Dienstag, 26. Dezember 2006

Ironie und Bayern

ForenscreenshotAmokläufe und ihre Ursachen sind Themen, die hin und wieder in Deutschland für einige kontroverse Diskussionen sorgen. Seitens der "Fachleute" wird dabei zwar immer nur über "Killerspiele" diskutiert, aber wie wir alle jetzt wissen: Wer am Computer spielt, ist ein potentieller Killer. Überhaupt keinen Spass versteht man (nicht nur) in diesem Zusammenhang im Lederhosenländle von König Edmund, wie ein 29jähriger Programmierer aus München vor einigen Tagen erfuhr.

In einem Forum kritisierte der Programmierer den konstruierten Zusammenhang zwischen Computerspielen und "echter" Gewalt und schrieb sich seinen Frust ob der etwas kurzsichtigen und einseitigen Ansicht der Politiker von der Seele. Sein Statement unterzeichnete er nicht nur mit vollem Vor- und Nachnamen, sondern auch dem Zusatze "der nächste Amokläufer aus München".

Am 18.12. ging bei der Polizei in München eine anonyme(!) Anzeige ein, die von einem angedrohten Amoklauf sprach und auf diesen Forumsbeitrag hinwies. Die Polizei aus Bayern nahm die Sache ernst und leitete nach eigenen Angaben "umfangreiche Ermittlungen" ein - was wohl bedeutet, dass irgendjemand im Telefonbuch nachgesehen hat, wo der Programmierer wohnt. Mit dieser Information und dem in Rede stehenden Forenbeitrag ging die Polizei München dann zur lokalen Staatsanwaltschaft. Die wiederum sah es als erwiesen an, dass hier eine Störung des öffentlichen Friedens gegeben war und erließ deshalb einen Durchsuchungs- und und Beschlagnahmebeschluß (das ist das, was die meisten aus dem Unterschichtenbildungsfernsehen als "Durchsuchngsbefehl" kennen)

Damit wiederum rückte die Münchener Polizei bei dem Schreiber an, nahm ihn fest und stellte die Bude auf den Kopf. Vier Computer des Programmierers wurden beschlagnahmt - Waffen oder Sprengstoff wurden nicht gefunden. Immerhin: Der Autor wurde wegen "Störung des öffentlichen Friedens" angezeigt und kann für dieses Vergehen bis zu drei Jahre in den Knast wandern. Die Kosten des Einsatzes wird er unabhängig davon wohl auch tragen müssen.

Zwar hat sogar die Polizei aus München inzwischen begriffen, dass keine Androhung eines Amoklaufes gegeben war, dass es weder Pläne noch irgendeine Absicht dafür gab, aber das hindert die Polizei in Bayern nicht daran klar zu machen, dass sich die Bevölkerung in Bayern nach Ansicht ihrer Polizei durch Ironie und freie Meinungsäußerung massiv und nachhaltig gestört fühlt.

Ich fühle mich durch Bayern gestört, darf man die jetzt auch alle verhaften?

(Quelle: Bayerische Polizei, Danke Gex!)

1 Kommentar:

  1. Ich kann der Argumentation des Programmierers gut folgen und frage mich nun:

    Bin ich durch den konstruierten Zusammenhang nun auch ein Amokläufer? Müssen alle Hamburger Mitbürger nun davon ausgehen, dass ich in Kürze einem Schützenverein beitrete, nächsten Mittwoch meinen Waffenschein mache und am Donnerstag mit drei Uzis bewaffnet auf dem Hans-Albers-Platz um mich schieße?

    Der Exekutivgewalt und der Judikativgewalt in Deutschland sei hiermit erklärt, dass für den Fall, dass durch meine Fragestellung eine Störung des öffentlichen Friedens angenommen wird, ich mich bar jeder Anonymität im Internet bewege.

    Klartext: Euer vermeintlicher "Amokläufer" aus Hamburg ist unter der ladungsfähigen Anschrift abzugreifen, die sich mittels DeNIC und der Suche nach meiner Domain "deichshaf.de" in Sekunden "umfangreich ermitteln" lässt.

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