Freitag, 5. Januar 2007

Rechtsdrift

FaschosMal wieder wurden die Zahlen der rechtsradikalen Straftaten in Deutschland durch die Bundestagsfraktion der Grünen Linksfraktion von der Bundesregierung erfragt. Da sowohl Anfrage als auch Antwort veröffentlicht werden müssen, gelangten die Zahlen so an die Öffetnlichkeit. Wir erinnern uns? Herr Schönbohm behauptete dereinst, dass es kein Problem mit rechtsradikalen Straftaten gäbe und auch andere Stimmen der hohen Politik stimmten mit ein. Die jetzt gezeigten vorläufigen Zahlen sprechen da eine etwas anderes Sprache.

In der gesamten Bundesrepublik hat die Polizei von Januar bis November nach vorläufigen Zahlen 11.254 Straftaten "rechtsextremer Kriminalität" registriert. Im Vorjahr waren es insgesamt 10.271 Straftaten. Alleine im November wurden nach Angaben der Bundesregierung 1.100 rechtsextreme Straftaten begangen, davon 64 "Gewalttaten" mit insgesamt 45 Verletzten.

Zwei Dinge muss man sich bei diesen Zahlen vor Augen halten. Erstens: Diese Zahlen sind vorläufige Zahlen. Die endgültigen Zahlen werden - systembedingt - höher ausfallen. Zweitens: Die Erfassung dieser Zahlen ist ein Politikum. Es wird längst nicht alles als "rechtsextreme Kriminalität" erfasst, was der "Normalbürger" darunter versteht. Daraus folgt: Die nicht erfasste Dunkelziffer dürfte um einiges höher ausfallen, die "tatsächliche" Anzahl rechtsextremer Straftaten deutlich höher liegen.

Niels Annen, Mitglied des Vorstandes der SPD sagte, dass die Zahlen mehr als erschreckend sind. Seiner Ansicht nach wird es langsam zur traurigen Routine, diese zu kommentieren. Für ihn ist die notwendige Konsequenz ein "Demokratiegipfel", derkeine Alibi-Funktion haben soll, sondern ein echtes Zeichen gegen die rechtsextremen Straftaten setzt. Die neuen Zahlen lassen seiner Ansicht nach ein Leugnen der Dringlichkeit nicht mehr zu.

Ein Demokratiegipfel? In einem Land, in dem der Bundesinnenminister versucht den Einsatz des Militärs gegen die Zivilbevölkerung im Grundgesetz zu verankern? In dem Grundrechte wie Unverletzlichkeit der Wohnung, Brief- und Fernmeldegeheimnis und so weiter zunehmend nur noch auf dem Papier bestehen? Ein Demokratiegipfel in einem Land, das sich politisch immer weiter von einer Demokratie weg bewegt, in der der Bürger zunehmend als Bedrohung wahrgenommen wird? Ein Demokratiegipfel in einem Land, in dem Symbole gegen die Rechtsextremismus kriminalisiert werden und den Initiativen gegen Faschismus durch den Staat finanziell ausgetrocknet werden?

Wer soll denn da wohl bitte veralbert werden? Fast jeder, der in den letzten Jahren mal die Augen aufgemacht, den Leuten zugehört und auch mal etwas anderes als die Bild oder die MoPo gelesen hat, dürfte wissen, wie es gerade um das Thema "rechte Faschos" steht. Wer meint, diesem Problem mit einer tollen Versammlung irgendwo mit toll viel Presse und lecker Häppchen und einer Kapelle und vielen tollen Büttenreden begegnen zu können, der hat das Problem zwar erkannt, unterschätzt aber dessen Dimension gewaltig.

Es ist toll, dass wenigstens jetzt die Politik langsam mal aufwacht und erkennt, was es bedeutet, wenn die politisch bereinigte Statistik Durchschnittlich 2,5 rechtsextreme Übergriffe jeden Tag in Deutschland zugibt. Vielleicht dringt so langsam mal durch, was genau es aussagt, wenn der Leiter der Staatsschutzabteilung der Dresdner Staatsanwaltschaft, Jürgen Schär, zur Nachrichtenagentur ddp sagt, dass es alleine in Sachsen etwa 40 rechtsextremistische "Freie Kameradschaften" mit 1800 Mitgliedern gibt und dann bemerkt: "Die würde ich gern überprüfen, aber das schaffen wir derzeit einfach nicht."

Wahrscheinlich wird aber dieses Thema genauso schnell wieder unter den Tisch gekehrt, wie viele andere unwichtige Themen. Oder was war jetzt wegen der Probleme an Schulen getan worden? Und was genau tut sich wegen der Integrationsproblematik? Und die Auswandererzahlen? Die Geburtenzahlen? Dauerarbeitsverhältnisse? Militär? Gesundheitswesen?

Manchmal frage ich mich, ob die Politik "da oben" eigentlich begreift, dass mit Geheimniskrämerei über das eigene Tun nicht erreicht wird, dass der Bürger Vertrauen in die Politik und damit das System entwickelt. Nur wer am bestehenden System zweifelt, sich sozusagen zu den "Opfern des Systems" zählt, der ist überhaupt empfänglich für extreme Ideologien. Kommt da dann noch mangelhafte Bildung hinzu, ist das Problem perfekt. Wahrscheinlich überzeichne ich diesen Zusammenhang jedoch und in Wirklichkeit ist das alles ganz ganz harmlos.

(Quelle Tagesschau, danke Jhary)

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