Dienstag, 17. April 2018

Diamantene Bestattungsdebatte

Industriediamanten sind jetzt weder neu noch schwarze Magie. Man nehme Kohlenstoff, ausreichend viel Druck und Hitze und irgendwann kommt da ganz am Ende was Glitzerndes raus. Etwas "neuer" ist hingegen die Idee, als Kohlenstoffträger die Asche des gestern eingeäscherten Morgenkaffeewegtrinkers nehmen. Alternativ auch die des endlich den eigenen Kochkünsten erlegenen Ex-Gatten. Oder wessen auch immer. Das wird allerdings auch schon seit diversen Jahren kommerziell angeboten und ist nun wirklich alles andere als "neu". Natürlich in den USA. Nicht in Deutschland. Da scheint das "bleeding Edge" zu sein.

Lange war es um dieses Thema völlig still. Warum auch nicht? Völlig unspektakuläre Geschichte und als Idee jetzt auch nicht so total bekloppt. Zumindest verglichen mit manchem, was mir sonst so unter die Finger kommt. Da gehört das noch zu den eindeutig harmlosen Ideen. Warum auch nicht? Wer mir mein ganzes Leben lang wichtig war, den möchte ich vielleicht auch nach dem Ableben nahe bei mir haben. Und sein wir mal ehrlich: Nicht jeder hat Bock, sich auf Jahre und Jahrzehnte hinaus um ein streng reglementiertes Blumenbeet kümmern zu müssen.

Unspektakulär, dachte ich. "Who cares?", dachte ich.

Offenbar ist aber jetzt bei den Kirchen angekommen, dass es diese Möglichkeit der... äh... Ahnenverwertung gibt, weil wiederum neulich bei der Politik angekommen ist, dass es diese Methode doch schon seit mindestens gestern gibt. Angesichts des Innovationsdrangs Deutschlands quasi "brandneue Sache" (*Euro in die schlechte-Wortwitze-Kasse werf*) Vermutlich ist die Politik von selber darauf gekommen, weil irgendjemand damit 'nen Euro machen will. (Nein, dafür gibt's jetzt keinen Euro.)

Es geht genauer um Brandenburg. Schon Ende September vergangenen Jahres wurde in Potsdam im Landtag darüber beraten, ob man nicht vielleicht auch Verstorbene in - kein Witz - denkmalgeschützten Grüften und Mausoleen einlagern können sollte. Also das war jetzt selbst mir als Konzept zu modern. Die Überreste von jemandem in sonem Kasten einmotten lassen, der denkmalgeschützt ist? Auf einem Friedhof? Wo andere ihre Toten verscharren lassen? Völlig absurde Vorstellung!

Offenbar nicht ganz so absurd, sondern nach dem Brandenburger Bestattungsgesetz nicht erlaubt. Mal ehrlich: Wer denkt sich sowas aus? Welche Farbe hat der Himmel bei denen? Was nehmen die? Warum krieg ich nichts davon ab? Fragen über Fragen. Außer dieser weltbewegenden Frage sollte nebenbei auch noch über die sogenannte "Diamantbestattung" nachgedacht werden. Wenn schon Modernisierung, dann richtig, woll?

Vermutlich wurde oft genug nachgefragt und der Landtag hat sich damit beschäftigt. Warum eigentlich? Ist das nicht egal, was ich mit dem Kadaver meines endlich ruhig bleibenden Schlafverhinderers aus dem Nachbarbett mache? Nein, ist es nicht. Ich war tatsächlich auch etwas überrascht, aber, nunja. Deutschland.

Kurz gefasst: Die CDU ist pauschal dagegen. Die SPD findet die Idee nicht völlig blöde, will aber irgendwelche komplizierten Gesetze und Verordnungen. Die AfD ist auch dagegen, weil mit der Diamantbestattung der Islam Deutschland überrennen kann. Auch das ist leider kein Witz.

Offenbar schaffte es das Thema wieder auf die Liste dringender Themen, mit der sich Menschen mit vermögenden Bekannten, zu wenig Geld und zu viel Zeit für noch viel seltsamere Ideen (vulgo: "Politiker") so beschäftigen. Deshalb sah sich der evangelische Bischof Markus Dröge zu einer öffentlichen Stellungnahme veranlasst. Und das wiederum landete auf meinem Schreibtisch (und jetzt hier). Mal ganz abgesehen davon, dass ich bis gerade nicht im Traum daran gedacht habe, dass Kadaver in Diamanten verwandeln in Deutschland illegal sein könnte. Andererseits... Deutschland...

Egal wie, jedenfalls hat sich Bischoff Dröge offiziell gegenüber dem Evangelischen Pressedienst zu diesen Plänen geäußert:

"Es mag zunächst nachvollziehbar sein, dass man ein Stück des geliebten Menschen nah bei sich behalten möchte"

Achwas?

"Aber es bedeutet, dass man das, was vom Körper des Verstorbenen übrig bleibt, aufteilt und für sich behält. Er wird zur Sache."
(Markus Dröge, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz)

Hä? Aufteilen und Sache? Ernsthaft? Ja, ernsthaft. Das mit der "Sache" ist so eine Sache (Ich hab's heute mit den guten Wortspielen). Eine Leiche ist im juristischen Sinne wahrscheinlich eine Sache. So ganz genau haben sich Gesetzgeber und Gerichte da in den vergangenen zweihundert oder dreihundert Jahren noch nicht geeinigt, je nach dem, wie lange zu dem Thema bereits Papier vollgekritzelt wird. Allerdings kann an menschlichen Leichen in Deutschland kein Eigentum erworben werden. Das geht schon auf das Reichsgericht zurück, nämlich auf RGSt (Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts für Strafsachen, auch kein Witz, das gibt es wirklich und ist heute noch relevant) Band 64, 313, 315 zurück, wo es heißt: "dem Herkommen und den Gepflogenheiten aller Kulturvölker widersprechen würde, den Leichnam eines Menschen als eigentumsfähige Sache zu behandeln."

Das wäre in jedem Fall ein spannender Rechtstreit, wenn jemandem die verdiamantete Omma geklaut wird und der hinterher wegen Störung der Totenruhe verknackt wird, statt wegen Diebstahls. Aber sei es drum. Das sind letztendlich theoretische Debatten, die dem Normalsterblichen ziemlich am Arsch vorbei gehen dürften. In Deutschland jedenfalls darf im Augenblick kein Leichnam zu Diamanten verarbeitet werden. In der Schweiz geht das aber recht problemlos ("Achwas?") und letzten Endes stellt sich mir die Frage, was "die" da wieder für einen Alarm um ein Thema machen, dass doch eigentlich nur noch die Hinterbliebenen und die Bestatter... Oh. Sekunde.

Könnte es sein, dass es der Kirche am Ende weniger um die Frage geht, wem denn nun der Kadaver "gehört"? Ich mein, die Kirche hat ja auch wenig Hemmungen im Umgang mit den Überresten Verstorbener. Wer sich schon mal mit den Gepflogenheiten der Weiternutzung freizumachender Grabstellen beschäftigt hat oder wie mit solchen, der Kirchenensteuerzahlungshistorie "ungeklärt" ist, weiß das. Da wird rigoros und frei jeglicher Emotionalität mit dem Bagger und der Aktenlage agiert.

Für die Kirchen ist das Beerdigungsgeschäft neben der Kirchensteuer eine recht lukrative Angelegenheit, bei der gerne beide Hände, der Klingelbeutel, der Opferstock und ein zufällig rumstehender Zehnlitereimer aufgehalten werden. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass da jeder noch so kleine Pfurz akribisch, teilweise mit Stoppuhr abgemessen (auch kein Witz, leider), in Rechnung gestellt wird. Selbst die nur für 10 Minuten brennenden Altarkerzen wurden uns damals komplett in Rechnung gestellt, obwohl die mit Sicherheit weder neu waren, noch hinterher uns gegeben oder verschrottet wurden.

Das knapp 30 minütige und zurückblickend reichlich unspektakuläre Ritual inklusive Beerdigung und auf 20 Jahre gemieteten 4 Quadratmetern Blumenbeet war mit nördlich von deutlich 3 Kilo Euro kein kleiner Posten auf der Rechnung. Und damit war es ja nicht getan. Grabstein, Gärtner, Grabeinfassung und so weiter sind Positionen, die manchem Hinterblieben begeisterte Sorgenfalten auf die Stirn zaubern können. 15.000 Euro waren ganz schnell weg.

Wie mein damaliger Schulfreund, Holger (nein, nicht Du, Holger, der andere), schon vor vielen Jahren zu sagen pflegte: "Eigentlich betreiben wir da nur rituelle Sondermüllentsorgung, an der alle anderen gut verdienen." Recht hat er, denn "sterben" ist über alles gesehen ein verdammt lukratives Geschäft, an dem eben auch die Kirchen gerne und gut mitverdienen. Dass deshalb gerade von dieser Seite nicht mit überschwänglicher Begeisterung darauf reagiert wird, wenn eine Form der Verehrung Verstorbener eingeführt werden soll, an der die Kirche so ziemlich gar nichts verdient, ist gut verständlich. Die Argumentation aber auf die "Sache" abzustellen, zu der der Leichnam dann ja wird, finde ich reichlich heuchlerisch, denn zufällig will der Herr Bischoff gleichzeitig eine Bestattungspflicht für alle auf einem Friedhof im Gesetz verankern lassen.

Natürlich nur der Sache wegen.

1 Kommentar:

  1. Schau Dir mal den Film "Die Oma ist tot" an, um eine grobe Vorstellung davon zu bekommen, was passiert, wenn die Verblichene in einer Dachtransportbox ins Heimatland zum Zwecke der Inhumierung transportiert werden soll, ebenjene Dachtransportbox nebst dem unten daran befestigten Vehikel allerdings ungeahnt neue Besitzer (jedoch nicht Eigentümer!) findet :-)

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