Dienstag, 19. Juni 2007

Bilder, Web 2.0 und Zensur

Flickr, eine "Web 2.0" Einrichtung, in der Anwender ihre Fotos ausstellen, die Fotos anderer Benutzer kommentieren und auch gezielt nach Fotos suchen können, steht zur Zeit heftig in der Kritik. Nicht etwa von außen, sondern von Seiten der Nutzer. Konkret wird Flickr, das zu Yahoo gehört und ein direktes Konkurrenzprodukt zu Picasa von Google ist, Zensur vorgeworfen.

Anwender können und müssen beim Hochladen ihrer Bilder diese einschätzen und eine Art Bewertung vergeben, ob diese Bilder vollkommen unbedenklich sind, oder ob sie in irgendeiner Form anstößig sein könnten. Im Moment gibt es drei solcher Kriterien, in aufsteigender Form:
unbedenklich: Bilder sind für ein breites, öffentliches Publikum geeignet
mittel: Einige der Bilder könnten andere Personen als störend oder unangemessen empfinden
eingeschränkt: "Fotos, die Sie nicht Ihren Kindern, Ihrer Großmutter oder Arbeitskollegen zeigen würden"
Soweit, so gut. Eine Kategorisierung der hochgeladenen Bilder ist richtig und sinnvoll. Allerdings nimmt sich Flickr eine Freiheit, die manchen Usern zu weit geht. Die besteht darin, dass zum Beispiel Anwender aus Deutschland all jene Bilder nicht sehen können, die anders als "unbedenklich" eingestuft sind. Diese Regelung ist ausnahmslos und es gibt keinen Workaround.

Der Kernvorwurf in Richtung der Betreiber lautet, dass Flickr zensiere und lange nicht so frei sei, wie es sich selber darstelle. Die Betreiber von Flickr schweigen zu diesen Vorwürfen weitestgehend. Der Gründer dieser Firma schreibt dazu, dass es keine andere Lösung gab, als für Deutsche die Funktion "SafeSearch" nicht abschaltbar vorzugeben. Flickrs Community Managerin Heather Powazek Champ wehrt sich gegen den Vorwurf der Zensur. Sie verweist darauf, dass Deutschland "strengere Gesetze zur Alters-Prüfung" habe als seine Nachbarn "und außerdem viel härtere Strafen, einschließlich Haft". Sie schiebt dem deutschen Rechtssystem die Schuld zu, indem sie folgert, dass es entweder den Zwangsfilter für die Deutschen gäbe, oder Haft für die Mitarbeiter.

Die Betreiber argumentieren, dass das am deutschen Recht liege und das Flickr all diese Einschränkungen nur mache, um dem deutschen Recht genüge zu tun. Eine einfache Suche nach einschlägigen Stichworten belegt jedoch, dass es damit nicht so weit her sein kann: Ohne Probleme lassen sich zum Beispiel NS-Materialien finden, auch solche anderer in Deutschland verbotener Organisationen, aber auch rassistisches oder anderes rechtlich problematisches Material.

Die sich daraus ergebende Diskussion ist nachvollziehbar und richtig. Amerikanische Firmen sind noch immer zu oft der Meinung, sie wüssten genau, was für den europäischen und speziell den deutschen Markt das richtige Vorgehen sei - das Desaster von Walmart hat sich offenbar nicht weit genug herumgesprochen. Tatsächlich ist das Problem von Flickr sehr gut nachvollziehbar: Wer bestimmt Materialien in Deutschland anbietet, der macht sich strafbar.

Dem versucht Flickr irgendwie aus dem Weg zu gehen. Da es keine Automatismen gibt, die den Inhalt von Bildern bewerten, müssen das Menschen tun. Menschen sind aber einerseits fehlbar und andererseits sehr sehr teure Arbeitskraft. Von daher entschied sich Flickr wahrscheinlich für den "Easy way out" und sperrte kurzerhand alles, was von irgendwem irgendwie für anstößig gehalten wurde, unabhängig davon, ob es nun nach deutschem Recht problematisch war, oder nur irgendjemand meinte, es könnte sich irgendwer daran stören.

Das diese Lösung nicht perfekt ist und das diese Lösung erhebliche Mängel hat, ist leicht zu belegen, siehe oben. Kritik daran ist deshalb inhaltlich richtig und auch zulässig, solange sie sachlich bleibt. Flickr jedoch ignoriert diese Kritik nach außen, hüllt sich in Schweigen und bleibt "stur". Das wiederum kommt bei den Usern gar nicht gut an. Sie überziehen Flickr mit Protesten und posten Bilder, auf denen sie ihren Protest kundtun.

Das wiederum geht Flickr nun doch zu weit und die Protestbilder werden ihrerseits wieder zensiert, was die Protestwelle erst so richtig anfeuert. Der Gründer von Flickr, Stewart Butterfield, verteidigt dieses Vorgehen wiederum mit dem Argument der Interessen der Benutzer:
"Wir fingen an Beschwerden von Leuten zu bekommen, die Fotos sehen wollen und weil es das ist, wofür dieses Feature da ist, haben wir alles entfernt, was kein Foto ist. Damit kehren wir dahin zurück, was wir normalerweise machen. Übrigens haben wir damit nur vorübergehend aufgehört, damit die Leute Dampf ablassen konnten, aber es ist nicht fair, anderer dabei zu behindern, Flickr zu benutzen, um eine Meinung zu verbreiten."
Die User scheinen das völlig anders zu sehen. Die Debatten in den Flickr-Foren sprechen eine sehr eindeutige Sprache und die Entwicklung der Nutzung scheint auch dafür zu sprechen, dass die Anwender das Verhalten der Betreiber von Flickr nicht wirklich tolerieren.

Es wird sich zeigen, ob der Druck der Kunden am Ende dazu führt, dass Flickr sich dem Problem stellt, oder ob auch hier die Kohl-Taktik angewandt werden soll ("einfach aussitzen"). Im Endeffekt wird diese Diskussion jedoch tendenziell zum Vorteil der Mitbewerber sein (den Makel "irgendwas war doch da mit Zensur und löschen und so" wird man im Netz nicht so schnell wieder los) und - vorausgesetzt die Anwender bekommen diesen naheliegenden und logischen Schluss hin - zu einer Diskussion darum, wie es im deutschen Recht um Zensur bestellt ist. Das ist schließlich der Auslöser des Ganzen und diese Diskussion ist schon sehr viel länger notwendig: Das deutsche Rechtssystem geht noch immer davon aus, dass die Zensur bestimmter Gedanken der richtige Weg sei, um dieses Gedankengut zu bekämpfen. Ein Ansatz, von dem die Geschichte der Menschheit über Jahrtausende hinweg bewiesen hat, dass er falsch ist.

(Quelle: Spiegel, Flickr)

3 Kommentare:

  1. Wer braucht Flickr? Und wer braucht YouTube?

    Mal ehrlich: Die Menge unbrauchbarer Fotos bei Flickr und Videos bei YouTube (mitsamt sämtlichen Derivaten) übersteigt meiner Meinung nach bei Weitem die Menge der Nutzdaten.
    Es ist ein toller Dienst, das ist klar. Doch er wird zu 90% zugemüllt mit Sachen, die sich 20 Leute ansehen und die nur mit viel Glück mal einen 15-Minuten-Ruhm-Erfolg haben, weil es möglicherweise mal ein paar mehr Leute "so schlecht dass es schon wieder gut ist" finden.

    Die ernsthaften/guten/brauchbaren Beiträge bei den Portalen halten sich in Grenzen; nach echten Perlen sucht man lange. Und meist vergebens.

    Dass Flickr sich dankenswerter Weise jetzt selbst die Gnadenkugel gibt, erlöst uns aber nicht von dem hohen Schrott-Anteil. Der wird weiterhin hochgeladen - nur eben an anderer Stelle. Vergleichsweise der Müll-Exporte der Landesregierungen...

    Was Flickr an Zensur betreibt ist mir egal. Ich veröffentliche meine Fotos ohnehin an anderer Stelle (dafür habe ich meinen eigenen Webspace mit einer schicken kleinen Galerie) und produziere keine Videos, die ich nun unbedingt der breiten Masse andienen will. Dann lieber einen kleinen Nutzerkreis, der bekommt was er sucht, wenn er auf meine Seite geht.

    Was Flickr an Zensur betreibt ist natürlich all denen, die Massen von Fotos dort hochgeladen haben, nicht egal. Bedeutet es doch möglicherweise, dass derer Arbeit Früchte von niemandem genossen werden können. Aber wer von denen, die dort bislang veröffentlicht haben, hat das denn beruflich gemacht? Vermutlich ein so verschwindend geringer Teil, dass die paar Leutchen weltweit nur einen Reisebus füllen würden. Der Rest betreibt es als Hobby, nutzt einen kostenlosen Dienst zur Selbstinszenierung und beschwert sich, wenn es dann Änderungen an den Spielregeln gibt.
    Natürlich bedeutet ein Umzug zu einem weniger restriktiven Anbieter eine Menge Arbeit. Aber hey, das ist ein Hobby! Spaß! Privatvergnügen! Und nicht etwas, was einem entgangene Einnahmen beschert, wenn es nicht mehr von allen gefunden wird.

    Achja eines noch: Diese Zensur betrifft ausschließlich die Suchfunktion, nicht die Anzeige. Das heißt *zu sehen* bekommt man nach wie vor alles - nur eben umständlicher.

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  2. DeichShaf said...

    "(dafür habe ich meinen eigenen Webspace mit einer schicken kleinen Galerie)"

    Link?

    Das Problem, mit dem Flickr meiner Meinung nach sehr ungeschickt umgeht, betrifft aber nicht nur diesen Dienst, es betrifft jeden im Netz. Die Situation ist die, dass irgendeine Firma glaubt, sie hätte diese oder jene Verpflichtung, dem Anwenderkreis X irgendwelche Informationen vorzuenthalten, dem Anwenderkreis Y jedoch nicht. Flickr macht in diesem Fall mit "uns Deutschen", was Google (und andere) mit China machen. Darum meine ich, dass sich die Kritik zwar an den "richtigen" Adressaten richtet, die Forderung aber anders aussehen müsste. Denn nicht Flickr "macht" das Gesetz, sie befolgen es. Aber aufgrund der Wirtschaftsmacht können die "großen" der Wirtschaft zusmannen Einfluß darauf nehmen, wie diese Gesetze aussehen.

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  3. deichschaf meint, bei flickr gäbe es nur Schrott, man müsse nach "Perlen", sprich guten Fotografen/Bildern suchen und folgert schließlich, daß ihm die Zensur egal ist.

    Mit der Meinung, daß es da nur Müll gibt kann ich leben. Mir ist es zwar noch nie schwer gefallen, dort absolut hochwertige Bilder zu finden aber gut, ich bin halt nicht jedermann...

    Richtig daneben finde ich allerdings, wenn jemandem ein Verhalten wie es Flickr derzeit betreibt, egal ist, am Arsch vorbei geht. Am liebsten noch mit den Schultern zuckend "was geht mich das an" sagt.

    Unter den besten Bildern, die ich bei Flickr gesehen habe (von den Metadaten will ich mal gar nicht sprechen) waren nicht wenige journalistischer Natur. Es waren vielleicht keine Profis, aber sie hatten eine Kamera und haben festgehalten, was in ihrer Umgebung abgeht und haben ihre Fotos kommentiert.
    Es waren Bilder aus dem Libanon, während des Krieges, aus Afrika, aus Slums in Brasilien und so weiter.

    Keine Presse vor Ort, trotzdem Bilder und Zensur ist egal? *kopfschüttel*
    Es betrifft nicht mich , weil ich dort Bilder hatte und MEINE Bilder zensiert wurden. Es werden die Bilder von anderen zensiert und auch solche, die wichtig sind.
    Es geht nicht um irgendwelche Nippel und Porn, sondern darum, das hier freiheitlich, demokratische Grundwerte beschnitten werden.

    Und es ist ein Irrtum, zu meinen, daß davon nur die Suchfunktion betroffen ist.

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