Dienstag, 11. September 2007

Alle einsperren!

BrustVöllig überrascht hat mich, dass der Deutsche Bundestag zur Zeit eine Reform des Sexualstrafrechts durchwinkt. Nicht überrascht hat mich etwa, dass diese "Reform" im Detail Regelungen enthält, die an Absurdität kaum zu überbieten sind, sondern die Tatsache, dass daraus auch von den Medien so ein Geheimnis gemacht wird. Oder hat schon irgendjemand bei den großen der Tagespresse etwas davon gelesen, wer im Sinne des Sexualstrafrechts bald für wie lange im Knast verschwindet? Nein? Ich auch nicht.

Einige der herausragenden Punkte dieser "Reform" machen selbst mich ziemlich sprachlos. Da ist zum Beispiel geplant, den Begriff des "Jugendlichen" (15- bis 18jährige) im Sexualstrafrecht zu streichen und komplett gegen "Kind" zu ersetzen. Das ist mehr, als nur eine reine Begrifflichkeit oder Sitzfindigkeit, denn Kinder (bislang alles unter 15) sind nicht rechtsmündig. Die Idee dahinter ist, dass Kinder nicht abschätzen können, was sie da grade tun und sie sollen vor ihrer natürlichen Unerfahrenheit geschützt werden. Darum können sie nicht selber zu allem und jedem rechtsverbindlich zustimmen, sondern müssen ihre Eltern entscheiden lassen. Das gilt ab "demnächst" für alle bis einschließlich 18 Jahre - zumindest im Sexualstrafrecht.

Da nach dem reformierten Sexualstrafrecht jede sexuelle Handlung erfasst wird, ist es völlig egal, wie alt der Täter ist. Selbst wenn der selber noch 13, 15 oder 17 Jahre alt ist: Täter ist Täter und dieses Gesetz bezieht sich explizit auf "sexuelle Übergriffe gegen Kinder". Daraus folgt, dass es bald keinen einvernehmlichen Sex mehr zwischen Jugendlichen geben kann, ohne sich dem Risiko eines längeren Gefängnisaufenthalts auszusetzen, denn die Mindeststrafe für "sexuelle Übergriffe gegen Kinder" soll vier Jahre Gefängnis betragen.

Falls das jemandem nicht klar ist: Ein Kind wird auch vor Gericht völlig anders behandelt als ein Erwachsener. Während in einem Strafprozess gegen Erwachsene dem Angeklagten jegliche Rechtsmittel nach seiner Wahl offen stehen, entscheiden im Falle eines Kindes andere darüber, was "das Beste" für das Kind sein könnte, unabhängig davon, ob das Kind das nun will oder nicht - und nicht vergessen, wir reden gerade von Menschen, die eventuell schon 16, 17 Jahre alt sind.

Super, oder? Es kommt aber noch besser. Nicht nur werden Kinder und Jugendliche genauso bestraft wie Erwachsene, auch die Kunst und die Medien und auch die Modewelt dürfen sich warm anziehen. Jede Abbildung (Bild, Foto, Video, Zeichnung oder Kunstwerk) von Personen unter 18 Jahren wird zum schweren Verbrechen mit einer Mindeststrafe von vier Jahren Gefängnis, wenn die Person in "aufreizender Pose" dargestellt wird - egal ob nun nackt oder komplett bekleidet. Übrigens gilt das auch, wenn die abgebeildete Person zwar schon älter als 18 Jahre ist, man sie aber für jünger halten kann. Für vier Jahre in den Knast wandert natürlich nicht nur der, der solchen Schund herstellt, sondern auch jeder, der ihn hat, anderen gibt und so weiter.

Wichtig ist hier, dass es nicht mehr nur um Kinderpornographie geht, etwas, das völlig zu Recht verabscheuungswürdig ist. Es geht um Moralvorstellungen. Es geht nicht um "sexuelle Handlungen", die Erwachsene an Kindern vornehmen oder so, sondern es geht um "aufreizende Darstellungen", eine Formulierung, die man aus den in Sachen Sexualität als besonders liberal eingestellten USA kennt (§2256 Federal Criminal Code).

Übrigens: Diese exzessive Reform des Rechtsverständnisses ist begrenzt auf das Sexualstrafrecht. Eine vergleichbare Reform ist nicht etwa auch für Raub, Diebstahl, Körperverletzung oder Mord vorgesehen. Im Gegenteil. Die Verschärfung richtet sich ausschließlich auf alles, was irgendwie mit "Sex" und "unter 18" zu tun hat, ohne Ansehen von Person, Einzelfall, biologischer oder gesellschaftlicher Wirklichkeit. Das ist auch sehr schön den Einlassungen der Sachverständigen zu entnehmen, die der Deutsche Bundestag zu diesem Thema gehört hat. Besonders die Aussagen von Dr. Helmut Graupner und Dr. Philipp Thiee sollten bei allen die Alarmglocken laut scheppern lassen. Bei den Politikern jedenfalls bestand die Reaktion auf die Aussagen und den Gesetzentwurf aus umfassendem, intensiven und ausdauerndem Schweigen, was wohl bedeutet, dass der Gesetzentwurf ohne größere Probleme durchgewinkt werden wird.

Ist die Verschärfung notwendig? Gute Frage. Eine Studie des Kriminologischen Instituts Niedersachsen (erinnern wir uns an den Namen Pfeiffer?) ist die deutsche Bevölkerung davon überzeugt, dass sich die Anzahl der Sexualmorde zwischen 1993 und 2003 fast vervierfacht hat. Tatsächlich sank die Zahl der schweren Sexualverbrechen zwischen 1981 und 2004 auf ein Drittel. Die Feststellung dieses Rückganges fand auf Grundlage der bisher geltenden Rechtsprechung statt, was mir die Frage aufzwingt, was die Reform erreichen soll? Einen Anstieg der Fallzahlen in den Statistiken?

Ach ja: Der Versuch soll in allen Fällen ebenfalls strafbar sein.

(Quelle: Bundestag, Süddeutsche Zeitung, Telepolis, Journalismus)

9 Kommentare:

  1. das ist ja krass. kann ich einen direckt link zur quelle haben. vorallem bei der site des deutschen bundestags (über sufu nicht gefunden).
    thx im vorraus.

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  2. moment mal... rein vom geschlecht her betrachtet sollen jugendliche jetzt kinder sein, aber im resultat als erwachsene behandelt werden und hinter gitter wandern? hab ich hier was falsch verstanden oder ist der legislative mal wieder eine sicherung durch gebrannt?!?
    wirds hier demnächst auch noch ehe-versprechen für kinder geben???

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  3. Genau das.

    Übrigens - Nur mal so zum drüber nachdenken: Eltern knipsen ihren Nachwuchs in der Badewanne und zeigen das Bild dann stolz in Verwandtschaft herum...

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  4. direkt in den bau natürlich

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  5. Hi Adger, kannst das Bild oben schon mal rausnehmen : Die Abgebildete scheint mir doch wesentlich jünger als 18 zu sein
    ;-)))

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  6. ...höchstens 12 !
    Adger, Du Verbrecher !!
    *rofl*

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  7. ähm naja ich denke eher dass man die kiddies ab 12 als jugendliche bezeichnen sollte... viele wissen, dass sie mit 13 strafunmündig sind... und für echte gossen is das ja n freifahrtsschein... aber wie auch immer
    zu den bildern... ne ehemalige klassenkameradin ist mit anfang 17 miss sachsen geworden und hatte hinterher logischerweise nur fotoshootings... unteranderem hat sie in ganz dresden auf plakaten für sonen starfriseur geworben... in unterwäsche mit dem titel "achten sie auf die frisur".
    naja logischerweise war viel haut zu sehn und das ganze sehr aufreizend... und sowas is dann schon illegal? zumindest verbaut man dann den deutschen models den sprung in die karriere... und mir werden solche werbeplakate fehlen

    gruß BJ

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