Samstag, 17. Juni 2006

Singen und Klatschen

DeutschlandfahneIm August 1841 geschieht auf der Nordeseeinsel Helgoland ein denkwürdiges Ereignis: Fallersleben schreibt das Deutschlandlied. Im Juni 2006 geschieht anderswo in Deutschland etwas anderes, nicht minder denkwürdiges: Die Lehrer gehen wegen der von Konrad Adenauer und Theodor Heuss 1952 und 1991 zwischen Richard von Weizsäcker und Helmut Kohl erneut festgelegten Nationalhymne der Bundesrepublik auf die Barrikaden. Nachdem die Idee mit der Nationalhymne auf Türkisch ein Fehlschlag war, sieht die offenbar vollkommen unterbeschäftigte Berufsvertretung der scheinbar nicht weniger gelangweilten Lehrer Deutschlands, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Zeit gekommen, ihrer Pflicht zur Aufrechterhaltung der innersaatlichen Ordnung auch im internationalen Rahmen nachzukommen und fordert deshalb die Abschaffung dieses Liedes.

Die GEW ist der Meinung, dass die Nationalhymne der Bundesrepublik in erster Linie den Nationalsozialismus verherrlicht und deshalb verboten gehört. Der Vorsitzende des hessischen Landesverbandes der GEW, Jochen Nagel, sagte gegenüber AP:
"Die aktuelle Hymne ist belastet und passt nicht zu unserem Land." "Wir dürfen nicht einfach den Deckel zu machen und nicht mehr über die Vergangenheit reden."
Darüber ist seiner Meinung nach dringend eine offene Debatte nötig. Das sieht auch der Bundesverband der GEW so. Deutschland benötige eine neue Hymne.

Es ist immer schön, wenn sich Leute um existentielle Probleme einen Kopf machen. Das ist nur zu begrüßen. Es ist auch immer wieder gut daran zu erinnern, dass Deutschland eine Geschichte hat, die uns in Erinnerung bleiben muss, damit sich die Schrecken der Vergangenheit nicht wiederholen. Aber das ausgerechnet die Lehrer durch ihre Berufsvertretung verkünden lassen, dass Deutschland "Geschichtsvergessen" sei und dass deshalb eine neue Hymne her müsse, führt meiner Meinung nach dann doch etwas an den naheliegenderen Problemen gerade des Bildungssystems vorbei.

Es ist ja nicht so, dass in den Schulen durch und wegen der Lehrer ein paar kleinere und größere Probleme bestehen würden, es sei nur beispielhaft an die überaus erfolgreiche Reform der Rechtschreibung erinnert, in der sich auch und gerade die Lehrer nicht wirklich mit Ruhm bekleckert haben. Wenn das als Maßstab für die (hoffentlich nicht) kommende "Reform" der Nationalhymne Deutschlands angenommen werden kann (und alle Zeichen deuten darauf hin, dass es so sein wird), dann sollten wir im Interesse aller anderen Staaten und unserer Kinder besser auf jede Nationalhymne verzichten, denn der Spott wäre uns sicher.

Und wieso "nicht mehr über die Vergangenheit" reden? War nicht eine der zentralen Forderungen an Deutschland, dass unsere Vergangenheit niemls in Vergessenheit geraten darf? War nicht gerade unsere Vergangenheit ein Grund dafür, dass die Zeit des Dritten Reiches umfangreichster Gegenstand der schulischen Bildung in Sachen Geschichte und Politik ist, oder besser: sein sollte? Und jetzt Beschweren sich die Lehrer darüber, dass die Deutschen sich der Vergangenheit verschließen? Die Lehrer beschweren sich darüber, dass die Deutschen "Geschichtsvergessen" wären? Entschuldigung, aber vielleicht verstehe ich da ja was falsch, aber wessen Aufgabe war noch gleich die Bildung und das Vermitteln von (u.a.) Wissen um die Deutsche Geschichte?

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