutz, Wegelagerrei, Betteln und Hausieren, Pass- und Melderecht sowie dem Herbeiführen einer Kernexplosion oder so) verknackt? Falls ja, wird er dann wieder von den Königlich-Bayrischen Gebirgscarabineri eingesackt und in Stadelheim eingeknastet?

Falls das aber jetzt alles nicht so ist und Hassan-Ali Müller zwar in Brandenburg aufgegriffen wird, die Bayern entgegen jeder Wahrscheinlichkeitsvermutung jetzt aber doch nicht allgemein zur Reinerhaltung Deutschlands zuständig sind, dann bleiben doch die Brandenburger auf Hassan-Ali Müller sitzen, oder? Muss Brandenburg Hassan-Ali Müller dann auf dem Luftweg nach Österreich transportieren? Und wenn das Alpenland die Annahme der Luftpostsendung verweigert und Brandenburg Hassan-Ali selber nach Hause bringen muss? Wird dann die LH 181 wieder eingeflaggt und nach Mogadischu losgeschickt? Hieße das nicht, dass "die Asylwende für Deutschland" Brandenburg genau gar nichts bringt, weil der (noch?) amtierende Bundesinnenminister aus Bayern keine Gesetzgebung unter Androhung seines Rücktritts erzwungen hat, die auch für dieses Bundesland dient? Wenn ja, wäre dann dieser gigantisch gefeierte Notfall-Kompromiss nicht einfach nur eine gigantische Verarsche?

Jetzt mal kurz weg von der Polemik.

Nach Deutschland kommen im Moment jeden Monat irgendwas zwischen 10 und 12tausend Asylbewerber. Ein Drittel davon kommt über die Deutsch-Österreichische Grenze. Das sind grob 4tausend Menschen. Von denen sind weniger als ein Drittel solche, die im Sinne der Vereinbarung "illegale" Asylbewerber sind, weil sie bereits in einem anderen Land Asyl nachgefragt haben. Das sind irgendwas bei 1300 Menschen.

Jeden Tag überqueren diverse tausend Fahrzeuge und Menschen die Grenze zwischen Österreich und Deutschland. Auf einer Länge von 815km gibt es zwischen Deutschland und Österreich irgendwas zwischen fünfzig und um die sechzig Grenzübergänge auf dem Landweg (zuzüglich solcher auf Bahngleisen und Schifffahrtswegen). Davon werden ganze DREI in Bayern tatsächlich einigermaßen dicht überwacht.

Und das ist jetzt die "Asylwende für Deutschland"? Deswegen haben unsere hochprofessionellen Berufspolitiker die Regierung ohne mit der Wimper zu zucken aus reiner Selbstsucht an den Rand des Zusammenbruchs gezockt? Really? Und ausgerechnet DIE fragen sich, warum ihnen die Wähler in Scharen weglaufen?

Auch n Bier?


*) Ich habe mir irgendeinen plakativ klingenden Namen ausgedacht, der einzig der Verdeutlichung dienen soll. Jegliche Ähnlichkeit mit noch lebenden oder bereits verstorbenen Personen ist nicht beabsichtigt und rein zufällig.

Donnerstag, 26. April 2018

Entweder Christ oder Verfassungsfeind - Das Weltbild der CSU

Die CSU hat sich die Tage ja etwas aus dem Fenster gelehnt mit der Idee, in allen öffentlichen Gebäuden im Eingangsbereich Kreuze aufhängen zu wollen. Da hieß es noch "Das Kreuz ist nicht ein Zeichen einer Religion". Wir erinnern uns? Gut.

Die Kritik an dieser Idee wurde der CSU wohl doch etwas zu viel. Heute kam von der CSU folgender Konter:

"Wer sich zum Kreuz bekennt, wer Kreuze aufhängt, der muss sich nicht dafür rechtfertigen, denn er bekennt sich gerade zu den notwendigen Wertegrundlagen unserer offenen Gesellschaft und liberalen Demokratie."
(Markus Blume, Generalsekretär CSU)

Er nennt die Kritiker dieses Vorhabens "unheilige Allianz von Religionsfeinden und Selbstverleugnern".

Das sollte man zweimal lesen.

Ja was denn nu? Ist das Kreuz Zeichen einer Religion oder nicht? Wenn ja, dann ist die ganze Idee entsprechend der Urteile vom BVG (1995, 1 BvR 1087/91) und des EGMR (2011, 30814/06) schon von vorne herein schlicht und ergreifend illegal. Oder das Kreuz ist eben kein Zeichen einer Religion, dann redet Herr Blume wirr.

Besonders schmerzhaft dürfte für die CSU sein, dass Vertreter der Kirche sagten, dass sich das Kreuz nicht dazu eigne "als verlängerter Arm einer Politik der Ausgrenzung oder des nationalistischen Egoismus" verwendet zu werden. Es darf nicht zu "bayerischer Folklore" herabgestuft werden. So Burkhard Hose, Hochschulpfarrer Würzburg. Hans Michael Heinig, Kirchenrechtler aus Göttingen ergänzt, dass der Beschluss des bayerischen Landtages "die Verpflichtung des Staates zur religiös-weltanschaulichen Neutralität" berührt und deshalb einen "heiklen Grenzfall" darstellt. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend betrachten den Beschluss als persönlichen Afront. Das Ursymbol des Christentums wird in ihren Augen instrumentalisiert und als Ausgrenzungssymbol missbraucht.

Mal ganz abgesehen von der absurden Idee, ein seit Jahrtausenden erfolgreich von einer Weltreligion okkupiertes Symbol per Dekret zu einem landestypischen Kennzeichen des Lebensgefühls umdefinieren zu wollen. Welche Religion steht denn bitte nicht für Menschenwürde, Toleranz und Nächstenliebe, wie es Herr Blume explizit dem Kreuz zuspricht. Er sagt, dass es Zeichen unserer freiheitlichen und demokratischen Ordnung sei. Wenn Herr Blume sagt, dass es speziell das Kreuz sei, dann gilt das ja implizit für alle anderen religiösen Symbole nicht.

Mit dieser Aussage unterstellt die CSU, dass jeder, der sich nicht zum Christentum bekennt, sich nicht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung bewegt. Das gilt übrigens auch für Atheisten und Agnostiker. Und es gilt auch solche, für die einfach nur die Neutralitätspflicht des Staates zum Thema Religion keine Bagatelle ist. Und spätestens ab hier geht diese Provinzposse jeden an, denn wer ist gerade Bundesminister des Innern? Welcher Partei gehört der an? Eben. Wie nennt man dieses Ministeramt auch? "Hüter der Verfassung". Na? Kribbelts?

Also, lieber Leser. Solltest Du aus der Kirche ausgetreten sein, oder noch nie Mitglied der Kirche gewesen sein und in Bayern wohnen, dann freu Dich: Du giltst offiziell als Staatsfeind und darfst Dich ganz besonders auf das neue Polizeigesetz Bayerns freuen...

Irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, dass manchen in Bayern ganz schön der Helm brennt.

Freitag, 23. März 2018

Trau, Schau, Wem

Es ist eine zwingende Notwendigkeit, dass der Staat den Bürger schützt. Das ist eine seiner Kernaufgaben und letztendlich Rechtfertigung für seine Existenz. Um diesen Schutz gewährleisten zu können, gibt es Einrichtungen wie die Polizei. Es liegt in der Natur der Sache, dass auch vor der Polizei der Fortschritt nicht Halt macht, sogar nicht halt machen darf. Es kann nicht sein, dass die Polizei beispielsweise Straftaten im digitalen Raum nicht verfolgt, weil sie diese nicht verfolgen kann. Darüber dürften wir uns einig sein. Worüber es allerdings der Debatte bedarf, ist die Frage nach dem wie und wieviel.

Im südöstlichen Gebirgskönigreich (vulgo "Bayern") herrscht eine teils bemerkenswerte Einstellung in Bezug auf genau diese Fragen. Im bayerischen Landtag wurde die Tage mit Experten über Ideen und Vorstellungen diskutiert, was die Polizei dort in Zukunft alles dürfen solle. Soweit - so unspektakulär.

Hellhörig werden sollte man allerdings, wenn ausgewiesene Fachleute für Strafrecht wie Hartmut Wächtler sich dazu äußern. Der hatte 1973 den Unterstützer der RAF Ralf Pohle mitverteidigt, lehrt an Polizeischulen, war 30 Jahre lang Vorstandsmitglied der Initiative Bayerischer Strafverteidiger und gilt als kämpferischer "Spitzenanwalt". Über die geplanten Änderungen in Bayern sagte er, dass damit "die größte und umfassendste Kontrollkompetenz für eine Polizei in Deutschland seit dem Ende des Nationalsozialismus" geschaffen werden würde.

Nun kann man ja argumentieren, dass Herr Wächtler eh politisch links und dem Staat immer eher widerspenstig gegenübersteht. Aber es lohnt sich, genauer hinzusehen, was sich die im Odeonsplatz 3 in München residierenden Damen und Herren ausgedacht haben. Ich empfehle einen starken Drink.

Fangen wir ganz klein an. Bisher muss die Polizei bei ihrem Eingreifen gegen den Bürger eine "konkrete Gefahr" nachweisen. Das ist, obwohl ein juristischer Begriff, tatsächlich ziemlich genau das, was man vermutet. Irgendetwas droht sich konkret an. Egal wie groß oder klein die Folgen der Gefährdung, eine konkrete Gefahr ist Handlungsgrundlage. Das soll in Zukunft wegfallen, speziell bei solchen Bagatellen wie dem Post- und Telekommunikationsgeheimnis.

Konkret soll es in Bayern der Polizei erlaubt werden, bereits bei einer abstrakten Gefahr (vereinfacht: "es ist denkbar, dass eine ein Schaden eintritt", siehe zB. hier) sich über speziell dieses in Artikel 10 unserer Verfassung hinwegsetzen zu dürfen. Der Polizei sollen in solchen Fällen Zugriff auf Emails, Chatprotokolle, Facebookprofil, Computer, Handy, und Cloud gestattet werden. Große Datenbestände wie die bei Google oder Facebook oder Apple sollen für Rasterfahndungen genutzt werden.

Und jetzt kommts. Solche "Daten" dürfen durchsucht, gespeichert (kopiert), gelöscht und verändert (sic!) werden. Was nicht passt, wir passend gemacht, hm? Wem hier hin noch nicht der Helm brennt: Check mal Puls und Atmung.

Die Polizei soll bei Demonstrationen routinemäßig Systeme zur automatischen Gesichtserkennung einsetzen dürfen und die so gewonnenen Daten mit dem Bund und anderen Bundesländern "abgleichen". Mit anderen Worten: darf alles weitergeben, egal ob das nun zu einer Straftat gehört oder nicht. Ach ja: Natürlich ohne Richtervorbehalt und Informationspflicht oder gar Löschfristen oder sowas Nervigem.

Der Polizei in Bayern soll es zukünftig freistehen, Menschen präventiv als "Gefährder" zu kategorisieren. "Gefährder" ist ein juristischer Begriff, mit dem jemand beschrieben wird, von dem eine Gefahr (siehe "konkrete Gefahr") ausgeht. Solche "Gefährder" darf die Polizei zukünftig dazu zwingen, einen Wohnort nicht zu verlassen. Okay, das kennen wir im Prinzip. Neu ist aber, dass die Polizei anordnen darf, dass man den Wohnort zu wechseln hat. Ohne Richtervorbehalt. Ohne Verteidiger. Ohne Prozess.

"Sie ziehen jetzt um!" und zack, plötzlich wohnt man nicht mehr im von Investoren begehrten und pittoresken Häuschen im Münchener Szeneviertel, sondern irgendwo am Arsch der Welt. Dagegen kann man dann hinterher zwar klagen, aber bis das Gericht darüber urteilt gilt das, was die Polizei sagt. Und unsere Gerichte haben ja nichts zu tun, da ist mit entsprechenden Urteilen zügig zu rechnen...

Die Polizei darf in Bayern zukünftig heimlich Gespräche aufzeichnen oder Personen filmen und diese Daten auch mit anderen "Sicherheitsbehörden" austauschen dürfen. Zu "Sicherheitsbehörden" gehören übrigens auch Geheimdienste wie Verfassungsschutz, MAD, BND...

Der Einsatz verdeckter Ermittler soll ausgeweitet und die rechtlichen Grundlagen für den Einsatz vereinfacht werden. Ausgeweitet werden soll der Einsatz "verdeckter Ermittler" auch auf das Netz. Der Polizei soll das Verwenden bewusst falscher bzw. erfundener Anwenderprofile gestattet werden. Auch hier: Ohne Richtervorbehalt. Ohne Kontrollinstanz. Ohne Prozess.

Die Auswertung von Erbgut ("DNA") soll erweitert werden. Bisher dürfen Forensiker in Deutschland nur das Geschlecht herauslesen und einen "genetischen Fingerabdruck" erstellen. Zukünftig soll die Polizei auch biologisches Alter, Haarfarbe, Hautfarbe und andere Merkmale auslesen. Dass diese Zuverlässigkeit der ausgelesenen Merkmale wissenschaftlich höchst umstritten ist, interessiert am Odeonsplatz allerdings niemanden. Es wundert dann kaum noch, dass DNA Spuren zeitlich unbefristet gespeichert werden dürfen. Auch wenn diese Spuren niemandem zugeordnet werden können.

Der Einsatz von Drohnen zur Ortung von Handys oder zum Auffinden vermisster Personen soll erlaubt werden. Oder anders: Drohnen sollen jeden suchen dürfen. Virtuelle Währungen sollen zukünftig wie "echtes" Geld sichergestellt oder beschlagnahmt werden dürfen, um "den wahren Eigentümer" zu ermitteln.

Übrigens: Der Bundesminister des Inneren, der für solcherlei Gesetzgebungen auf Bundesebene zuständig ist, kommt aus Bayern. Nur falls Du jetzt gerade dachtest "ach... Bayern... mir egal."

Noch 'n Drink?

Quelle: Heise, Nordbayern, SZ

Montag, 12. März 2018

Stoibers Erbe

Is' noch zu früh für Sprit, oder?

Montag, 29. September 2008

Wahlresultate

Wappen Bayern - WikipediaBayern kehrt heim ins Reich. So in etwa lässt sich der Kommentar vieler Analysen deutscher Politik zusammenfassen. Nach mehr als 40 Jahren Alleinherrschaft hat sich auch in Bayern herumgesprochen, dass es nicht eine einzelne Partei ist, die alles richtig macht. Nicht eine Partei für sich alleine ist der Heilsbringer. Das ist gut und ist als deutliches Zeichen einer zumindest in groben Zügen irgendwie funktionierenden Demokratie durchaus zu begrüßen. Schöne Diskussionen um Siege, Niederlagen und Posten.

Interessant das Selbstverständnis der Parteien. Die CSU weist die Schuld ihrem EU-Minister für Bürokratieabbau zu, ausgerechnet demjenigen, der die vorangegangene Wahl mit über 60% für seine Partei entschied. Der ist jetzt schuld. Die SPD versteht sich trotz des schlechtesten Wahlergebnisses aller Zeiten in Bayern als "Sieger" - zwar weiß keiner so recht, was die SPD gewonnen hat, aber hey, Hauptsache "Sieger". Grüne? FDP? Auch alles Sieger. Alle haben gewonnen. Zwar weiß niemand was eigentlich gewonnen wurde, aber alle sind Sieger. In Brandenburg sind übrigens die Rechten "Sieger". Da wurde nämlich auch gewählt. Interessiert nur niemanden, obwohl *DAS* für die Demokratie und Deutschland viel bedeutsamer ist. Aber sei es drum.

Ein Wahlergebnis von 43% ist zwar im Vergleich mit 60% ein Schlag ins Gesicht, aber Sieg ist Sieg. Deshalb kann ich Beckstein und Huber auch gut verstehen: Sie haben die Wahl gewonnen. Warum zurücktreten? Sind 43% heute etwa eine Niederlage? Hat die Partei nicht gerade erst verkündet die Wahl gewonnen zu haben? Nein? Will die CSU etwa den Ministerpräsidenten am Ende gar nicht stellen?

Auch das Herumfantasieren der SPD kann ich gut nachvollziehen: Eine Koalition aus den vier anderen Parteien wäre tatsächlich dazu in der Lage an Stelle der CSU zu regieren. Rechnerisch zumindest. Aber wirklich "regieren"? Grüne, FDP, SPD und die Nicht-Partei? Wer, der nicht gerade voll unter Drogen steht, glaubt auch nur 5 Minuten daran?

Bleibt die wichtige Frage: Was wird sich ändern? Wohl sehr sehr wenig. Die CSU wird sich mit dem (für sie) geringsten Übel zusammentun und regieren wie immer. Der Rest wird auch weiterhin in Bayern weitgehend bedeutungslos vor sich hin vegetieren und auf bessere Zeiten hoffen. Aber wer glaubt allen Ernstes, dass sich wegen dieser gewonnen Wahl an Politik oder den Politikern irgend etwas ändern wird, egal ob nun in Bayern oder sonstwo in Deutschland?

Dreiundvierzig Prozent

[Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Sven "DeichShaf" Wagner]
Darth Vader CSU: Join me, and i will complete your training!

Dreiundvierzig Prozent. Für mehr hat es nicht gereicht. Die CSU, die Christlich Soziale Union in Bayern e.V., hat bei der Landtagswahl in Bayern über siebzehn Prozent ihrer Wählerstimmen verloren - ein sprichwörtlicher Erdrutschverlust, den es zuvor in über fünzig Jahren Landtagswahlen und Bundestagswahlen nicht gegeben hat. "Historisch" sagen die einen. "Verdient" die anderen.

Interessant ist eigentlich weniger der Ausgang der Wahl, sondern das Ergebnis dessen, was die Gewinner (beziehungsweise eigentlich Verlierer) daraus machen. Gleich dem überzeichneten Streben nach Macht und Machterhalt der Sith (ja, ich weiß - gestern kam StarWars im Fernsehen...) oder auch des Medienmoguls Berlusconi schließen Beckstein und Huber einen Rücktritt erstmal kategorisch aus.

Der Spiegel schreibt:
"Erwin Huber und Günther Beckstein wollen trotz des Wahldebakels der CSU nicht aufgeben: Der Parteichef schloss vor einer Krisensitzung in München ebenso wie der Ministerpräsident einen sofortigen Rücktritt aus"
Ein guter Teil des Volkes wählte weiterhin brav die CSU. Doch fast ein Fünftel aller Wähler entschied, dass es an der Zeit sei, den Herren zu zeigen, dass es so irgendwie nicht weitergehen kann. Anstatt aber zuzugeben, dass man während der letzten paar Jahr(zehnt)e doch wohl einiges falsch gemacht hat, wird an den Stühlen festgeklammert. Geht es nur mir so, oder drängen sich auch anderen Leuten Gedanken an Berlusconi auf?

Die CSU-Spitze besteht darauf, weiter regieren zu dürfen. Klar, man holt sich mit der FDP einen "Partner" ins Boot, und schon kann man wie früher weitermachen. Aber ist das wirklich der Wille der Mehrheit? Und: Was, wenn es wirklich so weitergeht und die Herren Beckstein und Huber nichts dazu lernen (und da bin ich mir sicher: sie werden nichts dazu lernen, weil das bislang noch niemand jemals getan hat)? Die nächste Wahl ist die Bundestagswahl und hier dürften enttäuschte Wähler weiter für Entsetzen sorgen: Die CDU/CSU verliert massiv die Zustimmung der Wähler, der SPD geht es nicht viel besser. Gewinner sind alternative Parteien wie die Grünen, die FDP oder die Linke. Was will die Führungsriege der CSU hier unternehmen, wenn selbst durch eine Koalition keine Mehrheit mehr zustande kommen kann? Will man Gesetzesänderungen erwirken, die dann den Machterhalt garantieren?

Ich gebe zu: Ich habe mich nicht ausführlicher über die politische Lage in Bayern informiert. Aber es muss wohl einiges schief gelaufen sein, wenn eine Partei derart übel "abgewatscht" wird. Und es dürfte den Verantwortlichen wohl kaum neu und die Überraschung gespielt gewesen sein - denn es gab Monate vor der Wahl Umfragen, die genau dieses Bild zeichneten. Und man hat nichts, aber auch gar nichts dagegen unternommen. Populäre Themen wurden angefasst - die aber den Wähler nur bedingt interessieren. Die unpopulären Themen, die fälligen Steuererhöhungen, Sparmaßnahmen, wirtschaftlichen und sozialen Problemfälle - all das wollte man sich für "nach der Wahl" aufsparen. Denn dann braucht man keine Versprechen einhalten und schnell getroffene Entscheidungen nach der Wahl sind bis zur nächsten Wahl vergessen. Oder auch nicht - scheinbar wurde zu viel und zu lange Schindluder getrieben und ein guter Teil der Wähler hat dies erkannt und sich abgewandt. Und viele derjenigen, die weiterhin die CSU gewählt haben, werden vermutlich auch nur aus Tradition gewählt haben.

Ich bin interessiert, was für eine "Lösung" man in Bayern präsentieren wird. Auch wenn ich in Hamburg nur bedingt betroffen bin, wird für mich vieles von dem, was sich bis September 2009 dort tut, für mich entscheidend für meine Stimmabgabe dann sein.

Samstag, 7. Juni 2008

Wehe, wenn sie losgelassen...

CCTV ÜberwachungskamerasDer "Bundestrojaner" ist noch nicht ganz in trockenen Tüchern, da wird schon daran gearbeitet, die vom BGH gesteckten engen Regeln aufzuweichen. Aus der Hochburg des Kontrollfetischismus kommt der Vortsoß, den Tatbestandskatalog zu erweitern, nach dem bundesweit Online-Durchsuchungen möglich sein sollen. Bayern stellte deshalb im Bundesrat den Antrag, solche heimlichen Online-Durchsuchungen auch zu erlauben, wenn es um "besonders schwere Straftaten" geht.

Unabhängig von der Entscheidung der Länderkammer wird Bayern im eigenen Land Regelungen festschreiben. Solche heimlichen Durchsuchungen sollen in Bayern nicht nur zur Bekämpfung des Terrorismus, sondern auf Grundlage der Gefahrenabwehr des Polizeigesetzes und des Verfassungsschutzgesetzes möglich sein. Damit wäre es in Bayern für die Polizei und Geheimdienste legal, ohne das Wissen der Betroffenen zur die Installation der notwendigen Software auch in Wohnungen eindringen zu dürfen.

Es ist kaum anzuzweifeln, dass mit der Übernahme dieser Ermittlungsmaßnahme in die Strafprozessordnung (StPO) die Aussage der Initiatoren des ursprünglichen BKA-Gesetzes, dass es maximal "zehn bis zwölf Online-Durchsuchungen pro Jahr" geben wird, ungefähr auf einer Ebene mit jenen berühmt-berüchtigten Aussagen steht, dass niemand vor hat, eine Mauer zu errichten und das es keine Steuererhöhungen wegen der Wiedervereinigung geben wird.

Vor diesem Hintergrund wundert mich nun wirklich nicht, warum das Vertrauen in die Politik zunehmend schwindet.

(Quelle: heise)

Donnerstag, 25. Oktober 2007

Rauchverbot - Bayernstyle

RauchverbotAb kommendem Jahreswechsel ist formal Ende mit Rauchen in der Gastronomie. Jedenfalls theoretisch. Wenn denn alle mitziehen. Und wenn man nicht unter eine der vielen Ausnahmen fällt. Eckkneipe zum Beispiel, oder Raucherclub. Oder eben Festzelt in Bayern...

Sollte man meinen. In Bayern hatte man sich ja einige wirklich großzügige Ausnahmeregelungen ausgedacht, die der Gastronomie im Prinzip überall und jeder Zeit ermöglichten, das Rauchen trotz gesetzlichem Verbot zu erlauben. Mit juristischer Rückendeckung auf ganzer Breite. Ein paar CSU-Granden aus Franken (derer 40 an der Zahl) dachten sich, dass man dann ja auch problemlos das Verbot noch weiter aufweiten könnte und machten entsprechende Vorschläge.

Was dann geschah, verblüfft selbst mich: In der CSU wurde der Vorschlag diskutiert und die große Parteimehrheit die Sache mit dem Rauchverbot völlig anders sieht. Nicht aufweichen ist der richtige Weg, sondern verschärfen. Und zwar drastisch! Nach tagelanger Debatte kippte die Mehrheit der CSU-Landtagsfraktion am vergangenen Mittwoch die ursprünglich geplanten Ausnahmeregelungen für Wirtshäuser und Bierzelte.

Damit wird erstmals in seiner fast 200-jährigen Geschichte auch das Münchner Oktoberfest ab dem nächsten Jahr rauchfrei. In Wirtshäusern wird es damit in Bayern keine Raucherräume geben. Ursprünglich war im Gesetzentwurf vorgesehen, dass auch "Ein-Raum-Wirtshäuser" ihren Gästen das Rauchen verbieten müssen, große Gaststätten mit einem abgetrennten Raucherraum jedoch nicht. Mit Ausnahme von fünf Abgeordneten stimmten nach Angaben von Fraktionschef Schmid alle Anwesenden dafür.

Insgesamt wird Bayern jetzt das nach Angaben von CSU-Abgeordneten mit Abstand schärfste Nichtraucherschutzgesetz Deutschlands bekommen. Ich bin mir sicher, dass die 40 Leute, die diese Bewegung angestoßen haben, jetzt sehr beliebt sind bei den Rauchern...

(Quelle: Süddeutsche Zeitung)

Montag, 1. Oktober 2007

Farewell?

Edmund StoiberKönig Edmund hat abgedankt und mit ihm verlässt ein kantiger und durchaus würdiger politischer Gegner die Alltagspolitik des Königreichs im Süden der Republik. Ich bin mir sicher, dass wir von König a. D. Edmund noch sehr viel hören und sehen werden, aber solch unvergessliche Glanzleistungen, wie die seine Rede über den Transrapid, dürften uns in Zukunft seltener den Tag versüßen. Auch wenn seine Ansichten und seine politischen Ideen wirklich nicht immer zu meinen Idealen passten und und meine Reaktionen entsprechend ausfielen, mit ihm verlässt einer der letzten Charakterpolitiker die Bühne, von denen Deutschland dringend noch viel mehr bräuchte. Darum: Alles Gute, Edmund. Du wirst mir in Bayern irgendwie fehlen.

Vermutlich werden aber seine Nachfolger, die Herren Beckstein und Huber, alles geben. In der Vergangenheit hat sich ja zumindest der Herr Beckstein mit diversen eigenartigen Forderungen schon redlich darum bemüht, sich bei allen ins Bewusstsein zu bringen und ich bin gespannt, welche Eskapaden wir von dort schon bald zu erwarten haben. Beruhigt bin ich jedenfalls nur in der Hinsicht, dass es bestimmt auch weiterhin aus Bayern genug zu berichten geben wird. Allerdings habe ich meine Zweifel, dass es "besser" wird...

Dienstag, 21. August 2007

Verwandtschaft besuchen

FriedhofDie Liebe zum Auto geht bei den Deutschen ja angeblich sehr weit. Das erklärt wahrscheinlich auch, warum viele Deutsche ihre Verwandtenbesuche mit dem Auto machen. In Bayern dachte sich eine 53jährige Dame, dass es dann doch nur recht und billig wäre, wenn auch sie mit dem Auto zu ihren Verwandten fahren würde. Darum kippte sie sich erst freudig ein paar handfeste Drinks hinter die Binde und furh dann los. Bis unmittelbar zu den Verwandten.

Und weil die Straßen in Bayern ja manchmal extrem eng sind und sowieso an jeder Ecke so ein Lattenjohann rumhängt, machte es ihr auch gar nichts aus, dass sie hin und wieder mal vom Weg abkam. Das war solange nicht weiter schlimm, bis sie ihre Karre in den lokalen Friedhof einfädelte. Da waren die zu besuchenden Verwandten nämlich wegen akuten Ablebens dauerhaft untergebracht. Die asphaltierten Friedhofswege waren ihr dann doch etwas zu eng und so randalierte sie mehrere Gräber und blieb schließlich mit ihrem Wagen in einem stecken.

Die Polizei beschlagnahmte das Fahrzeug, den Führerschein und nahm die Dame mit zur Blutprobe. Über die erzielten Werte machte die Polizei keine Angaben, aber ich behaupte einfach mal: "Mehr als genug".

(Quelle: dpa)

Donnerstag, 26. Juli 2007

Steuern in Bayern

GeldWenn es um das Prinzip geht, dann ist man bei Deutschlands Behörden gerne ganz weit vorne dabei. Diese Prinzipienreiterei hat uns im Ausland berühmt und berüchtigt gemacht. Was sich andere gerne als "Preussische Gründlichkeit" schön reden, wird von denen gerne auch noch als herausragende positive Eigenschaften gelobt. Zu allem Überfluß - man mag es kaum glauben - werden wir darum auch noch beneidet.

Das wäre nicht so schlimm, wenn es nicht in der Natur der Sache läge, dass Menschen trotz aller Gründlichkeit hin und wieder Fehler machen. Wenn wir bei Aldi statt das Müsli einzupacken knapp vorbei greifen und den 87cm LCD Fernseher in den Wagen schubsen, dann ist das vielleicht ärgerlich, weil man hat ja schon drei Stück davon zu Hause und wegen des Müslis jetzt noch mal durch den Laden zu rennen ist ja auch nur nervig. Wenn aber eine Behörde auf Stur schaltet, dann kann das schon mal bitter werden.

In Bayern wird das gerade vom Finanzministerium durchexerziert. Eine selbständige Fachkraft für Zubereitung und Verkauf von Bratprodukten (früher hieß sowas Chefin einer Imbißbude) bekam einen Steuerbescheid. Der Steuerbescheid war etwas ungewöhnlich, denn sie sollte dem Königreich angeblich mehr als zwei Milliarden Schekel schuldig sein. Fällig sofort, versteht sich.

Nun war die Dame auf anhieb nicht in der Größenordnung liquide und sie hielt es auch für etwas vermessen, eine Imbißbude mit einer derart hohen Steuer zu belegen. Darum fragte sie beim zuständigen Finanzamt und sogar dem zuständigen Sachbearbeiter - alleine dafür gebührt ihr das Bundesverdienstkreuz - nach, ob das denn so mit rechten Dingen zu gehen könne. Natürlich kann es! "Das Finanzamt Macht Keine Fehler! Zahle Sie Gefälligst!" so oder ähnlich muss dann wohl die Reaktion ausgefallen sein.

Die Frau darauf hin zum Steuerberater und der sich gedacht "Coole Scheiße! Das gibt Zaster!" Er also einen Einspruch aufgesetzt, der - es gibt da so eine per Gesetz vorgeschriebene Gebührenordnung - Geld kostet. Der Preis dieses Zettels mit ein paar Zeilen Text drauf richtet sich nach dem Streitwert und der liegt bei jenseits der zwei Milliarden. Entsprechend kostet der Zettel - allerdings inklusive Porto - im Sonderangebot nur noch etwas mehr als 2,5 Millionen Kaurimuscheln.

Noch immer etwas heftig für unsere professionelle Bratgerätschwenkerin. Das Finanzamt sah sich ob des boßhaften Schreibens aus dem niederen Volke so rein gar nicht belustigt und tat, was so eine Behörde besonders gut kann: Man stellte sich taub. Zwei Milliarden Steuereinnahmen sind schließlich keine Summe, auf die man freiwillig verzichtet! Millionen hungriger Staatsbediensteter wollen schließlich ernährt werden und des Königs Altenteil muss ja auch finanziert werden.

So sah sich die Herrscherin über Grill, Currywurst und Jägerschnitzel genötigt, vor Gericht zu ziehen. Da allerdings will man auch gerne ein paar Dukaten sehen. Im Voraus. Prozeßkosten und so. Das war so viel, dass die Dame ihre Forderungen an zwei Anwälte abtrat, die jetzt an ihrer Stelle vor Gericht mit dem königlich bayrischen Finanzministerium in die Schranken ziehen werden.

Das Gericht schlug neulich dann mal vor, man könnte sich ja auf einen Schadensersatz für die Dame einigen. So 10.000 Ningi wären vielleicht angemessen und dann könnte man die Sache einfach vergessen und sich um wichtigere Themen kümmern. Was weiß denn schon ein Gericht? Der Vergleich kam nicht zu Stande. Empörung macht sich breit in den heiligen Hallen des hochheiligen Finanzministeriums.

Aus den Fenstern der oberen Etagen des elfenbeinernen Turms in jener Region des La-La-Landes, wo der Himmel grundsätzlich eine vollkommen andere Farbe hat als überall sonst, ertönt die Schelte, dass das Verhalten des Steuerberaters sehr fragwürdig sei. Eindeutig habe man zugesichert, dass die hoheitlichen Finanzprofis sich der Änderung des Steuerbescheids "rechtzeitig" annehmen werden. "Rechtzeitig" ist ja nun so eine Sache und Behörden sind auch nicht unbedingt dafür bekannt, dass sie regelmäßig irgendwelche Wettbewerbe im schnellen Bearbeiten von Vorgängen gewinnen. Darum verwundert es niemanden - das Gericht am allerwenigsten - das bis heute der Steuerbescheid nicht widerrufen, korrigiert oder sonst wie aufgehoben wurde.

Wenigstens räumen die königlich bayreischen Schergen ein, dass sie eventuell, aus bestimmten, sicherlich sehr abstrakten, Blickwinkeln, vielleicht doch möglicher Weise teilweise nicht so ganz 100% korrektes Verhalten ein:
"Das Finanzministerium bedauert ausdrücklich, dass sowohl bei der Festsetzung der Umsatzsteuer offensichtlich Fehler gemacht worden sind als auch die Korrektur des Fehlers der Steuerpflichtigen und ihrem Steuerberater nicht schnellstmöglich mitgeteilt wurde."
Als Steuerzahler ist man zu allerlei Dingen verpflichtet, die zum Teil haarsträubend anmuten. Man denke nur an die Pflicht als Privatmensch Rechnungen von Firmen fünf Jahre aufbewahren zu müssen. Bei solchen Fristen verstehen Finanzbehörden gar keinen Spaß. Was hätte der Steuerberater denn tun sollen? Welche Alternative hatte er denn, als fristgerecht Widerspruch einzulegen, als die Aufhebung des Bescheides nicht erfolgte? Auf die Kulanz seiner Mandantin hoffen, dass die ihn nicht in Regress nimmt, wenn die hochwohlgeborenen königlich bayrischen Finanzbüttel zwecks Beitreibung der urkundlich festgesetzten Steuerschuld Haus und Hof pfänden und sie, ihre Sippe und alle Nachbarn mit Leibeigenschaft bis in die achte Generation belegen?

Das Gesetz spricht hier eine eindeutige Sprache. Wer einem Steuerbefehl nicht nachkommt und Kraft eigener Willkür nicht zahlt, dem wird eine Säumnisgebühr aufgebrummt. Die richtet sich nach der Höhe der im Steuerbefehl festgesetzten Steuerschuld. Bei einer Steuerschuld von mehr als zwei Milliarden Golddublonen nicht eben ein Pappenstil, nämlich mehr als zwei Millionen Hinkelsteine. Diese Säumnisgebühr wäre in jedem Fall fällig, egal ob der Steuerbescheid nun rechtens oder richtig war oder eben nicht. Wohl niemand wäre so risikofreudig, sich die Kulanz gegenüber den königlichen Geldzählern zwei Millionen kosten zu lassen.

Der ganze Hokuspokus, der mit tödlicher Sicherheit zum Nachteil des Finanzministeriums des Königreichs Bayern vor Gericht entschieden wird, kostet den Steuerzahler gewaltige Summen. Der Brief des Steuerberaters kostet in jedem Fall seine zwei Mille. Auch die beiden Anwälte, die das Finanzministerium vor den Kadi gezerrt haben, werden einige Kohle sehen wollen, denn ihre Gebühren errechnen sich auch aus einer gesetzlich vorgeschriebenen Gebührenordnung, in der der Streitwert eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Die Gerichtskosten errechnen sich auch aus dem Streitwert und werden ebenfalls vom Gesetz vorgeschreiben. Diverse Millionen Euro Steuergeld werden hier zum Fenster raus geworfen, weil man im Königreich Bayern der Meinung ist, dass die königlich hoheitlichen Reichsbeamten keine Fehler machen und gesunder Menschenverstand nur anderen passiert.

Ich bin der Meinung, schon alleine dafür gehört Bayern pauschal eingezäunt.

(Quelle: dpa)

Donnerstag, 19. April 2007

Billige Bildung

GeldMal wieder hat Bayern eine Idee aufgegriffen, die manchem Beifall, anderen eher Stirnrunzeln entlocken wird. Es geht um die Schulen und die dort Arbeitenden. Die Schulen Bayerns sollen Selbständiger werden und so kam man dort auf die Idee, dass man sich doch durchaus aus dem nicht geringen Pool der Ein-Euro-Jobber bedienen könnte. So lässt sich preiswert der Schulhof bewachen und auch die Kantinen werden endlich sauber gehalten. Naheliegend: Warum nicht auch erkrankte Lehrer vertreten?

"Pädagogische Hilfskräfte" werden die neuen Kollegen genannt, die für einen Bruchteil des Lohnes eines "echten" Lehrers am Christoph-Probst-Gymnasium in Gilching Dienst tun. Für 15 bis 20 Stunden pro Woche halfen zuerst zwei Langzeitarbeitslose an der Schule aus, mal als Aufsicht in der Pause, mal als Vertretung. Dazu kam kürzlich noch eine Kinderpflegerin.

Es gibt sicher eine ganze Reihe Tätigkeiten an Schulen, die durch Langzeitarbeitslose ohne Probleme im Rahmen einer Ein-Euro-Tätigkeit ausgeübt werden können. Aber einen Lehrer ersetzen? Kann eine Kinderpflegerin einen Pädagogen mit Hochschulabschluss ersetzen? Das Kultusministerium in Bayern sieht das so.

Auf Nachfrage einiger Eltern beim Ministerium wurden von dort keinerlei Bedenken gegen diese Praxis geäußert. Im Gegenteil:
"Die Schule hat alles Mögliche getan, um einen weitergehenden Unterrichtsausfall in der Klasse zu vermeiden."
Kultusministerium Bayern, in Süddeutsche Zeitung
Die Schule, noch dazu ein Gymnasium, als Experimentierfeld für Kostensenkung und Beschäftigung von Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen? Zwar war nicht nur mir schon länger klar, dass es nicht immer einfach ist, ausreichend viele Lehrkräfte zu finden und diese auch zu für den Staat vertretbaren Kosten zu beschäftigen. Das jetzt aber ausgerechnet das Bundesland, das nicht zu unrecht Stolz auf seinen Bildungsstandard ist damit anfängt, die Bildung dem Preiskampf zu opfern, macht mir Angst.

(Quelle: Süddeutsche Zeitung)

Bei Anruf Integration

Kleiner Corc am TelefonBayern, bekannt für seine zuweilen eigenwillige Auffassungen von Recht, Moral, Sitte und Anstand, hält es für vollkommen legitim öffentlich zum Denunzieren aufzufordern. So richtete man dort Hotlines für Rechtsextremismus und für Islamisten ein. Der Verfassungsschutz in Bayern stellte jetzt fest, dass die Hotline für Rechtsextremismus durchaus genutzt werde und wichtige Erkenntnisse liefere, jedoch die für Islamisten bis heute vollkommen ungenutzt geblieben sei. Die Verfassungsschützer sehen die Ursache für die fehlenden Denunziationen von Islamisten darin, dass sich Muslime nicht mit der deutschen Gesellschaft identifizieren.

Denunziantentum als Kennzeichen gesellschaftlicher Identifikation und Integration. Auf solche Ideen kann man wahrscheinlich wirklich nur in Bayern kommen.

(Quelle: n-tv)

Freitag, 9. Februar 2007

Bayern vs. Gaming

JustiziaBayern sieht sich gerne in der Paraderolle. Egal welche, Hauptsache eine Paraderolle. Im Moment hat man dort zwar noch nicht so ganz raus, wie man ohne Führungsperson Politik machen soll, aber das hindert die mittelmeernahen Höhenvölker nicht daran, mit eigenen Ideen zum Thema Gesetzeslandschaft in Deutschland anzurücken.

Wie bereits vor längerer Zeit angekündigt, sieht sich Bayern genötigt, etwas gegen die ausufernde Gewalttätigkeit in unserer Gesellschaft zu tun, die ständigen und andauernden Amokläufe an unseren Schulen zu unterbinden und die schwer bewaffneten und durch alle Städte marodierenden jugendlichen Gewaltverbrecher in ihre Schranken zu weisen. Speziell mit dem Hinweis auf die Amokläufe in Bad Reichenhall (1999), Erfurt (2002) und Emsdetten (2006) formulierte man in Bayern folgenden GesetzesANTRAG, der jüngst eingereicht wurde und jetzt das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen soll:
§ 131a
Virtuelle Killerspiele
Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Spielprogramme,
die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen
oder menschenähnliche Wesen darstellen und dem Spieler die Beteiligung an dargestellten
Gewalttätigkeiten solcher Art ermöglichen,
1. verbreitet,
2. öffentlich zugänglich macht,
3. einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überlässt oder zugänglich macht oder
4. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie im Sinne der Nummern 1 bis 3 zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen.
Mit den Worten der Gesetzesinitiatoren:
"Das vorliegende Gesetz sieht ein Verbot von virtuellen Gewaltspielen vor. Es erfasst Spielprogramme, die grausame oder unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen darstellen und dem Spieler die Beteiligung an dargestellten Gewalttätigkeiten solcher Art ermöglichen."
Selbstverständlich umfasst der Gesetzesantrag noch eine ganze Reihe mehr an Verboten und Strafbestimmungen und so weiter. So soll es zum Beispiel zukünftig Erziehungsberechtigten verboten sein, dem eigenen Nachwuchs "nicht altersgemäße Inhalte" zugänglich zu machen. Begründet wird diese nach Ansicht Bayerns unumstrittene Inkompetenz der Eltern wie folgt:
"Es besteht kein legitimes Bedürfnis für Erziehungsberechtigte, exzessive Gewaltdarstellungen Jugendlichen oder gar Kindern zugänglich zu machen. Das Erzieherprivileg wird daher ersatzlos aufgehoben."
Wer Bayern kennt, der wird sich natürlich nicht über weitere, verklausulierte Forderungen wundern, die zum Beispiel beinhalten, dass sich Spiele "explizit an den ethischen Grundregeln unserer Gesellschaft" orientieren und Verstöße dagegen automatisch zur Indizierung führen. Offen bleibt, wo denn genau diese "ethischen Grundregeln unserer Gesellschaft" verbindlich festgeschrieben wurden und wer diese überhaupt definiert. Solche Kleinigkeiten allerdings hindern Bayern nicht daran, entsprechendes Wunschdenken in den Gesetzgebungsprozess einzubringen.

Selbstverständlich sieht Bayern auch die USK in ihrer gegenwärtigen Form als wenig geeignet an, das angestrebte Ziel zu erreichen. So wird proklamiert, dass die USK "in der Kritik" stehe, wobei offen bleibt in welcher und in wessen Kritik die USK denn wohl steht.

Nun wäre es schön, wenn man abwinken könnte "ach ja, die Bayern mal wieder", aber man sollte zweierlei bedenken: Erstens hat Niedersachsen bereits angekündigt, dieses Gesetzesvorhaben zu unterstützen und zweitens steht die Neuregelung der Gewaltspiele verpflichtend im Koalitionsvertrag.

Warum ist das wichtig? Deutschland ist der größte Absatzmarkt für Computerspiele in Europa. Wenn dieser Absatzmarkt, so wie hier gefordert, "trocken gelegt" wird, dürfte sich ein nicht unwesentlicher Wirtschaftsfaktor aus Deutschland verabschieden. Nicht zu vergessen, dass eine Novellierung der Spiele mit ziemlicher Sicherheit auch eine Novellierung der Filme und übriger Medien nach sich ziehen wird. Sollte sich tatsächlich die Spiele- und Medienbranche aus Deutschland zurückziehen, hat das langfristig nicht unerhebliche Konsequenzen, denn diese beiden Bereich gelten als diejenigen mit erheblichem Wachstumspotential und umfassen erhebliche Mengen an Kapital.

PrisonIch traue Bayern durchaus zu, dass man dort meint, was man sagt. Allerdings ist mir die Denkweise nicht geheuer, die hinter folgender Argumentation steht: "Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass insbesondere sog. Killerspiele" "für bestimmte labile Charaktere auch eine stimulierende Wirkung haben können. Zwar sind einzelne Auswirkungen von Gewaltspielen noch umstritten. Zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse legen aber eine nachteilige Wirkung gerade auf Jugendliche nahe." Man vermutet, dass es so sein könnte und deshalb hält man es für besser, wenn man erstmal alles verbietet. Es gibt zwar massenhaft gegenteilige wissenschaftliche Erkenntnisse, aber die sind - wen wunderts - völlig uninteressant.

Noch mal ganz deutlich: Wegen ganzer drei Gewalttaten von nachweislich durch die Maschen des ebenso nachweislich völlig maroden Schulsystems gefallenen Problemfällen will Bayern nicht nur den Eltern jegliche Kompetenz zur Erziehung des eigenen Nachwuchses absprechen, sondern gleichzeitig auch noch massiv in die Medienlandschaft eingreifen, um ein den Vorstellungen der erzkatholischen, erzkonservativen und inzwischen sehr weit rechts im politischen Spektrum anzusiedelnden "gesellschaftlichen Ethik" entsprechendes Dogma aufstellen zu können.

Wegen drei von zig Millionen Gamern, die tagtäglich mit der Materie umgehen. Ins entsprechende Verhältnis gesetzt müsste Autofahren in Deutschland seit Jahrzehnten illegal sein, weil zig Tausende dadurch ums Leben gekommen sind. Gemessen daran, wieviele Straftaten unter dem Einfluß von Alkohol begangen werden, müssten auf Vertrieb und Konsum (etc.) von Alkohol in Deutschland drakonischste Strafen stehen. Wie war das noch mit der Verhältnismäßigkeit?

Es geht hier den Bayern wahrscheinlich nicht darum, dass etwa die Jugend geschützt werden soll. Das zeigt sich in aller Deutlichkeit im Herangehen an diese Problematik und das damit konfrontierte Umfeld. Es geht wohl eher darum, dass die inzwischen weit hinter der aktuellen technologischen Entwicklung zurückgefallene Generation der Opa-Almöhis aus der Generation von Eddie und seinen zu befürchtenden Nachfolgern ihre Sicht auf die Welt entsprechend der 1950er und 1960er Jahre zementieren will. Es geht hier um nicht weniger als den Konflikt zwischen "früher" und "heute". Was Bayern hier stellvertretend für die CDU/CSU Koalition etablieren will, hat wenig mit "echtem Fortschritt" zu tun, mit Aufklärung und verantwortungsbewustem Umgang mit Problemthemen, sondern ist deutlich erkennbar im Verbotsdenken der mittelalterlichen Kirchendogmatik verhaftet.

Es ist nicht nur mehr als fraglich, was diese angestrebten vielfältigen Verbote bewirken sollen, es ist auch um so erschreckender, wie sehr zwar vorgeblich auf die ach so gewalttätige Jugend abgestellt wird, die ja geschützt werden soll, wie wenig aber tatsächlich für genau diese Jugend getan wird. Ein Verbot ersetzt keine gescheiterte Schulpolitik auf Bundesebene. Ein Umgangsverbot auf Bundesebene ersetzt keine Aufklärung in den Sozial schwachen Schichten und ein Handhabungsverbot ersetzt erst recht kein verantwortungsbewußtes Umgehen von Eltern gemeinsam mit ihrem Nachwuchs mit der Materie, der sich den Stoff eh beschafft. Und das nicht etwa durch die Eltern, sondern ohne deren Wissen und ohne deren Kenntnis.

Was das hier angestrebte Verbot, das eine massive Kriminalisierung verschiedenster Bereiche der "neuen Medien" beinhaltet, auf der einen Seite durch Übertreibung und Dramatisierung und unbewiesene Behauptung an Abschreckung aufzubauen versucht, greift es an der entscheidenden Stelle eklatant zu kurz, nämlich da, wo es tatsächlich gilt zu helfen und das ist vor allem bei den Familien, deren soziale Position in der Gesellschaft vom Staat zunehmen ignoriert und verkannt wird.

Oder wie war das noch mit "es gibt keine Unterschicht"? Weil nicht sein kann was nicht sein darf?

Armes Deutschland.

Dienstag, 26. Dezember 2006

Ironie und Bayern

ForenscreenshotAmokläufe und ihre Ursachen sind Themen, die hin und wieder in Deutschland für einige kontroverse Diskussionen sorgen. Seitens der "Fachleute" wird dabei zwar immer nur über "Killerspiele" diskutiert, aber wie wir alle jetzt wissen: Wer am Computer spielt, ist ein potentieller Killer. Überhaupt keinen Spass versteht man (nicht nur) in diesem Zusammenhang im Lederhosenländle von König Edmund, wie ein 29jähriger Programmierer aus München vor einigen Tagen erfuhr.

In einem Forum kritisierte der Programmierer den konstruierten Zusammenhang zwischen Computerspielen und "echter" Gewalt und schrieb sich seinen Frust ob der etwas kurzsichtigen und einseitigen Ansicht der Politiker von der Seele. Sein Statement unterzeichnete er nicht nur mit vollem Vor- und Nachnamen, sondern auch dem Zusatze "der nächste Amokläufer aus München".

Am 18.12. ging bei der Polizei in München eine anonyme(!) Anzeige ein, die von einem angedrohten Amoklauf sprach und auf diesen Forumsbeitrag hinwies. Die Polizei aus Bayern nahm die Sache ernst und leitete nach eigenen Angaben "umfangreiche Ermittlungen" ein - was wohl bedeutet, dass irgendjemand im Telefonbuch nachgesehen hat, wo der Programmierer wohnt. Mit dieser Information und dem in Rede stehenden Forenbeitrag ging die Polizei München dann zur lokalen Staatsanwaltschaft. Die wiederum sah es als erwiesen an, dass hier eine Störung des öffentlichen Friedens gegeben war und erließ deshalb einen Durchsuchungs- und und Beschlagnahmebeschluß (das ist das, was die meisten aus dem Unterschichtenbildungsfernsehen als "Durchsuchngsbefehl" kennen)

Damit wiederum rückte die Münchener Polizei bei dem Schreiber an, nahm ihn fest und stellte die Bude auf den Kopf. Vier Computer des Programmierers wurden beschlagnahmt - Waffen oder Sprengstoff wurden nicht gefunden. Immerhin: Der Autor wurde wegen "Störung des öffentlichen Friedens" angezeigt und kann für dieses Vergehen bis zu drei Jahre in den Knast wandern. Die Kosten des Einsatzes wird er unabhängig davon wohl auch tragen müssen.

Zwar hat sogar die Polizei aus München inzwischen begriffen, dass keine Androhung eines Amoklaufes gegeben war, dass es weder Pläne noch irgendeine Absicht dafür gab, aber das hindert die Polizei in Bayern nicht daran klar zu machen, dass sich die Bevölkerung in Bayern nach Ansicht ihrer Polizei durch Ironie und freie Meinungsäußerung massiv und nachhaltig gestört fühlt.

Ich fühle mich durch Bayern gestört, darf man die jetzt auch alle verhaften?

(Quelle: Bayerische Polizei, Danke Gex!)

Montag, 11. Dezember 2006

Stoiber und die Asylbewerber

Edmund Stoiber (CSU), Oberster Landesfürst des Lederhosenländles weit im Süden, hat sich auf dem Parteitag der Schwesterpartei (CDU) in Dresden wohl mal wieder etwas weit aus dem Fenster gelehnt. Sicher, wie nicht anders zu erwarten nutzte Herr Stoiber das sympathisierende und wohl seiner Ansicht nach potentiell rechtslastige Publikum - die Gegend ist da ja nicht ganz unbelastet - um auf Stimmenfang zu gehen. Aber mit seiner Bezeichnung der "ausländischen Sozialschmarotzern" in Bezug auf Asylsuchende, hat er sich offenbar nicht nur Freunde gemacht.

Der Berliner Rechtsanwalt Atalay Gümüsboga zeigte den Souverän aus Bayern deshalb bei der Staatsanwaltschaft Dresden an. Wegen Volksverhetzung. Schon früher hätte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main durch die Formulierung, Asylsuchende seien "betrügerische Schmarotzer", den Tatbestand der Volksverhetzung als erfüllt angesehen.

Schön zu sehen, dass man in Bayern und auch im Osten der Republik immer wieder bemüht ist herauszukehren, wie sehr wir Deutsche doch um Integration bemüht sind und wie wenig rechtes Gedankengut in diesem unserem Lande in den Köpfen auch führender Politiker kursiert.

Sonntag, 10. Dezember 2006

Pkw Maut - Initiative aus Bayern

MautVor einiger Zeit wurde - unter großem technischen Aufwand und mit viel Brimborium und einigem Hickhack - in Deutschland die Maut auf Autobahnen für Lkw eingeführt. Das hat sich offenbar sehr bewährt und die Einnahmen machen sich positiv im Staatshaushalt bemerkbar: Bis Ende des Jahres wird mit 3,1 Milliarden Euro gerechnet. Trotz aller Vermutungen hieß es bislang, dass eine Maut für Pkw auf Deutschlands Autobahnen nicht angestrebt sei.

Zumindest vorläufig nicht.

CSU-Generalsekretär Markus Söder kündigte an, dass seine Partei einen Vorstoß seiner Partei an, mit der eine Pkw-Maut in Deutschland erhoben werden soll. Dadurch soll eine Angleichung an die anderen EU-Mitgliedsstaaten erfolgen, in denen eine Pkw-Maut erhoben werde. Söder meint:
"Egal, ob in Österreich, Italien, Frankreich, Spanien oder Polen - überall werden auch ausländische Autofahrer kräftig zur Kasse gebeten."
In sofern schaffe die Pkw-Maut "Gerechtigkeit". Die CSU hat bereits eine entsprechende Arbeitsgruppe eingerichtet. Noch vor Weihnachten sollen konkrete Ergebnisse vorgelegt werden. Der bayrische Innenminister Beckstein bereitet eine Jahresvignette vor, die 100 Euro kosten soll. Die Große Koalition könnte sich bereits Anfang nächsten Jahres mit der Pkw-Maut befassen, berichtet die Bild am Sonntag.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Wend, sagte dem Blatt:
"Ich würde mich der Idee, eine PKW-Maut einzuführen, nicht verschließen - auch wenn ich sie in dieser Legislaturperiode noch nicht für realisierbar halte."
Wend hält den Ansatz für richtig, dass jeder Autofahrer für die tatsächliche Nutzung der Autobahnen zahlen muss.

Wend und Söder sind übereinstimmend der Meinung, dass die Autofahrer "zusätzlich abkassiert werden". Andere Belastungen müssten reduziert werden, zum Beispiel die Kfz-Steuer oder die Mineralöl- oder Ökosteuer könnten gesenkt werden. Matthias Wissmann, CDU, sagte zu den Plänen:
"Eine elektronische Pkw-Maut wäre aus meiner Sicht vertretbar - vorausgesetzt, es kommt gleichzeitig zu einem völligen Wegfall der Kfz-Steuer."
Irgendwie muss man ja ans Geld der Leute rankommen.

(Quelle: Bild am Sonntag, Tagesschau)

Dienstag, 18. Juli 2006

Maut (2)

CitymautNoch gestern spekulierte ich darüber, dass es wohl "irgendwann in naher Zukunft eine Pkw-Maut geben wird". Bundesverkehrsminister Tiefensee (SPD) hatte noch gestern eine Pkw-Maut erneut ausgeschlossen. Was soll ich sagen? Das Lederhosenländle hat mich schneller bestätigt als gedacht. N24 und die Netzeitung berichten heute, dass Bayerns Innenministerium eine Autobahngebühr für Pkw einführen wollen. Im Gegenzug soll die Mineralölsteuer gesenkt werden.

Soweit bekannt wurde, hatte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) vorgeschlagen, eine 100 Euro teure Vignette für Pkw einzuführen. Die Mineralösteuer sollte dabei soweit gesenkt werden, dass die anfallenden Kosten für die Vignette statistisch für den Autofahrer "kostenneutral" blieben. Er rechnet mit Mehreinnahmen von rund vier Milliarden Euro, da die Vignettenpflicht natürlich auch für Durchreisende gelten wird.

Ziel ist es einerseits dem Land Bayern mehr Einnahmen zu verschaffen. Das lässt sich natürlich nicht so ohne Weiteres an den Wähler verkaufen, darum verpackt man es in andere Argumente. Und die lauten "Tank-Tourismus" und "Steuerausfall". Zunehmend müssen in den Grenzregionen Tankstellen schließen, weil die Bundesbürger sich ihren Sprit lieber billiger im Ausland kaufen, statt zu derbe überzogenen Preisen in Deutschland. Hier gehen nicht nur der Wirtschaft in Deutschland Umsätze und Gewinne verloren, sondern dem Staat auch die Steuereinnahmen.

Bin gespannt, wann das nächste Bundesland mit dieser Idee an die Öffentlichkeit geht...

(Quelle: N24, Netzeitung)

Dienstag, 20. Juni 2006

Baudenkmäler in Bayern

Bayern ist besonders bekannt für seine pitoresken Baudenkmäler. Für viele sind sie der Grund, um den Lederhosenfreistaat mit etwas eigenwilligen und zuweilen auch eigenartigen Politikern am Rande Deutschlands zu besuchen. In der bayrischen Landesverfassung steht geschrieben:
"Bayern ist ein Rechts-, Kultur- und Sozialstaat... Der Staat schützt ... die kulturelle Überlieferung"
NeuschwansteinDer Denkmalschutz ist so in der Landesverfassung verankert und verbindliches Ziel aller bayrischen Landesregierungen. Wie so viele andere Bundesländer auch, so muss auch Bayern sparen. Und das versucht man dort auch. Besonders im Denkmalschutz. Der Etat für Denkmalpflege betrug 1990 knapp 22 Millionen Euro, 2002 noch 11,5 Millionen Euro und 2006 noch ganze 5,5 Millionen Euro. Das sorgt bei vielen besorgten Menschen für helle Aufregung, denn sie denken in erster Linie an Baudenkmäler wie zum Beispiel Schloß Neuschwanstein.

Parkstadt BogenhausenWenige wissen, dass Bayern noch ganz andere Baudenkmäler zu bieten hat. Bei denen stellt man sich dann doch schon mal die Frage, was denn bitte daran jetzt so der kulturelle Wert wäre, dass man soetwas schützen müsste. Klar, die Frage des Geschmacks sollte bei kulturellen Fragen eher zweitrangig sein, aber wir reden hier nicht von Bildern, die man in irgendeinem Archiv verstecken kann, sondern von ziemlich großen Häusern, die irgendwie ziemlich auffällig in der Gegend herumstehen.

Thiemstrasze SchwabingMünchen hat eine ganze Reihe solcher herausragenden Musterbeispiele schützenswerter Baukultur. Oben gezeigt die Parkstadt Bogenhausen, die als "qualitätvolles Beispiel für fortschrittlichen Siedlungsbaus der fünfziger Jahre" steht. Die Anlage steht unter Denkmalschutz. Ebenso das hier gezeigte Wohnhaus für US-Diplomaten an der Thiemstraße in Schwabing, das zu einer "großzügig angelegten Gebäudegruppe" gehört.

Also mal ehrlich: Wegen solcher Betonkästen beantrage ich kein Visum für das Lederhosenland. Und wenn ich mir das ansehe, dann frage ich mich, wieso überhaupt noch Geld in den Denkmalschutz in Bayern investiert wird. Vielleicht sind ja die wirklich wichtigen Bauten schon lange an "ausländische Investoren" verkauft, wer weiß das schon so genau?