Freitag, 20. April 2018

Was Gegen Unkraut Einkaufen (14)

Im Laufe der Jahre hat es im Einkaufsverhalten des Autors ein paar Veränderungen gegeben. Die meisten Einkäufe finden inzwischen in Begleitung der dauerhaft verbandelten Lebensabschnittsverschönerin (beringt) statt. Der Rucksack wird nur noch selten für Einkäufe benutzt, da ein komfortables und motorisiertes Gefährt den Alltag gleichermaßen bereichert. Auch der Lebensmittelpunkt wurde geografisch etwas mehr in die Peripherie meiner Lieblingsstadt verlagert und man haust jetzt nicht mehr im Zweizimmer Wohnklo, sondern wohnt. Respektabel und auf zwei Etagen.

Da die Herzallerliebste bei der Wahl der damals noch zukünftigen Wohnstätte auf eine unmittelbar angeschlossene und im Idealfall sogar dem Domizil zugehörige Grünfläche angemessener Größe gesteigerten Wert legte und diesen Wunsch eloquent und mit Nachdruck zu artikulieren pflegte, haben wir jetzt etwas, das in Ermangelung anderer Begrifflichkeiten als "Garten" bezeichnet werden mag.

Die vormaligen Behauser der jetzt von uns belegten Wohnstatt widmeten der botanischen Anlage derselben offensichtlich gesteigertes Desinteresse, das sich offenbar in jährlicher Rasenkürzung und noch seltener stattfindender Fokussierung auf sich dort etwa ausbreitende Fremdflora der Gattung Taraxacum, Bellis perennis und Ranunculus äußerte. In Folge dieser intensiven Pflege können wir einen größeren Prozentteil der Weltjahresproduktion an Löwenzahn aus eigener Zucht beisteuern. Wenn dadurch nicht der Rest des Rasens langsam aber sicher verrecken würde - mir wäre es egal. Aber so?

Wir... Nein. Ich. Ich hielt es für eine gute Idee, dem wuchernden Problem händisch-mechanisch zu Leibe zu rücken. Ein postmodernes, an den Film Ghost Busters gemahnendes Werkzeug versprach effiziente und kraftsparende Beseitigung der in dieser Masse schlichtweg unerwünschten Gewächse. So verbrachte ich den Sommer des vergangenen Jahres, mit stetig sinkender Euphorie, mehrere Stunden vieler Tage damit, quadratmeterweise Grünfläche in eine Kraterlandschaft zu verwandeln: Zwei Quadratmeter - eine Stunde.

Diese Krater wollen wieder befüllt werden. Mit Dreck. Aus'm Sack. Gibt's im Laden. Scheiße schwer und handlich, wie es nur Dreck im Sack sein kann. Damit kann man dann lässig die nächsten anderthalb Stunden verbringen, denn das Tückische ist, dass sich diese Krater im Restrasen tarnen und man die nach kürzester Zeit einfach nicht mehr sieht, bis man sie stolpernd und sich malerisch auf die Fresse legend doch wiederfindet.

Das Frühjahr dieses Jahres läutete ich ein mit dem festen Willen, dem Kraut endgültig an den Kragen zu gehen. Der erste Wochenendmorgen mit erträglichen Außentemperaturen und ausbleibendem Niederschlag war meiner und sollte das Ende der grünen Plage werden. So mein ambitionierter Plan.

Nach nur drei Stunden pflückte mich meine Angebetete mit gar liebreizender Stimme aus dem Wirken:

"Samma, hast Du 'nen Knall?"

"Oha", dachte ich mir, "mich deucht Kritik ob meines Einsatzwillens". Und deshalb gab ich voller Aufmerksamkeit und Liebe gewohnt eloquent und wohl akzentuiert zurück:

"Wa...?

Im Schweiße meines Angesichts hatte ich eine doch recht überschaubare, vormals einigermaßen einheitlich ebener und vor allem grüner Fläche in eine formidable, überwiegend braun-graue Kraterlandschaft verwandelt, neben der sich ein bemerkenswerter Haufen vor sich hin verrottenden, weil jetzt heimatlosen Grünzeugs erhob. "Gut", dachte ich mir, "schön geht anders. Aaaber..." Die nächsten paar Stunden verbrachten wir damit, das Erdreich zu flicken und wenigstens ansatzweise wieder in so etwas Ähnliches wie eine horizontale Fläche zurück zu verwandeln.

Wir hatten sowas von die Schnauze voll. Beide. Gründlich.

Fachhandel, die Erste

Wir beschlossen, den örtlichen Marketender für dekorative Grünflächengestaltung und Heimwerkerbedarf mit dem Biber im Logo aufzusuchen. Nach ausgiebiger Schilderung der Ausgangslage und noch ausgiebigerer Schilderung der Folgen meines unkontrollierten Einsatzwillens, wurden wir mit einem Karton Zeugs beglückt, von dem die eifrige und offenbar bestens informierte Einzelhandelsfachverkäuferin behauptete, es würde auf jeden Fall, ganz von alleine und sehr schnell alle unsere Probleme lösen und den Rasen auch noch düngen.

Wir schenkten ihr Glauben, bezahlten und entschwanden. Wieder an der heimischen Scholle eingetroffen verschoben wir das weitere Vorgehen, da wir erstens keinen Bock mehr hatten und es zweitens angefangen hatte zu regnen.

Gartenbau für Profis - Jugend forscht

Tage später. Da sich die Holde dank notwendigen Tageswerks außerhäusig aufhielt, das Wetter mitzuspielen schien und mir langweilig war, nahm ich mich des Projektes der Bereinigung der Grünfläche von ungebetenen Mitbewohnern unter Zuhilfenahme industriell gefertigter Problemlöser an. Der Karton versprach für großzügig 150 Quadratmeter Fläche Inhalt zu enthalten. Bei grob 100 Quadratmetern zu behandelnder Fläche sollte das eigentlich reichen.

Die Anwendungs- und Dosierungsanleitung, die zu meiner nicht enden wollenden Begeisterung in klar verständlichem Deutsch und nicht etwa Aramäisch oder Thai verfasst war, erklärte mir, ich solle 30 Gramm auf einem Quadratmeter gleichmäßig verteilen. Das sich im Innern des Kartons in einem Klarsichtsack tummelnde Zeug machte nicht den Eindruck, dass ich 30 Gramm dieses ungefähr zuckerfeinen grau-braunen Granulats ex Ärmelo abschätzen könnte.

Schüssel, Wage, Attacke. Es stellte sich heraus, dass 30 Gramm tatsächlich ungefähr zwei gehäuften Esslöffeln entspricht. Schonmal versucht, zwei Esslöffel Zucker gleichmäßig auf einen Quadratmeter Rasen zu verteilen? Ich auch nicht. Allerdings glaubte ich fest an die Grenzen meiner Inkompetenz, vertraute meinem Augenmaß und ging ans Werk. Nach knapp 30 Minuten hatte ich einiges dazugelernt.

Erstens. Einen Quadratmeter Rasen freihändig einigermaßen treffend abzuschätzen, ist quasi unmöglich. Meine Idee, den Rasen mit einem Quadratmeterraster zu überziehen, entpuppte sich als tapfere, am Ende jedoch lächerliche, weil undurchführbare Idee, denn mir fehlten einfach 200 Meter Bindfaden und Pflöcke. Zweitens. Sich zu merken, welchen Quadratmeter man gerade "beglückt" hat und welchen nicht, ist mindestens ebenso unmöglich, wenn die optischen Orientierungspunkte grüne Pflanzen auf grünem Grund sind und das verteilte Zeugs sozusagen zum Untergrund passende Tarnfarbe hat. Drittens. Wer auch immer sich ausgedacht hat, dass der Inhalt dieses Kartons für 150 Quadratmeter reicht, hat entweder eine andere Vorstellung von der Größe eines Quadratmeters, gnadenlos übertrieben, oder beides.

Egal wie, das Zeugs war ausgebracht und die größten Besiedlungsflächen unerwünschten Bewuchses waren explizit beglückt worden. Angesichts der Schilderungen der oben genannten Fachfrau aus dem Biberbaumarkt rechnete ich jeden Augenblick mit lodernden Flammen, Blitzen und kleineren Explosionen. Oder Rauchsäulen. Wenigstens aber irgendeiner sichtbaren Reaktion. Es tat sich jedoch genau: nichts.

Auch bis zum Eintreffen der Angebeteten im heimischen Domizil diverse Stunden später hatte sich wenig (lies: nichts) getan. Nach ausführlicher Schilderung meines Tageswerkes rief das denn auch bei der mir angetrauten am Rande der Rasenfläche in erster Linie interessiertes Stirnrunzeln, eine gehobene Augenbraue und ein vieldeutiges und äußerst aussagekräftiges "Aha." hervor. Auch sie hatte offensichtlich mehr erwartet. Oder sie glaubte mir nicht, weshalb ich ihr den leeren Karton zeigte. Sie glaubte mir. Wir beschlossen abzuwarten.

Immerhin, am nächsten Tag zeigten sich erste Spuren selektiv verreckenden Grünzeugs. Im Laufe von zwei Tagen breitete sich das Verrecken großzügig aus und wir waren frohen Mutes, nahe an einem "Mission accomplished!" und stellten den Sekt kalt.

Am dritten Tag jedoch stellte ich bei Inspektion aus der Nähe fest, dass sich entweder die Wirkung nur auf den oberirdischen Teil bezog, oder aber irgendetwas war gründlich schief gegangen, denn das Zeugs warf die schwarz verfärbten Blattleichen einfach ab und trieb unbeeindruckt neu aus. Auf ein eventuell eingeplantes, also gewolltes Wachstumsverhalten hoffend, an dessen Ende die zu beseitigenden Pflanzen einfach die Koffer packen und gehen, warteten wir eine Woche ab.

Nach dieser Woche sah der Rasen wieder exakt so aus wie zuvor. Mit dem Unterschied, dass der in dem ausgebrachten Zeugs enthaltene Rasendünger bei allen Bewohnern der Grünfläche hervorragend ankam und deutlich Wirkung zeigte. Wir hatten jetzt mehr und kräftigere Mitbewohner zwischen den beherzt verstärkt gen Sonne strebenden Grashalmen.

Der deutlich geförderten Wachstumsrate geschuldet, sah sich die Göttergattin motiviert, der sich intensiv und stetig verlängernden Wuchshöhe des Rasens mittels ebensolchen Mähers Einhalt zu gebieten. Da sich auch das andere, nur eben unerwünschte Zeugs prächtiger Gesundheit und ausgezeichnetem Wuchses erfreute, regte ich einen erneuten Besuch im Fachhandel an, um zu erfahren, ob es vielleicht andere, erfolgversprechendere Methoden gäbe. Ich dachte da an Napalm. Oder Zement und grüne Farbe. Mir wurde zugestimmt und so wurde ich losgeschickt mit dem Auftrag, Streuwagen, Rasensamen und "irgendwas gegen die Pest" zu beschaffen.

Fachhandel, die Zweite - Die Genossenschaft

Meinem Instinkt folgend beglückte ich den nahegelegenen Außenposten einer sogenannten "Genossenschaft" mit meiner begehrten Anwesenheit. Bereits die Parkplatzsuche gestaltete sich interessant, durfte ich doch einer imposanten Aufführung von Schwanensee, aufgeführt von zwei Autofahrerinnen, beiwohnen. Merke: Nur weil ein SUV gekauft werden kann, heißt das noch lange nicht, dass ausgerechnet Du Dir den auch kaufen solltest.

Ein zwei mal sechs Meter messendes, jenseits der zwei Tonnen schweres Geschoss in eine eins achtzig breite Parklücke einfädeln zu wollen, weist schon auf ein ganz grundsätzliches Problem hin. Mit einem Mindestmaß an Selbstreflektion wäre das sogar leicht erkennbar. Für die die eigene Brut zum Hort fahrende und den Einkauf vom Laden an der Ecke abholende Überzeugungsmami aber scheint das aber eine jenseits des Möglichen existierende Option zu sein.

Mit ausreichend Sicherheitsabstand zu den sich intensiv und zunehmend hektisch gegenseitig zu gestikulierenden Fahrprofis stellte ich meinen fahrbaren Untersatz in einer der geschätzt 50 freien Parkbuchten ab, die aber wohl nur in meiner Wahrnehmung zu existieren schienen. Vielleicht waren sie auch verflucht oder für Reisebusse reserviert. Wer weiß das schon? Darüber sinnierend, warum die beiden nicht auch dort ihre Pampersbomber abzustellen versuchten, betrat ich den Fachhandel.

Ich tauchte ein in die Welt des Saatguts, der Ackerbearbeitungswerzeuge, Tierfuttererzeugnisse und Pflanzkübel. Es hätte mich misstrauisch machen können, dass mit meinem Eintreffen der Altersdurchschnitt merklich fiel. Hätte.

Das Verkaufspersonal war anwesend, aber mit ausladenden Gesten auf der einen und sich-im-Bart-kratzen auf der anderen Seite des Tresens und dem gegenseitigen Austausch kryptischer Fachbegriffe beschäftigt. Ich durfte deshalb auf mich allein gestellt mit den Bewohnern von gefühlt mindestens zwei Altersheimen durch die Regalreihen flanieren. Natürlich blieben die übrigen Besucher gerne alle 50 Zentimeter in ehrfurchtsvollem Staunen schlagartig stehen und blockierten den Gang.

Auf der Suche nach dem für die Aussaat des Rasens sinnvollerweise zu benutzenden Streuwagens fand ich allerlei interessantes Gerät, dessen Verwendungszweck sich mir trotz meiner lebhaften Fantasie vollends verschloss. Nur das Gesuchte blieb unauffindbar.

Ein zufällig herumirrender Angestellter wurde von mir entdeckt und sollte befragt werden. Kurz bevor ich ihn jedoch erreichte, materialisierten aus dem Nichts zwei rüstige Gartenbaufachexperten und verwickelten diesen in an Synchronschwimmen erinnernde Fachgespräche über die Vor- und Nachteile einer Anreicherung von Rosenerde mit Ton und Quarzsand. Der verzweifelt-leere Blick des Verkäufers in Richtung der ausgestellten Kettensägen sprach Bände. Ich überließ ihn seinem Martyrium.

Zufällig entdeckte ich hinter einem erregt einige Spaten anbetenden Pärchen etwas, das grundsätzlich dem von mir Gesuchten entsprach. Das ausgestellte Stück Saatgutverteiltechnik begeisterte durch allerlei Klimbim, wie automatischer Granulierungsanpassung, Streumengenintervallschaltung, Kombi-Misch-Schüttung und Universalmotorwellenflansch, mit wenigen Handgriffen und dank integrierter pneumatischer Hebevorrichtung ohne Gabelstapler wahlweise an Front oder Heck montierbar.

Hätte ich vor, Flächen ab zwei Hektar zu bearbeiten, ich wäre begeistert gewesen. So jedoch erschien mir die Überlegung, das vorhandene Fahrzeug durch das Anbringen eben jenes Stücks fortschrittlichster Agrartechnik zu ergänzen, angesichts der zu erwartenden Reaktionen von Gattin und Bankkonto doch etwas zu gewagt.

Hinter nur wenigen in tiefster Andacht versunkenen Landschaftsarchitekten und Agrarfachleuten stand in einer Ecke etwas, das schon eher in die von mir gedachte Richtung dimensioniert war, mit deutlich jenseits der einhundert Euro allerdings marginal außerhalb der mir zuvor vom allwissenden Internet als realistisch vermittelten Preisspanne liegend sofort ausschied. Ich hatte genug. Dieser Laden und ich, wir waren nicht für einander gemacht.

Draußen hatten sich inzwischen die Lkw-fahrenden Übermütter darauf geeinigt, das keines der beiden Fahrzeuge in die anvisierte Lücke passte. Auch nicht quer. Stattdessen hatten sie ihre Fahrzeuge platzsparend auf jeweils zwei Parkflächen in der Nähe meines Gefährts abgestellt und unterhielten sich angeregt über die individuellen Entwicklungsfortschritte der eigenen Brut:

"Kevin-Jonas ist ja so talentiert. Wir überlegen, ihm neben Klavier- auch noch Geigenunterricht zu geben."
"Nein wirklich! Das ist ja toll! Unser Malte-Adrian ist ja eher der Sportler. Der macht jetzt neben Fußball auch noch Judo und nächsten Sommer will er mit Wettkampfschwimmen anfangen..."

Ohne den Diskutierenden eine nahegelegene Fahrschule zu empfehlen, ergriff ich die Flucht.

Fachhandel, die Dritte - Ein Biberlogo macht Angst

Mangels schlechterer Ideen beschloss ich, erneut den bereits bekannten Fachmarkt mit dem Biber im Logo aufzusuchen. Was konnte schon schief gehen? Ereignislos und verletzungsfrei angekommen, eingeparkt, Einkaufswagen geentert und rein in die Bude.

Zielstrebig die bereits bekannte Abteilung der Grünzeugumgestaltung angesteuert und Streuwagen gesucht und auf Anhieb gefunden. Das mit mäßigem Basteleinsatz leicht zusammenzusetzende Produkt war mit wenig über 30 Euro deutlich im Rahmen meiner Vorstellungen. Auch die gewünschte Rasensaat war schnell gefunden und eingepackt. Blieb noch des unerwünschten Grünzeugs Feind.

Derlei Chemie wird natürlich unter Verschluss gehalten. Die Gründe dafür mögen einleuchtend und sogar völlig richtig sein. Auch in dieser Filiale sind die entsprechenden Produkte sorgsam hinter verschlossenen und deckenhohen Glastüren hinter einem Tresen drapiert. Ehrfurcht erbietend und durchaus den magischen Reiz des Verbotenen, wenigstens aber Gefährlichen ausstrahlend, übt das Zeug dieselbe Anziehungskraft aus, wie ein unbewacht ausgestellter BBQ-Grill im Gastronomieformat. Alas, die Anwesenheit einer Person mit Schlüssel wurde doch irgendwie zwingend vorausgesetzt.

Der geneigte Leser mag bereits ahnen, dass es genau an diesem Detail scheitern sollte. Moderner Technik aufgeschlossen, war dieser Tresen mit einem Klingelknopf ausgerüstet, der - sofern gedrückt - blau leuchtend einen Mitarbeiter auf magischem Wege am Tresen erscheinen lassen sollte.

Ich drückte.

Der Knopf leuchtete.

Es erschien:

Niemand.

Und so stand ich etwas unentschlossen herum. Einerseits gab es in diesem Laden mehr als genug Werkzeug, um den Türen und Schlössern beherzt und erfolgreich zu Leibe rücken zu können. Andererseits könnte das aber zu gewissen Unmutsbekundungen hier und später sogar zu notwendigen Rechtfertigungen gegenüber der holden Gattin führen. Ich war unschlüssig und der Knopf gab das Leuchten auf.

Ich drückte wieder. Es leuchtete wieder blau. In der Ferne sah ich ein Regal, in dem Äxte, Spitzhacken und Vorschlaghämmer auslagen. Ob ich vielleicht doch...? Eine verkaufsbevollmächtigte Person trat in ausreichendem Sicherheitsabstand in mein Blickfeld und entdeckte mich. Hoffnungsvoll lächelte ich gewinnend und motivierend und gab zu verstehen, dass ich es war, der... Die Verkaufsperson wendete mitten im Schritt auf dem Absatz und tauchte fluchtartig ab ins Dickicht des Baumarktes.

Leicht irritiert stellte ich fest, dass der Knopf das Leuchten erneut eingestellt hatte. Ich drückte erneut und wieder leuchtete es blau. Aus einer gänzlich unerwarteten Richtung erschien unvermittelt ein offenbar nur knapp vor dem wohlverdienten Altersruhestand stehender Verkäufer mit Telefon am Ohr, in das er hektisch brabbelte. Er trat hinter den Tresen, sagte "Moment eben", legte das Telefon weg. Ob ich jetzt...? Nein.

Statt mir wandte er sich dem Computer zu, tippte hektisch darauf herum, griff sich wieder sein Telefon und erklärte, dass die Bestellung da sei, aber der Kunde nicht und er jetzt auch nicht wisse, was zu tun sei (den Kunden anzurufen war offenbar gänzlich undenkbar, aber was verstehe ich schon von den Gepflogenheiten eines Baumarktes?) Das Gespräch fortsetzend entschwand der (nicht-) Verkäufer flinken Schrittes wieder im Dickicht der Regale.

Introducing: Familie Müller

Drücken, leuchten, warten.

Familie - nennen wir sie "Müller" - erschien auf der Bildfläche. Sie, ambitionierte Mutter eines motivierten 14jährigen Jungen. Hauptberuflich Avon-Beraterin oder Grundschullehrerin oder beides. Er, blasser Schreibtischtäter bei irgendeiner Versicherung. Das Kind, ein aufgeweckter 14jähriger Junge am Steuer eines mit diversen 120-Liter-Säcken Blumenerde, Betonkübeln und einem mittleren Kleinwald verschiedenster Ziergehölze beladenen Schwerlasteinkaufswagens. Selbstredend pädagogisch wertvolle Erfahrungen vermittelnd, stolzierte Sie vorne weg. Er, besorgt dreinschauend, hinterher, während Junior sich mit allerlei Kapriolen, Schwung und viel Elan an der Helmholtz'schen Erkenntnis der Energieerhaltung versuchte.

Mit unumwundener Neugierde beobachtete ich, wie das Trio elegant (Sie), besorgt (Er) beziehungsweise schwungvoll (Junior) die erste von mindestens zwei Kurven erfolgreich nahm. In der zweiten Kurve jedoch schaltete sich Newton in das Experiment ein und bewies, dass seine Erkenntnisse über die Trägheit von Massen auch in Baumärkten und erstrecht für 14jährige Jungen gelten.

Mit unüberhörbarem Poltern verteilte sich ein Teil des geplanten Einkaufs im zu erwartenden Streuradius, jedoch ohne Scherben. Vatern war anzusehen, dass er genau das befürchtet hatte. Mäßig überzeugend deutete er an, seinem nun nicht mehr ganz so ambitioniert aus der Wäsche guckendem Nachwuchs helfen zu wollen, als sich Muttern tadelnd einmischte.

"Nein, Martin, das macht David alleine. Er soll lernen, dass alles, was er tut, Konsequenzen hat!"
"Ja, Schatz."

Vatern zog sich zurück. Die paar Pflänzchen hatte David schnell eingesammelt. Mit dem Kübel war der Junge aber schon deutlich herausgefordert. Dennoch. Tapfer und ehrgeizig wurde auch der irgendwie wieder in Position gewuchtet. Allerdings den 120-Liter-Sack wieder auf den Karren zu wuchten... Da war eindeutig Ende seiner Möglichkeiten. Vatern deutete erneut Initiative an. Hätte er das mal lieber gelassen. In deutlich vernehmbarer Lautstärke schaltete sich Muttern wieder ein:

"MARTIN! Habe ich Dir nicht gerade gesagt, dass David das alleine machen soll?"

Derart getadelt verzog sich Vatern in entfernte Regionen des Geschäfts, während David sich ebenso verzweifelt wie erfolglos am Sack Blumenerde abmühte.

Unter Ausblendung jeglicher realistischen Chancen und Möglichkeiten des Jungen mag irgendjemand die rudimentären Reste des erziehungspädagogischen Ansatzes in diesem Fall ja eventuell noch verstehen können. Aber wer jemals selber einen solchen 120-Liter-Sack bewegt hat, weiß, was da geht und was nicht. Doch ein 14Jähriger, dessen hauptsächlicher Zeitvertreib offensichtlich nicht aus Holzhacken, Kohleschippen und Jungbullenreiten, sondern eher aus Playstation und in der Schule rumsitzen besteht, ist deutlich - und vor allem weit - außerhalb von "geht".

Muttern forderte David auf, jetzt gefälligst zuzusehen. Man hätte ja schließlich heute noch anderes vor. David gab sich Mühe. Wirklich. Aber da war nichts zu wollen. Zweimal David... vielleicht. Aber so? Ich versuchte Vatern zu entdecken. Weit entfernt bewunderte der mit ausdrücklicher Faszination Tauchpumpen und anderes Teichzubehör. Zwei Schritte und ich stand neben David.

"Pack Du da an, ich hier. Los geht's."

Fünf Sekunden und einen Wupp später war der Sack auf dem Wagen und David deutlich sichtbar erleichtert.

"Danke!"
"Kein Ding!"

Muttern atmete tief ein, während Vatern offenbar seine gesteigerte Faszination an Schläuchen, Muffen und Schraubverbindern entdeckt hatte. Ich sah die sich noch in Positur werfende Mutter an und verkündete ihr entspannt und völlig laid back die erste fundamentale Erkenntnis des Tages:

"Keine Ursache. Gern geschehen."

Okay, das war vielleicht etwas steil, aber ey, mal ehrlich. Ich drehte mich um, gab dem Jungen einen aufmunternden Klopfer auf die Schulter und ging zurück zum Tresen. Muttern hatte sich offenbar aus ihrer Schockstarre befreit und hob an zum Protestgesang der Sirenen, erster Akt, Auftritt der Diva. Was mir denn einfiele. Ihr Sohn. Ihre Erziehung. Und überhaupt. Wer ich überhaupt sei. Und sowieso. Und außerdem. Die Geschäftsleitung. Das würde Konsequenzen haben.

Ich hob eine Augenbraue und drückte wortlos den Serviceknopf. Muttern atmete durch und schaltete mindestens zwei Gänge hoch. Wenn SIE ihrem Sohn sage, ER solle das machen, dann habe sich NIEMAND da einzumischen, erstrecht nicht so ein dahergelaufener Typ wie ich.

"Erstens: Gegen Aufregung hilft Baldrian. Gibt's da hinten. Gegen Dummheit Dachlatten. Liegen daneben. Zweitens: Ich stand hier."

Sie war verwirrt und versuchte das von ihr vorgetragene Lamento und meine Erwiderung irgendwie in Zusammenhang zu bringen.

"Ich bin nicht 'dahergelaufen'. Ich stand hier."

half ich ihr auf die Sprünge.

"Werd mal nicht frech! Entschuldige Dich jetzt gefälligst und dann verschwinde aus diesem Geschäft."

"Du"? Sie und ich hatten schon zusammen im Graben gelegen oder Schweine gehütet? Mein Langzeitgedächtnis hob entschuldigend die Schultern und verwies auf eine erschreckend lange und an bemerkenswert vielen Stellen geschwärzte Liste erfolgreicher Partynächte.

"Ähm... Nö?"
"Ich sagte gerade..."

Es reichte mir. Eigentlich wollte ich nur Unkraut-Ex haben, aber scheinbar gabs hier auch noch gratis Comedy dazu - nur leider schlechte.

"Es ist mir scheißegal was Sie sagten. Es interessiert mich nicht, ob Sie in den Wechseljahren sind, im Lotto gewonnen haben, Ihr Vibrator verreckt ist oder ob Sie das geilere Auto als Ihr Nachbar fahren. Der Junge brauchte Hilfe, ich habe ihm geholfen. Ende der Geschichte. Wenn Sie daraus einen abendfüllenden Film machen wollen, bitte sehr. Sie haben irgendwo da hinten jemanden stehen, an dem Sie nachher, wie gewohnt, Ihren Frust auslassen können, aber bitte machen Sie sich jetzt nicht hier vor Ihrem Sohn, den Leuten und mir zum Horst."

Inzwischen hatten sich links und rechts andere Kunden versammelt, die das gesamte Geschehen mitverfolgt hatten und den Höhepunkt des Schauspiels aus nächster Nähe miterleben wollten. Auch hier zeigte sich mal wieder, dass sich Neugierde und Evolution gegenseitig zu begünstigen scheinen.

Bestätigend nickend sah man von mir zu Muttern, in Erwartung ihres nächsten Einsatzes. Ich lehnte mich entspannt gegen den Tresen, lächelte sie freundlich an und musterte Sie. Sie tat dasselbe, nur deutlich weniger entspannt, ohne Lächeln und ohne Tresen. Irgendein Teil eines evolutionär sehr, sehr alten Bereichs ihres Gehirns sagte ihr: "Nicht! Lass es! Der will ganz bestimmt nicht spielen!"

"Sie...!"

stieß sie hervor. Weiter kam sie nicht, denn ich fiel ihr ins Wort. Ich hatte inzwischen echt Hals.

"Ja, ich. Und wenn David nochmal Hilfe braucht, werde ich ihm wieder helfen. Und wenn Sie Hilfe brauchen, werde ich auch Ihnen helfen, sogar Ihrem ..."

Ich warf einen vielsagenden Blick an ihr vorbei in die Tiefen des Baumarktes, auf den sichtlich begeistert und in sich selbst versunken in Teichpflanzen wühlenden Gatten

"...Mann. Wenn Sie allerdings nicht unterscheiden können zwischen 'Ihrem Kind wird geholfen' und 'Einmischung in Ihre Erziehung', sollten Sie sich vielleicht mal fragen, was bei Ihnen schiefläuft. Sie können natürlich auch einfach nur entspannt durchatmen, danke sagen, weitergehen und den Rest des Tages genießen."

Ihre Hautfarbe nahm imposante Schattierungen an, was mich interessiert über ihren Blutdruck spekulieren ließ. Aus dem Nichts war ihr Mann aufgetaucht. Besorgt beugte er sich von hinten über ihre Schulter und meinte "Schatz? Wollen..." Weiter kam er nicht. Wie von der Tarantel gestochen wirbelte sie herum und föhnte ihn in einer selbst mich ehrlich beeindruckenden Kombination aus Frustration, Lautstärke, Vehemenz und entfesselter Wut aus kürzester Entfernung an.

"Warum hast Du keine Eier? Warum bist Du so ein gottverdammter Waschlappen? Warum kann der da mir in drei Sätzen erklären, warum er ein Mann ist und Du nicht? ES KOTZT MICH SO DERMAßEN AN!"

...und stiefelte, verzweifelt um einen Rest an Haltung bemüht, an mir vorbei. Deutlich näher als notwendig und mit deutlich weniger wütendem, dafür umso längerem Seitenblick in meine Richtung als der Ausbruch hätte erwarten lassen. Sichtlich eingeschüchtert stapfte Vatern mit dem Einkaufswagen hinterher. David wollte folgen, blieb dann aber stehen und drehte sich zu mir um.

"Sind alle Eltern so scheiße?"
"Keine Sorge, das wird schon. Irgendwann."

Introducing: Jochen und Marianne

Ein sehr nachdenklicher Teenager machte sich auf die Suche nach seinen eskalierenden Eltern, während ich mal wieder den Serviceknopf drücke. Während ich noch - nicht weniger nachdenklich - dem Jungen hinterher sah, erschien "Jochen" in meinem Blickfeld. Ob "Jochen" wirklich so hieß, weiß ich natürlich nicht.

Jochen war Mitte bis Ende 30, ungefähr eine Handbreit kürzer als ich, dafür aber deutlich untersetzt. Mit seiner bemerkenswerten und ganz bestimmt künstlich schwarz gefärbten Kombination aus Afro-Frisur und Vokuhila erregte er mühelos meine Neugierde, doch erstens war die rein akademischer Natur und zweitens war die Gesamterscheinung... äh... Nein. Die kunstlederne Bikerhose, die er trug, war okay. Auch der deutliche Bauch war jetzt nicht schlimm. Schöner wäre aber vielleicht gewesen, wenn sein schwarzes T-Shirt nicht knapp 10 Zentimeter zu kurz gewesen wäre. Was mich aber dann doch endgültig aus dem Konzept brachte, waren die schwarzen Gummistiefel. Hässlich war Jochen nicht, nur irgendwie... schräg.

Jochen hatte offenbar die Episode mit den Müllers mitbekommen. Mit kaum verborgenem Interesse schlich er um mich und den Tresen herum und musterte mich in unbeobachtet geglaubten Momenten immer wieder mit stechendem Blick. Eine andere Kundin, ich nenne sie mal Marianne, sprach mich an. Ob ich schon einen Mitarbeiter gesehen hätte. Klar, gesehen hatte ich schon. Nur gebracht hatte das bis jetzt nichts. Ob ich denn schon den Knopf gedrückt hätte. Marianne ging zum Knopf und stellte fest:

"Oh, der leuchtet ja schon."

Achwas?

Jochen hatte sich strategisch günstig postiert, um mich "unauffällig" beobachten zu können, während er sich intensiv minutenlang mit einer violetten Orchidee beschäftigte. Marianne verwickelte mich in ein Grundsatzgespräch. Ob ich auch ein Ungezieferproblem im Garten hätte. Das konnte ich verneinen. Gut, Nacktschnecken und Ameisen. Aber die haben wir im Griff. Marianne dagegen hatte Schildläuse. Und irgendwelche Raupen. Und Blattläuse. Und Ameisen. Und Schnecken. Marianne war echt gestraft.

Ich erzählte Marianne von meinem Löwenzahn und Marianne war sichtlich schockiert. Das Zeug hätte nichts gebracht? Bei ihr wäre nach Einsatz dieses Zeugs ja alles weg gewesen. Jochen hatte inzwischen das Interesse an der violetten Orchidee verloren und beschäftigte sich wenige Meter weiter links mit Blumentöpfen, die auf jeden Fall in genau dem Augenblick das Allerwichtigste auf der Welt waren, als ich ihn dort entdeckte. Langsam wurde mir der Kerl doch etwas unheimlich.

Marianne erzählte mir irgendetwas von Rosen und wie wählerisch und empfindlich die doch wären und was man da nicht alles tun müsse, um die erfolgreich zu vermehren. Ich gebe offen zu, dass es wenig gab, was mich weniger interessierte, als Theorien über die Aufzucht und Hege von Rosen. Aber sei es drum, es war eh kein Verkaufspersonal anwesend und ganz ehrlich? Bei der Wahl zwischen Jochen und Marianne gewann Marianne mit einigen Lichtjahren Vorsprung.

Offenbar fühlte sich Jochen durch meinen zufälligen Blick in seine Richtung motiviert. Während ich mit Marianne weiter Smalltalk über Rosen und das Fernbleiben von Verkaufspersonal in diesem Laden betrieb, wechselte Jochen an das uns gegenüberliegende Ende des Tresens und war ja sowas von intensiv fasziniert von den dort ausliegenden Prospekten. Ich drückte, inständig auf das Erscheinen irgendeines Verkäufers hoffend, mal wieder den Serviceknopf.

Marianne und ich setzten den Exkurs über Rosen und (inzwischen) Schädlinge fort. Offenbar gibt es mehr Rosenkrankheiten als Kinderkrankheiten und die Verlockung für Schädlinge scheint ebenfalls mindestens "gigantisch" zu sein. Ständig wegen allem krank und von mehr Schädlingen überrannt, als ich wusste, dass es die überhaupt gibt, fragte ich mich mittlerweile, ob sich Rosen nicht eigentlich schon seit mindestens 500 Jahren hartnäckig darum bemühen, aus dem Genpool entfernt zu werden. Offenbar war es nur der Beharrlichkeit von Menschen wie Marianne zu verdanken, dass es überhaupt noch Rosen gab.

Mariannes Erzählungen nachhängend, sah ich zur Seite und starrte aus knapp 50 Zentimetern Entfernung in Jochens Gesicht. Deutete er etwa einen Kussmund an?! Scheiße hab ich mich verjagt. Jochen sich offenbar auch, hatte er doch nicht erwartet, dass ich ihn bemerken würde. Ich rückte unfreiwillig etwas näher an Marianne heran und war schlagartig megamäßig interessiert an ihren Erzählungen über die Probleme ihrer aus irgendeinem englischen Landgut importierten Luxusrose, die einfach nicht so wollte, wie sie eigentlich sollte.

Marianne verstand mein Interesse offenbar grundlegend falsch und ließ gekonnt beiläufig nebenbei fallen, dass ihr geschiedener Exmann ja so gar kein Interesse an Blumen gehabt hatte. Bei diesem schönen Wetter könnte "man" doch bestimmt einen schönen Abend im Garten... Erster Angstschweiß trat mir auf die Stirn. Jochen hatte sich wieder zu seiner violetten Orchidee begeben, und musterte mich mit leicht beleidigtem Blick und etwas, dass ein Schmollmund gewesen sein könnte, wenn ich auch nur ansatzweise bereit wäre, das so zu interpretieren.

Mein Hals wurde trocken. Help? Anybody?

Service, PLEASE!

Kurz bevor ich mir dachte, dass es bestimmt noch andere Läden gibt und panisch die Flucht ergriff, kam der ältere Verkäufer von vorhin wieder und bemannte den verwaisten Tresen. Angesichts der inzwischen größeren Gruppe Leute am Tresen wurde ihm klar, dass wir nicht zum Spaß da standen. Voller Unschuld fragt er alle anderen, wer denn jetzt dran wäre. In bemerkenswerter Synchronisation zeigten alle gleichzeitig auf mich. Meine Erleichterung war unbeschreiblich.

"Ja?"
"Ich hab ein Problem. Ich hab hier vor drei Wochen diese Dünger-Unkraut-Ex Kombination gekauft und nach Anleitung angewendet. Der Dünger ist auch total toll und der Rasen findet den auch super, nur das Unkraut ist vollkommen unbeeindruckt und wächst und gedeiht."
"Öh..."
"Großflächig Löwenzahn, Gänseblümchen, Hahnenfuß, bisschen Moos und sowas.
"Ah."

Er drehte sich um zum Schrank, griff sich einen überraschend übersichtlich dimensionierten Karton, stellt den auf den Tresen.

"Dann nehmen Sie mal das."

Und wandte sich Marianne zu, die ihn prompt vom Tresen weg in die Tiefen des Baumarktes entführte. Ich war spürbar erleichtert und musterte neugierig den Karton. Selber Hersteller, wie das andere Zeug, selbe Inhaltsstoffe, nur ohne Dünger. Ich fühlte mich marginal verarscht. Samma... Vor Jochen flüchtend, mache ich mich hektisch direkt auf die Suche nach dem erstbesten Verkaufsmenschen oder einem Notausgang.

Keine fünf Meter weiter lief ich exakt jener Verkäuferin in die Arme, die mir das Zeug mit dem Dünger verkauft hatte. Ha! Volltreffer! Ich erklärte ihr die Lage und mein Problem. Also das zu Hause im Garten. Alle anderen würde sie mir nicht glauben.

"Das hat nicht geholfen?"
"Nein?"
"Ich könnte morgen mal beim Hersteller anrufen und die fragen, was die empfehlen..."
"Das andere Zeugs hat nicht gewirkt. Das hier..."

...ich hielt ihr den kleinen Karton unter die Nase...

"...ist im Prinzip dasselbe in grün, nur ohne Dünger. Wollen wir Wetten darüber abschließen, wie gut das hier helfen wird, oder geben Sie mir jetzt gleich das nächst wirksamere Mittel?"
"Stimmt auch wieder."

Sie nahm mir den Karton weg, griff in den Schrank und holte eine freundlich signalgrüne Flasche mit einladend roter Schrift aus dem Schrank.

"Wenn DAS nicht hilft... ich kenne jemanden mit einem Bagger...

Sie verkaufte mir noch eine Spritzpumpe und riet mir eindringlich, mich bei dem Zeug unbedingt so exakt wie möglich an die Bedienungsanweisung zu halten. Ich sicherte ihr das zu, hetzte sie Jochen auf den Hals ("Der wartet schon so lange und interessiert sich sehr für Orchideen") und flüchtete zur Kasse. Auf dem Weg dorthin las ich interessiert die Rückseite der Pulle und lief einer erfreuten Marianne quasi in die Arme. Nein so ein Zufall. Ja, unfassbar. Ha. Ha. Ob sie denn alles gefunden hätte. Hatte sie. Und noch so viel Interessantes mehr...

Panik stieg in mir auf. Ich musste hier raus. Dringend! Freundlich und in der von mir gewohnt eleganten Art zog ich mich gekonnt aus der Affäre.

"Verdammt, viel zu spät geworden. Entschuldige, aber ich muss echt los. Meine Frau wartet schon. Mach's gut!"

Gesagt, umgedreht und nichts wie weg. Die Umgebungstemperatur fiel spontan um bemerkenswerte 400°C und ich rechnete ernsthaft jeden Augenblick mit an mir vorbeifliegenden Äxten, Blumenpötten oder auch einfach nur lautem Geschrei. Aber nichts dergleichen geschah. An der Kasse wartend las ich schließlich den entscheidenden Satz der Bedienungsanleitung vom Unkrautbeseitiger:

"Mindestens drei Tage vor und vier Tage nach Anwendung den Rasen nicht mähen."

Prima. Es gibt bis zur Fortsetzung dieses Experiments wenigstens noch etwas Vorlauf...

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