Wie bereits vor längerer Zeit angekündigt, sieht sich Bayern genötigt, etwas gegen die ausufernde Gewalttätigkeit in unserer Gesellschaft zu tun, die ständigen und andauernden Amokläufe an unseren Schulen zu unterbinden und die schwer bewaffneten und durch alle Städte marodierenden jugendlichen Gewaltverbrecher in ihre Schranken zu weisen. Speziell mit dem Hinweis auf die Amokläufe in Bad Reichenhall (1999), Erfurt (2002) und Emsdetten (2006) formulierte man in Bayern folgenden GesetzesANTRAG, der jüngst eingereicht wurde und jetzt das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen soll:
§ 131aMit den Worten der Gesetzesinitiatoren:
Virtuelle Killerspiele
Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Spielprogramme,
die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen
oder menschenähnliche Wesen darstellen und dem Spieler die Beteiligung an dargestellten
Gewalttätigkeiten solcher Art ermöglichen,
1. verbreitet,
2. öffentlich zugänglich macht,
3. einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überlässt oder zugänglich macht oder
4. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie im Sinne der Nummern 1 bis 3 zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen.
"Das vorliegende Gesetz sieht ein Verbot von virtuellen Gewaltspielen vor. Es erfasst Spielprogramme, die grausame oder unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen darstellen und dem Spieler die Beteiligung an dargestellten Gewalttätigkeiten solcher Art ermöglichen."Selbstverständlich umfasst der Gesetzesantrag noch eine ganze Reihe mehr an Verboten und Strafbestimmungen und so weiter. So soll es zum Beispiel zukünftig Erziehungsberechtigten verboten sein, dem eigenen Nachwuchs "nicht altersgemäße Inhalte" zugänglich zu machen. Begründet wird diese nach Ansicht Bayerns unumstrittene Inkompetenz der Eltern wie folgt:
"Es besteht kein legitimes Bedürfnis für Erziehungsberechtigte, exzessive Gewaltdarstellungen Jugendlichen oder gar Kindern zugänglich zu machen. Das Erzieherprivileg wird daher ersatzlos aufgehoben."Wer Bayern kennt, der wird sich natürlich nicht über weitere, verklausulierte Forderungen wundern, die zum Beispiel beinhalten, dass sich Spiele "explizit an den ethischen Grundregeln unserer Gesellschaft" orientieren und Verstöße dagegen automatisch zur Indizierung führen. Offen bleibt, wo denn genau diese "ethischen Grundregeln unserer Gesellschaft" verbindlich festgeschrieben wurden und wer diese überhaupt definiert. Solche Kleinigkeiten allerdings hindern Bayern nicht daran, entsprechendes Wunschdenken in den Gesetzgebungsprozess einzubringen.
Selbstverständlich sieht Bayern auch die USK in ihrer gegenwärtigen Form als wenig geeignet an, das angestrebte Ziel zu erreichen. So wird proklamiert, dass die USK "in der Kritik" stehe, wobei offen bleibt in welcher und in wessen Kritik die USK denn wohl steht.
Nun wäre es schön, wenn man abwinken könnte "ach ja, die Bayern mal wieder", aber man sollte zweierlei bedenken: Erstens hat Niedersachsen bereits angekündigt, dieses Gesetzesvorhaben zu unterstützen und zweitens steht die Neuregelung der Gewaltspiele verpflichtend im Koalitionsvertrag.
Warum ist das wichtig? Deutschland ist der größte Absatzmarkt für Computerspiele in Europa. Wenn dieser Absatzmarkt, so wie hier gefordert, "trocken gelegt" wird, dürfte sich ein nicht unwesentlicher Wirtschaftsfaktor aus Deutschland verabschieden. Nicht zu vergessen, dass eine Novellierung der Spiele mit ziemlicher Sicherheit auch eine Novellierung der Filme und übriger Medien nach sich ziehen wird. Sollte sich tatsächlich die Spiele- und Medienbranche aus Deutschland zurückziehen, hat das langfristig nicht unerhebliche Konsequenzen, denn diese beiden Bereich gelten als diejenigen mit erheblichem Wachstumspotential und umfassen erhebliche Mengen an Kapital.
Ich traue Bayern durchaus zu, dass man dort meint, was man sagt. Allerdings ist mir die Denkweise nicht geheuer, die hinter folgender Argumentation steht: "Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass insbesondere sog. Killerspiele" "für bestimmte labile Charaktere auch eine stimulierende Wirkung haben können. Zwar sind einzelne Auswirkungen von Gewaltspielen noch umstritten. Zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse legen aber eine nachteilige Wirkung gerade auf Jugendliche nahe." Man vermutet, dass es so sein könnte und deshalb hält man es für besser, wenn man erstmal alles verbietet. Es gibt zwar massenhaft gegenteilige wissenschaftliche Erkenntnisse, aber die sind - wen wunderts - völlig uninteressant.
Noch mal ganz deutlich: Wegen ganzer drei Gewalttaten von nachweislich durch die Maschen des ebenso nachweislich völlig maroden Schulsystems gefallenen Problemfällen will Bayern nicht nur den Eltern jegliche Kompetenz zur Erziehung des eigenen Nachwuchses absprechen, sondern gleichzeitig auch noch massiv in die Medienlandschaft eingreifen, um ein den Vorstellungen der erzkatholischen, erzkonservativen und inzwischen sehr weit rechts im politischen Spektrum anzusiedelnden "gesellschaftlichen Ethik" entsprechendes Dogma aufstellen zu können.
Wegen drei von zig Millionen Gamern, die tagtäglich mit der Materie umgehen. Ins entsprechende Verhältnis gesetzt müsste Autofahren in Deutschland seit Jahrzehnten illegal sein, weil zig Tausende dadurch ums Leben gekommen sind. Gemessen daran, wieviele Straftaten unter dem Einfluß von Alkohol begangen werden, müssten auf Vertrieb und Konsum (etc.) von Alkohol in Deutschland drakonischste Strafen stehen. Wie war das noch mit der Verhältnismäßigkeit?
Es geht hier den Bayern wahrscheinlich nicht darum, dass etwa die Jugend geschützt werden soll. Das zeigt sich in aller Deutlichkeit im Herangehen an diese Problematik und das damit konfrontierte Umfeld. Es geht wohl eher darum, dass die inzwischen weit hinter der aktuellen technologischen Entwicklung zurückgefallene Generation der Opa-Almöhis aus der Generation von Eddie und seinen zu befürchtenden Nachfolgern ihre Sicht auf die Welt entsprechend der 1950er und 1960er Jahre zementieren will. Es geht hier um nicht weniger als den Konflikt zwischen "früher" und "heute". Was Bayern hier stellvertretend für die CDU/CSU Koalition etablieren will, hat wenig mit "echtem Fortschritt" zu tun, mit Aufklärung und verantwortungsbewustem Umgang mit Problemthemen, sondern ist deutlich erkennbar im Verbotsdenken der mittelalterlichen Kirchendogmatik verhaftet.
Es ist nicht nur mehr als fraglich, was diese angestrebten vielfältigen Verbote bewirken sollen, es ist auch um so erschreckender, wie sehr zwar vorgeblich auf die ach so gewalttätige Jugend abgestellt wird, die ja geschützt werden soll, wie wenig aber tatsächlich für genau diese Jugend getan wird. Ein Verbot ersetzt keine gescheiterte Schulpolitik auf Bundesebene. Ein Umgangsverbot auf Bundesebene ersetzt keine Aufklärung in den Sozial schwachen Schichten und ein Handhabungsverbot ersetzt erst recht kein verantwortungsbewußtes Umgehen von Eltern gemeinsam mit ihrem Nachwuchs mit der Materie, der sich den Stoff eh beschafft. Und das nicht etwa durch die Eltern, sondern ohne deren Wissen und ohne deren Kenntnis.
Was das hier angestrebte Verbot, das eine massive Kriminalisierung verschiedenster Bereiche der "neuen Medien" beinhaltet, auf der einen Seite durch Übertreibung und Dramatisierung und unbewiesene Behauptung an Abschreckung aufzubauen versucht, greift es an der entscheidenden Stelle eklatant zu kurz, nämlich da, wo es tatsächlich gilt zu helfen und das ist vor allem bei den Familien, deren soziale Position in der Gesellschaft vom Staat zunehmen ignoriert und verkannt wird.
Oder wie war das noch mit "es gibt keine Unterschicht"? Weil nicht sein kann was nicht sein darf?
Armes Deutschland.
Die Spiele sind das eine. Interessant wird das Ganze dann noch mit dem Kommentar eines bayerischen Politikers: Man erhofft sich mit einem Verbot ein besseres Druckmittel gegen Internetprovider.
AntwortenLöschenDa bekomme ich echt Ausschlag.
Meine Meinung: Wenn Spiele mit gewaltdarstellungen verboten werden, müssen auch sämtliche Gewaltdarstellungen in Filmen und Fernsehen verboten werden. Jagdpächter üben reale Gewalt aus und gehören demnach für ein Jahr in den Knast. Und was in Schützenvereinen passiert ist auch Gewaltdarstellung - also auch die verbieten.
Ach hups - hatte ich vergessen - die haben ja eine Lobby und "sind ja etwas ganz anderes" und "nicht so schlimm".
Ach was. Alles nicht so schlimm. Wir setzten dann mal den Rotstift an und zensie... Verzeihung, das dürfen wir ja nicht, also zensieren wir nicht, sondern verbieten den Umgang mit so menschenverachtenden Spielen, die einen Begriff wie "Bauernopfer" geprägt haben.
AntwortenLöschenOder Brettspiele, bei denen das explizite Ziel ist, den Gegner zu schlagen und in der eigenen Base respawnen ... Verzeihung, aus dem eigenen Haus wieder anfangen zu lassen.
Gebt mir eine Woche Zeit, einen Block und einen größeren Stapel Vordrucke für Inizierungsanträge, dann wander ich mal durch ein paar Spielzeuggeschäfte.
Ach, und Deichshaf: Nein, Schützenvereine sind nicht schlimm und haben keinen schädlichen Einfluss. Das muss so sein, denn Großherzog Edmund hat sich selbst davon überzeugt, und was für ein vorbildlicher Demokrat und wertvolles Mitglied unserer Gemeinschaft der ist, wissen wir doch alle spätestens seit seinen Aussagen zum Bundesrat, oder?
Das dürfte auch das ende jeglichen Kampfsportes bedeuten.
AntwortenLöschenAlso keine Boxclubs mehr in sozialen Brennpunkten.
Werden sich die Kids wohl wieder auf der Strasse die Kopfe einschlagen.
Ach ne, das ist ja verboten. Dann ist ja okay.
Schön das sich der Gesetztesentwurf, nur auf Programme bezieht. Damit ist das Schachprogramm verboten, von wegen Bauernopfer und so, wogegen ich mit dem normalem Schachbrett, meinem Tötungstrieb an echten Figuren ausleben kann.
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