Es gibt Themen, die sind so hartnäckig, wie nervig. Eines der wohl hartnäckigsten und nervigsten Themen der jüngeren Vergangenheit ist das Thema "Bekämpfung des Terrorismus". Wir haben dazu jede Menge tolle Texte gehört und gelesen und eins ist inzwischen jedem klar: Das Argument der ständigen Bedrohung durch Terroristen - inzwischen weitestgehend gleichgesetzt mit "islamistische Extremisten" - wird von entsprechend eingestellten Politikern benutzt, um an Grundrechten abzuschaffen, was nur irgendwie abzuschaffen geht. Gerade in dieser Hinsicht ganz weit vorne dabei: Bundesminister des Inneren Wolfgang Schäuble (CDU).
Herr Schäuble scheint ein Fan der Idee zu sein, die Probleme im Inland durch das Militär regeln zu lassen. Besonders im Vorfeld zur Fußball WM 2006 tat er sich durch einige nicht ganz unumstrittene Maßnahmen und Ideen hervor, die seinen Ruf als "Rechtsaußen" festigten. Was ist eigentlich so kritisch daran, das Militär im Inland einzusetzen und Polizeiaufgaben erledigen zu lassen? Zusammengefasst: Das Militär schützt den Staat, die Polizei die Bevölkerung. Wenn das Militär die Aufgabe der Polizei übernimmt, werden die Bürger zu Feinden des Staates. Welche Ausmaße das schnell annimmt, kann man in jedem besseren Geschichtsbuch zum Beispiel unter "Drittes Reich" nachlesen.
Nun hat sich Herr Schäuble mal wieder des Themas der täglichen Bedrohung angenommen, vor der es den Staat zu schützen gilt. Im Moment bereiten ihm die vielen Flugzeuge Sorge, die jeden Tag über unser Land fliegen. der "11. September" (2001, New York) hat uns gelehrt, dass Flugzeuge hervorragend dazu verwendet werden können, viel Schaden anzurichten. Herr Schäuble, ganz Fan der Überzeugung "es gibt eine absolute Sicherheit" will, dass man entführte Flugzeuge abschießen darf. Da seine erste Idee zu diesem Thema aber von den höchsten Gerichten abgelehnt wurde, musste er sich mit dem Thema neu befassen.
Herausgekommen ist dabei eine Idee, die im Prinzip aus einer Flugzeugentführung einen Verteidigungsfall macht. In den §87a des Grundgesetzes soll eingefügt werden, dass die Bundeswehr auch "zur unmittelbaren Abwehr eines sonstigen Angriffs auf die Grundlagen des Gemeinwesens" eingesetzt werden kann. Bisher darf die Regierung sie nur im Verteidigungsfall und zu Hilfsmaßnahmen bei größeren Katastrophen aus der Kaserne holen.
Wird ein Flugzeug entführt und drohen die Entführer mit einer Aktion ähnlich der des 11. Septembers, soll nach Ansicht des Herrn Schäuble der "Quasi-Verteidigungsfall" gelten. Damit gelten dann auch die Regeln des Kriegsvölkerrechts. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Regeln des Genfer Abkommens über den Schutz der Opfer bewaffneter Konflikte. Die besagen, dass nur solche Angriffe völkerrechtlich verboten sind, "die in keinem Verhältnis zu erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteilen stehen". Nach Ansicht von Herrn Schäuble ist es deshalb völlig legitim die unschuldigen Passagiere eines Flugzeugs zu töten, wenn so eventuell eine größere Katastrophe verhindert werden könnte.
Im Kern wägt Herr Schäuble nicht nur ein Leben gegen ein anderes Leben ab, sondern er macht das Töten von Zivilisten möglich, sofern es den Staat schützt. Die scharfe Trennung zwischen dem Einsatz des Militärs und dem Einsatz der Polizei wird bewußt aufgehoben. Wo aber ist die Definition der "Grundlagen des Gemeinwesens"? Was ist darunter zu verstehen? Fällt darunter wirklich nur eine Entführung eines Flugzeugs durch Terroristen? Wie ist es denn zum Beispiel mit Massenprotesten gegen Maßnahmen der Regierung? Bedrohen die nicht auch die Grundlagen des Gemeinwesens?
Der Tenor ist klar erkennbar und sollte gerade bei einem Innenminister des Bundes jedem ernsthafte Sorgen machen, denn gerade dieser Posten hat die Aufgabe, die Bevölkerung zu schützen und nicht die Bevölkerung zu Feinden des Staates zu erklären.
Dienstag, 2. Januar 2007
5 Kommentare:
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Man muss nicht bis ins 3. Reich zurücksehen, um sich in Erinnerung zu rufen, was es bedeutet, wenn Militär gegen Zivilisten eingesetzt wird. Da reicht z.B. ein blick in das Jahr 1989 zurück, zu unserem Handelspartner China.
AntwortenLöschenNun gut... Gesetzt dem Fall es wird eine Passagiermaschine entführt, mit dem Ziel sie kontrolliert in ein AKW stürzen zu lassen. Was dann ?
AntwortenLöschenWas ist euch lieber... ein deutsches Tschernobyl mit was-weiss-ich wievielen Toten (inkl. aller Spätfolgen durch die ausgetretene Strahlung) oder eine abgeschossene Passagiermaschine ?
Der Denkansatz "nur mit Waffengewalt kann man da noch was retten" ist falsch. Gerade was AKW angeht, ist er sogar völlig verfehlt, denn AKW müssen so konstruiert sein, dass sie einem Einschlag eines Passagierflugzeugs standhalten. Aber es gäbe ja auch andere denkbare "Ziele".
AntwortenLöschenDer denkansatz, dem Herr Schäuble und seine Rechtsaußenfraktion nachhängt ist der, dass ausschließlich der Abschuß eines entführten Flugzeuges verhindern kann, dass es als "Waffe" (im weitesten Sinne) benutzt wird. Wir wissen aber, dass es genügend Ansätze gibt, dieses Problem auch völlig ohne den Einsatz jeglichen Militärs lösen zu können.
Einer der Ansätze ist ja zB die Kontrolle am Gate. Die hat sich in ihrer jetzigen Form ja als nicht so besonders erfolgreich erwiesen, aber ist es "richtig" statt hier zu korrigieren lieber einfach das Leben der Unschuldigen "zu opfern", nur weil man zu bequem und zu betriebsblind war, da was wirklich zu verbessern? Außer den Kontrollen gäbe es noch eine ganze lange Liste technischer Möglichkeiten die Entführung eines Flugzeugs zu verhindern, angefangen von einer kompletten Trennung von Cockpit und Fluggastraum, über Autopiloten, ID-Systeme und so weiter bis hin zur extern aktivierbaren Fernsteuerung ist da alles mögliche denkbar. Die intelligente Kombination der richtigen Maßnahmen ist da gefragt.
Wenn es gar keine andere Möglichkeit gäbe von vorneherein zu verhindern, dass ein Flugzeug entführt werden kann: Ok, dann wäre das Eingreifen des Militärs wahrscheinlich eine ernsthaft zu erwägende Option. Allerdings ist das nicht der Fall, sondern es sollen die Leben der Unschuldigen der politischen Bequemlichkeit und dem Populismus geopfert werden und gleichzeitig soll über diesen Umweg das Militär die Möglichkeit erhalten, generell immer wann es die Regierung für richtig hält gegen die eigene Zivilbevölkerung mit tödlicher Waffengewalt vorzugehen.
Und gerade DAS kann nicht richtig sein.
Schäuble ist jetzt nicht mehr dabei, am Luftsicherheitsgesetz zu schraueben, er "arbeitet" jetzt am GG. Und verankert da einen neuen, dem Verteidigungsfall gleichgestellten Status, der den militärischen Einsatz der Bundeswehr gegen eine Bedrohung für "die Grundlagen des Gemeinwesens" legitimisiert.
AntwortenLöschenGehen solche Gefahren denn nur von entführten Flugzeugen aus? Erinnern wir uns doch mal an die '70er (na gut, also ich zumindest an die Dokumentationen über die '70er...), an die Panik rund um die RAF. Legislative, Judikative, Exekutive und "Bild-Zeitung" erklärten damals den Notstand für unsere schöne Republik und setzten den Rechtsstaat weit genug ausser Kraft, um einen Schauprozess zu inzenieren, der einem faschistischen Regime als Lehrstück dienen könnte. Bedrohung für "die Grundlagen des Gemeinwesens"? Bet your ass.
Erinnern wir uns um den Hype rund um die Trittbrettfahrer nach dem 2. Amoklauf in einer deutschen Schule (für numerisch Benachteiligte: Das war der letzte, der in Emsdetten). Mehrere Schulen dicht, Eltern sperren ihre Kinder ein, Polizei spielt Wachposten vor Schulgeländen. Bedrohung für "die Grundlagen des Gemeinwesens"? Wollen wir wetten? Was willst Du setzen?
Die Grundlage für so ein Vorgehen wäre mit der GG-Änderung geschaffen. Die Frage ist also: Wollen wir das gesamte Paket? Wollen wir Bundies, die mit angelegtem Sturmgewehr Bevölkerungsgruppen - seien es Moslems oder Computerspieler - an Strassenecken zusammentreiben, die mit Panzern und APCs unsere Straßen befrieden? Wollen wir auf das Recht auf Gerichte verzichten, und Militärtribunale entscheiden lassen, was mit Zivilisten passiert?
Chile und China, SU und Kambotscha, Argentinien und Brasilien, halb Afrika und eigentlich der Rest der Welt auch sollten uns gezeigt haben, wohin das führt.
Der Preis? Die Möglichkeit, daß sich vielleicht wirklich mal ein feiger Attentäter hinter Zivilisten versteckt und andere Zivilisten tötet.
Ohne jetzt Vergleiche anstellen zu wollen: Am 11. September 2001 starben 2.973 Menschen. Im Jahr 2001 starben 6977 Menschen auf Deutschlands Straßen. Ist das jetzt eine Bedrohung für "die Grundlagen des Gemeinwesens"? In diesem Fall wag ich zu zweifeln...
Wie ich bereit in einem anderen Artikel schrieb:
AntwortenLöschen"Der "Verteidigungsfall" (Artikel 115a bis 115l Grundgesetz) ist nämlich nicht nur irgendeine Maßnahme auf dem Papier, sondern hat sehr weitreichende Konsequenzen für jeden einzelnen.
Zu diesen Konsequenzen gehört u.a.: Die Befehlsgewalt über die Armee geht vom Verteidigungsminister auf den Bundeskanzler über. Der Bund erhält das Recht Gesetze für Belange zu erlassen, in denen sonst ausschließlich die Länder Gesetze erlassen dürfen. Enteignungen und Freiheitsentziehende Maßnahmen zuungunsten der Bürger können "vorläufig" geregelt und die Rechte des Bürgers eingeschränkt werden. Gesetze können vereinfacht beschlossen und verkündet werden und auch die Regelungen des Staatshaushalts und seiner Finanzen ist vollkommen anders. Die Wahlperioden von Landtagen, Bundestag, Bundespräsident und Bundesverfassungsgericht verlängern sich unter Umständen."