Freitag, 9. November 2007

Informationsfreiheit?

JustiziaLückenlose Überwachung und uneingeschränkte Kontrolle sind die Werkzeuge, mit denen sich der Staat gegen seine Feinde wehren will. Die unbegrenzte Erfassung, Vernetzung und Auswertung aller nur denkbaren Daten will der Staat unter dem Vorwand der Bekämpfung des Terrorismus betreiben. Manche nennen den angestrengten Aufwand überfällig und begrüßen die Einschränkungen der Grundrechte der Bürger als notwendig. Andere sind da eher anderer Meinung und sehen in dem Verhalten des Staates eine drastische Überreaktion.

Der Staat, seine Politiker, die Behörden und deren Beamte bemühen sich, dem Bürger zu vermitteln, dass das alles ganz harmlos sei und alles in seinem Sinne. Nur für ihn werde dieser Aufwand getrieben, nicht gegen ihn. Als guter Staatsbürger, der sich nichts zu schulden kommen lässt hat er nichts zu befürchten. Wer sich an alle Gesetze hält, der hat auch nicht zu befürchten, dass der Staat gegen ihn "ermittelt", ihn als "Gegner", um nicht zu sagen als "Feind", einstuft. Wer kennt eigentlich alle Gesetze? Wer hält alle ein?

Welche Gesetze gelten, was deren Sinn ist und wie sie angewendet werden, das ist seit Ewigkeiten ein Thema für sich. Man denke nur an den Ausspruch "Recht haben und Recht bekommen sind zweierlei Dinge." Die Zahl der Fälle, in denen der Gesetzgeber eine Vorstellung von einem Gesetz hatte, die urteilenden Richter aber eine gänzlich andere, dürfte kaum mehr zählbar sein. Lernt der Staat aus seinen Fehlern?

Darüber kann man geteilter Meinung sein. Unsere Eltern und deren Eltern haben, zum Teil noch am eigenen Leib, gelernt, dass es eine sehr dumme Idee ist, wenn Geheimdienste und Polizei eng verwoben sind (Stichworte für die Vergeßlichen: GeStaPo, StaSi). Sie haben auch gelernt, dass es eine sehr schlechte Idee ist, wenn das Militär im eigenen Land als Mittel zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung eingesetzt wird. Die Geschichte der letzten 100 Jahre ist voll mit unmissverständlichen Beispielen und Erklärungen dafür, warum so manche "tolle Idee" eines paranoiden Sicherheitsfanatikers fatale Folgen hatte und deshalb schlecht ist.

Unser Vorteil ist deshalb, dass wir auf die Erfahrungen unserer Eltern und Großeltern, oder allgemeiner: unserer Vorfahren zurückgreifen können. Wir können uns auf Grundlage dieser Erfahrungen und dieses Wissens austauschen. Wir können Wissen weitergeben und uns so gegen die Entwicklungen wehren, die da im gestreckten Galopp durchgeprügelt werden sollen. Können wir das wirklich? Staatliche Zensur der Medien ist zwar verboten, aber wenn man alleine an das Verhalten von, um ein plakatives Beispiel zu wählen, der Suchmaschinenbetreiber im Falle Chinas denkt, dann fragt man sich doch, was da vielleicht auch auf anderer Ebene bereits praktiziert wird und was da noch so "im Busch ist". Wie war das noch mit der Idee die Verwendung bestimmter Begriffe im Internet unter Strafe zu stellen?

Sicherlich ist es erst einmal eine gute Idee™, wenn der "öffentliche Aufruf zum Begehen einer terroristischen Straftat" unter Strafe gestellt wird. Wir sind uns ja alle einig darüber, was eine "terroristische Straftat" ist, nicht wahr. Wir wissen ja auch alle, was Terrorismus ist. Wissen wir das wirklich? Wo ist der Begriff "Terrorismus" denn definiert? Und wie lautet seine Definition?

Wer weiß, dass die EU-Kommission vor hat, "die Verbreitung oder das auf andere Weise Verfügbarmachen einer Botschaft an die Öffentlichkeit mit der Absicht, dass damit zum Begehen einer terroristischen Straftat aufgerufen wird" strafbar zu machen? Wer weiß denn schon, dass es für einen nach dieser Vorstellung strafbaren öffentlichen Aufruf keine Rolle mehr spielen wird, ob damit tatsächlich "terroristische Straftaten" (welche das denn nun auch immer sein mögen) gut geheißen werden oder nicht. Wem ist klar, dass einzig die abstrakte Gefahr zu bestehen braucht, dass irgendjemand eine oder mehrere terroristische Straftaten begehen könnte? Wer weiß, wo hier die Grenzen zu ziehen sind? Und wer bestimmt, was die Grenzen sind, wie sie verlaufen und wann sie gelten?

Zwar beeilt man sich bei der EU festzustellen, dass die "Äußerung von radikalen, polemischen oder umstrittenen Ansichten in der Öffentlichkeit" von der geplanten EU-Regelung zur Bekämpfung des Terrorismus ebenso wenig eingeschränkt werden soll, wie die Verbreitung von wissenschaftlichen oder journalistischen Informationen. Aber wird das so auch im Gesetz stehen? Wohl eher nicht.

Ist doch nur ein Vorschlag? Nun, europaweit vielleicht, aber in England ist das durchaus schon geltendes Recht. Dort ist u. a. die "Verherrlichung von Terrorismus" strafbar und damit sind schon Äußerungen gemeint, die von Teilen der Öffentlichkeit voraussichtlich als direkte oder indirekte Bestärkung oder anderweitige Herbeiführung der Begehung, Vorbereitung oder Anstachelung von terroristischen Straftaten verstanden werden. Außerdem ist es in England strafbar, "terroristischen Publikationen" zu verbreiten. Auch wenn man solche "Publikationen" besitzt, um sie zu verbreiten.

Keine Frage: Terrorismus ist eine Sache, die nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf. Terroristen sind keine harmlosen Blumenzüchter. Sich um diese Gefahr zu kümmern ist richtig und die ursprüngliche Idee deshalb selbst mir einleuchtend.

Aber die Frage ist, ob die Idee und deren Umsetzung auch gut ist. Und da habe ich doch erhebliche Zweifel.

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