Donnerstag, 17. August 2006

Left Behind

Kontroverse Computerspiele gibt es ja immer wieder. Sei es nun Doom, Counter-Strike oder Grand Theft Auto, alle diese Spiele haben mehr oder weniger stark das Interesse der Medien durch die Darstellung ihrer Inhalte und Themen hervorgerufen und immer wieder Diskussionen ausgelöst. Meistens geht es bei diesen Diskussionen darum, ob die Gewaltdarstellung den Konsumenten (das ist der zumeist jugendliche Spieler) nicht zu sehr konditioniert wird. Die Gefahr ist - so die Kritiker - das am Ende Gewalt als tragfähiges und probates Mittel zur Lösung von Differenzen etabliert wird und die nachwachsenden Generationen zunehmend verrohen.

Auch wurde schon verschiedentlich angeschnitten, dass manche Spiele mehr oder weniger ganz andere Ziele haben, wie zum Beispiel Produktwerbung oder auch Anwerben für bestimmte Berufe. "America's Army" ist hier das Paradebeispiel. Ein neuer Kandidat für Diskussionen dürfte "Left Behind: Eternal Forces" werden, wie die Washington Post berichtet.

Im Kern ist "Left Behind" ein Echtzeitstrategiespiel (RTS): Gegen die Uhr mit begrenzten Ressourcen muss der Spieler ein bestimmtes Missionsziel erreichen. Was dieses Spiel aber anders macht, als andere RTS-Titel, ist der thematische Hintergrund.

Das Szenario basiert auf den ersten vier Büchern der Serie von Tim LaHaye und Jerry B. Jenkins und ist in New York angesiedelt. Es wird davon ausgegangen, dass die Gläubigen tatsächlich wie in verschiedenen Religionen angekündigt "zu Gott" geholt werden, während die Zweifler und Nichtgläubigen zurückgelassen werden - daher auch der Titel. Der Spieler übernimmt die Rolle derer, die "zurückgelassen" wurden, um den Kampf gegen den Antichristen und dessen Armee zu führen.

Der Hauptinhalt des Spiels besteht darin, die verbleibende "neutrale" Bevölkerung New Yorks von der eigenen Sache zu überzeugen und sie für die eigene Armee zu rekrutieren. Wer nicht überzeugt werden kann, muss getötet werden. Besonders hilfreich im Kampf gegen "das Böse" ist deshalb die "Beten"-Funktion, die den eigenen Truppen einen zeitweisen Bonus im Kampf gibt.

Zwar beschreibt der Chef der Firma Left Behind Games, Troy Lyndon (der auch schon für Electronic Arts arbeitete), das Spiel als "keiner speziellen Religion" zugehörig und betont, dass das Wort "Christ" nirgendwo im Spiel erwähnt wird, aber der bekannte Rechtsanwalt Jack Thompson aus Miami, der schon andere Spielehersteller mit Kampagnen erfreut hat, sieht das anders:
"In diesem Spiel geht es darum Menschen umzubringen, weil sie nicht an Jesus glauben."
Damit sind die Fronten klar abgesteckt. In der einen Ecke des Rings werden sich diejenigen versammeln, die klar zur Aussage der sehr erfolgreichen Buchreihe stehen und den bewaffneten Kampf gegen "das Böse und die Ungläubigen" befürworten. In der anderen Ecke werden sich diejenigen treffen, die das Christentum als gewaltsam missionierende Religion und damit als Gefahr ansehen.

Irendwo dazwischen werden sich die Spieler wiederfinden, auf deren Rücken und Geldbeutel dieser Konflikt mal wieder ausgetragen wird. Zwar ist das Niveau der Gewaltdarstellung im Spiel nicht sehr hoch - die Opfer kippen einfach um und es gibt weder Blut noch besonderes Gemetzel, aber es ist auch nicht die Gewalt als solche, die hier das Problem ist. Es ist die Gewalt als Mittel zur Durchsetzung eines religiösen Glaubens, egal welcher das nun im Detail sein soll.

Die Bücher, von denen weltweit mehr als 70 Millionen Exemplare verkauft wurden, verbreiten ziemlich ungeschminkt eindeutig christliche Ideen und Ideale, die nicht nur die "große Weltreligion" der Katholischen Kirche, sondern auch einige nicht ganz unumstrittene Splittergruppen mehr oder weniger hartnäckig verbreitet, siehe z. B. Die Zeugen Jehovas, Neuapostolische Kirche. Es dürfte wohl kein Zweifel daran bestehen, dass es um den christlichen Glauben geht, der hier als "der richtige Glaube" im Kern des Spiels gesehen werden soll. Es dürfte schwer sein abzustreiten, dass es auch in diesem Spiel, das sich darauf beruft auf den Büchern zu basieren, um den christlichen Glauben als "das Gute" geht. Besonders die Darstellung derjenigen, die entweder an nichts glauben oder gar an etwas Anderes, ist sehr problematisch. Da das Spiel auch in Kirchen verkauft werden wird, dürften die meiste die Aussage, dass es "nicht um eine spezielle Religion" geht, nicht viel Glauben schenken.

Ich bin gespannt auf die Diskussion hier in Deutschland, denn wegen "besonderer Brutalität" wird das Spiel hierzulande bestimmt nicht auf den Index kommen.

(Quelle: Washington Post)

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