Samstag, 6. Januar 2007

Geheimdienst und Kirche

KircheDie Kirche, so die gängige Lesart, kümmert sich um das Seelenheil der Gläubigen. Der Auftrag der Kirche ist es, Hoffnung zu spenden und darauf zu pochen, dass die Gebote des Glaubens eingehalten und befolgt werden. Die katholische Kirche hat da schon länger ein wenig eigene Ansichten. Die Säkularisierung auch heute noch nicht verkraftend, trachtet sie gerne und intensiv danach, den Weg zurück an die Spitze der Staatsführungen rund um den Globus zu finden, auch wenn seit ziemlich langer Zeit in den Verfassungen der allermeisten Staaten der westlichen Welt eine strikte Trennung von Kirche und Staat verankert ist.

In Polen zum Beispiel zeigt sich das seit einiger Zeit ganz deutlich und sorgt deshalb für einige Irritation. Sicher, man kann sich darüber streiten, ob es richtig ist, wenn eine christliche Kirche sich in den Dunstkreis des rechtsextremen Gedankengutes hineinbewegt und sicher kann man darüber streiten, ob sich die Kirche an der Geschichtsschreibung und deren Deutung beteiligen sollte. Weniger darüber streiten wird man aber wohl bei der Frage, ob Kirchen mit Geheimdiensten zusammenarbeiten sollten.

In der katholischen Kirche und in Polen sieht man das ganz anders. Dort wurde jüngst der 67jährige Stanislaw Wielgus offiziell zum Warschauer Erzbischof ernannt. Der bisherige Bischof hatte selber jahrelange Kontakte zum Geheimdienst im ehemals kommunistischen Polen eingeräumt, bestreitet aber eine Kollaboration mit der polnischen Staatssicherheit:
"Niemals habe ich jemandem Leid angetan, weder in Taten noch in Worten"
Er bezeichnet sein Unterzeichnen der Erklärung über die Zusammenarbeit mit dem polnischen Geheimdienst im Jahre 1978 als einen Moment der persönlichen Schwäche.

Nun ist es nicht so, dass aus den eigenen Reihen keine Kritik käme. Ganz so schlimm ist es noch nicht. Der Erzbischof Tadeusz Goclowski aus Danzig kritisiert die Entscheidung von Wielgus, die Nominierung als Warschauer Erzbischof anzunehmen. Nach seiner Ansicht gibt es viele belastende Dokumente, deren Echtheit kaum angezweifelt werden kann. Darum kommt er zu dem Schluß:
"Ich kann nicht sagen, was Erzbischof Wielgus machen soll. Aber wenn ich in dieser Situation gewesen wäre, hätte ich den Vatikan gebeten, mich zu entlassen."
Die "Historische Kommission" der katholischen Kirche in Polen (eine Art interner Untersuchungsausschuß der Kirche, den es in lokalen Variationen überall gibt) hatte vorher von "zahlreichen Belegen" dafür gesprochen, dass die Geheimpolizei und Wielgus eine Zusammenarbeit vereinbart und aufgenommen hatten. Der Bericht der Kommission soll noch dem Vatikan übergeben werden.

VatikanErzbischöfe werden direkt vom Vatikan ernannt, durch den Papst. Mit der Verlesung der päpstlichen Nominierung gilt man offiziell als zum Erzbischof ernannt. Dem Vatikan kann nicht verborgen geblieben sein, welche Vorwürfe gegen den neuen Erzbischof erhoben werden. Es heißt, der Papst habe Wielgus bewusst die Mission in der Erzdiözese anvertraut. Daraus lässt sich schließen, dass die Spitze der katholische Kirche keinerlei Zweifel an ihrer Entscheidungskompetenz aufkommen lassen will. Allerdings ergeben sich daraus eine Reihe Fragen, die nicht nur auf Polen beschränkt bleiben.

Wenn Die Kirche dort nicht nur Über - vorsichtig formuliert - "geheimdienstliche Kontakte" hinweg sieht, sondern darüber hinaus auch noch bewußt solche fördert, denen diese "Kontakte" und sogar eine Zusammenarbeit nachgewiesen werden kann, dann stellt sich die Frage, wie eng die Verflechtung hinter den Kulissen tatsächlich ist. Gerade die katholische Kirche ist eine internationale Organisation und gerade in der katholischen Kirche gilt die Beichte als heilige Pflicht der Gläubigen, weshalb zum Beispiel in Deutschland Priester ein umfassendes Recht auf Verweigerung der Aussage gegenüber Polizei und Gericht haben.

Aber was macht die Kirche tatsächlich mit ihrem Wissen? Ist die Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst in Polen, wie auch in anderen kommunistischen Staaten zur Zeit des Kalten Krieges, tatsächlich nur das Resultat der besonderen Repressalien, denen Geistliche "damals" ausgesetzt waren? Ist diese "Zusammenarbeit" wirklich so einseitig und erpresserisch, wie sie dargestellt wird? Was wenn das die Regel ist und die "Zusammenarbeit" genau das ist: Ein beiderseitiges Geben und Nehmen?

Ist es wirklich so abwegig zu vermuten, dass hier mehr passiert, als nur das in der Öffentlichkeit gezeigte Bild des armen, unschuldig malträtierten Priesters, der nur deshalb "pro forma" ein Stück Papier unterschrieb, damit er auch weiterhin einzig seinem Dogma, Verzeihung, seinem Glauben dienen kann? Hatte die Kirche nicht schon früher gezeigt, dass sie durchaus selber geheimdienstlich tätig wurde, wenn es ihr in den Kram passte? War das nicht gerade das, wofür die Inquisition berühmt und berüchtigt war? Wo ist der Beleg dafür, dass die Kirche jemals damit aufgehört hat? Was mag es bedeuten, dass ausgerechnet der Chef genau jener Einrichtung jetzt Chef der ganzen Kurie ist?

Update (07.01.07)

Vielleicht war es doch zu offensichtlich, vielleicht gab es auch zu viel internationale Aufmerksamkeit oder vielleicht bekam die Kirche aus anderen Gründen sprichwörtlich "kalte Füße". Jedenfalls wurde heute Mittag bekannt, dass der neue Erzbischof Warschaus, Stanislaw Wielgus, auf sein Amt verzichtet. Wer jetzt stattdessen Erzbischof in Warschau wird, ist unbekannt. Bis ein Nachfolger gefunden wird, wird das Erzbistum durch Kardinal Jozef Glemp geleitet.

(Quelle: Tagesschau)

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