Freitag, 19. Mai 2006

No Go Areas (2)

Die Debatte um Herrn Heye und seine Äußerung geht weiter. Interessant ist der Verlauf der Diskussion und ich bin gespannt darauf, was die Resultate sein werden. Der aktuelle Verlauf lässt jedenfalls aufhorchen:
"Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble kritisierte, die Warnungen von Heye seien "verkürzt". Für die von Heye geäußerte Sorge gebe es zwar mancherlei Anlass, seine Äußerungen würden dem Thema aber nicht gerecht, sagte Schäuble auf einer internationalen Veranstaltung zur Fußball-Weltmeisterschaft in Berlin." (Tagesschau)
Irgendwie nach "Redeverbot" klingt, was an anderer Stelle geschrieben wird:
"Es sei abwegig, wenn Heye von lebensgefährlichen Orten für Ausländer im Land spricht, sagte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Und sein Innenminister Jörg Schönbohm vom Koalitionspartner CDU wies dies als "unglaubliche Entgleisung" zurück. Seitdem verweigern beide jede Stellungnahme dazu." (N24)
Die Taz befragt den Vizepräsidenten des Bundestages, Herrn Wolfgang Thierse, zu dem Thema:
"taz: Herr Thierse, Uwe-Karsten Heye hat Ausländern geraten, bestimmte Regionen in Brandenburg zu meiden. Hat er Recht?

Wolfgang Thierse: Allgemeinurteile sind nicht sinnvoll. So richtig es ist, darauf hinzuweisen, dass es in Ostdeutschland, auch in Brandenburg, deutlich mehr rechtsextremistische Leute und Gewalttaten gibt, so wenig sinnvoll ist es, No-go-Areas zu benennen."
Dazu fällt mir spontan nur eins ein: "Darwinismus", um nicht zu sagen "Sozialdarwinismus".

Herr Thierse möchte nicht, dass bestimmte Gegenden als "besonders gefährlich" benannt werden. Selbst die Kriminalämter warnen jedoch ausdrücklich vor bestimmten Gegenden. Was will er dann? Sollen die Betroffenen auf gut Glück selbst herausfinden, wo sie sicher sind und wo nicht? Es ist zwar löblich, wenn sich Herr Thierse für die Bemühungen der sich gegen die rechten Gewalttäter zur Wehr setzenden Initiativen aus der Bevölkerung einsetzt. Aber wie wäre es denn mal mit einer konzertierten staatlichen Maßnahme? Wie wäre es zur Abwechselung mal mit faktischer staatlicher Hilfe statt schöner Worte? Oder sind die Mittelkürzungen für genau jene Initiativen inzwischen vom Tisch und es wird jetzt über eine Aufstockung der Budgets geredet?
Wolfgang Thierse: "Ich widerspreche Heye auch an der Stelle, wo er sagt, das Problem werde bagatellisiert."
Da stelle ich mir die Frage, ob der Mann mal gelesen oder gehört hat, was der Herr Schönbohm so alles sagt über das Thema Ausländer und Rechtsradikale.

Unabhängig davon berichtet dpa, dass die Rechtsanwälte Peter und Heike Supranowitz am Donnerstag Herrn Heye beim Generalbundesanwalt (Kay Nehm, wir erinnern uns) wegen Volksverhetzung angezeigt haben. Laut Bild steht in ihrem Schreiben:
"Die Äußerungen von Herrn Heye sind geeignet, Teile der Bevölkerung im Land Brandenburg zu verleumden. Als Brandenburger fühlen wir uns von Herrn Heye in unserer Menschenwürde angegriffen, da er davon auszugehen scheint, dass wir in unserem Bundesland das Grundgesetz nicht respektieren und außerhalb der Rechtsstaatlichkeit stehen."
Weiter heißt es in diesem Schreiben, dass Straftaten gegen ausländische Bürger oder farbige Deutsche nicht nicht dazu führen könnten, dass ein ehemaliger Regierungssprecher in der Öffentlichkeit Pauschalurteile fällt, die strafrechtlichen Charakter haben.

Kay Nehm sagte im Deutschlandradio Kultur zu dem Thema, dass gerade in den neuen Bundesländern wären
"Situationen entstanden, dass besonders brutale Übergriffe möglicherweise dazu führen, dass bestimmte Bevölkerungsteile in diesen Gegenden nicht mehr zu leben wagen".
Der Chef der Bundestagsfraktion der Grünen, Fritz Kuhn sagte:
"Es hilft mehr, es zu skandalisieren, als immer das Händchen darüber zu halten."
Wird der jetzt auch angezeigt?

Der Direktor des Kriminologischen Instituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, sagte gegenüber der Chemnitzer "Freien Presse", dass die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zeigten, dass in Ostdeutschland die Gefahr für Ausländer, angegriffen oder geschlagen zu werden höher sei als in den alten Ländern. Insofern habe Heye nur auf etwas aufmerksam gemacht, "was jeder weiß".

Derweil nannte Peter Struck, Fraktionschef der SPD, die Äußerungen kurz vor dem Beginn der Fußball WM 2006 "überhaupt nicht hilfreich".

Fassen wir also zusammen. Herr Heye sagt etwas, was jeder weiß und wird dafür wegen Volksverhetzung angezeigt. Die Politiker übertreffen sich währenddessen gegenseitig darin ihrem Gegenüber, Herrn Heye oder sich selbst zu widersprechen - manchmal auch alles gleichzeitig oder in wechselnder Reihenfolge. Es wird munter und fröhlich vor sich hin debattiert, spekuliert, unterstellt und behauptet, nur so richtig was tun will irgendwie keiner.

Ich bin jetzt ja mal gespannt, welche Kunstgriffe ausgepackt werden, um der Bevölkerung zu beweisen, dass man das Problem der rechten Gewalt im Osten ja eigentlich vollkommen unter Kontrolle hat und das wir uns das alles bloß einbilden. Ich wäre schon fast bereit Geld darauf zu setzen, dass wir in den nächsten Kriminalstatistiken kaum noch rechte Gewalttaten im Osten finden werden. Thüringen machts vor. Und ich kann mir gut vorstellen, dass eine Art Redeverbot kommen wird und keiner mehr was zum Thema sagt: Worüber nicht gesprochen wird, darüber wird auch nichts geschrieben und was nicht geschrieben steht, ist keine Wahrheit. Nur ob wirklich was passieren wird, das wird wohl keiner so richtig sagen können - wahrscheinlich aber nichts. Abgesehen von ein paar Mittelkürzungen hier und da, ein paar Versetzungen, ein paar Schlägereien und anderen Streichen pubertierender Jugendlicher.

Bis der nächste im Krankenhaus landet.

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