Es verwundert wohl niemanden, dass die "geeigneteren" Stellen unter direkter Kontrolle eben jener stehen, die ultimativ ein weitestgehendes Verbot jeglicher Form von Gewaltdarstellung in den Medien ganz allgemein und insbesondere in Computerspielen fordern. Besonders die Gewalttaten an Schulen werden gerne und mit Feuereifer denjenigen Computerspielen ursächlich angelastet, die sich in irgendeiner Form mit Gewalt befassen. Unrühmliche Glanzleistung des Beleges jeglichen Unwissens über die Materie der Verbotsbefürworter war wohl die Behauptung, dass "Final Fantasy VII" ein "Killerspiel" sei.
Jetzt schaltete sich auch der jedem bekannte und überaus populäre Kulturstaatsminister Bernd Neumann in die laufende Diskussion ein und bereicherte sie um einige Erkenntnisse. So unterstütze er die Vorstöße mancher Bundesländer, die Verbote fordern, sagte Neumann im Interview mit dem Magazin "Cicero". Er ist schon der Meinung, dass die "jetzige Gesetzgebung voll ausreichen" könnte, wenn "wirklich alle Verantwortung übernähmen". Das ist aber natürlich nicht der Fall und das belegt er daran, dass "zum Beispiel über menschenverachtende Killerspiele schon lange diskutiert" wird.
Aha. Lange Diskussionen sind also ein Zeichen mangelnden Verantwortungsbewusstseins. Soso. Über den Einsatz der Bundeswehr im Innern wird übrigens auch schon recht lange diskutiert und über mehr direkte Demokratie auch und über diverse Verfassungsänderungen wird auch schon seit einiger Zeit diskutiert und vom Einsatz der Bundeswehr im Ausland will ich gar nicht erst anfangen. Alles Zeichen mangelnden Verantwortungsbewusstseins? Interessante Sichtweise hat der Herr da, aber was verstehen wir denn schon davon?
Auch lässt der Herr Neumann völlig offen, was er denn so alles im Detail mit "Killerspielen" meint. Wahrscheinlich ist aber dieser Begriff irgendwo in den Unterlagen seines Ministeriums unzweideutig definiert und es ist nur eine Frage der Zeit, bevor diese unstrittige Definition uns allen zugänglich wird. Dann nämlich brauchen wir alle über diese Frage nicht mehr zu diskutieren, was denn so alles ein "Killerspiel" ist. Bliebe noch die von ihm ebenfalls offen gelassene Frage, wer denn eigentlich Verantwortung übernehmen soll. Die Industrie? Die Eltern? Die Spieler? Der Gesetzgeber? Und warum ausgerechnet die?
Immerhin: Herr Neumann hat eingesehen, dass Verbote alleine nicht viel bringen, denn "das Problem des unkontrollierten Medienkonsums von Kindern und Jugendlichen" wird man nach seiner Ansicht mit Verboten alleine nicht in den Griff bekommen. Na das lässt ja hoffen. Nun kommt aber der Klopper: Herr Neumann wünscht bei Livekonzerten sehr viel mehr direkte Kontrolle.
"Wenn ich so etwas im Fernsehen sähe, müssten die Gremien handeln - deren Möglichkeiten werden gar nicht voll ausgenutzt. Wer zulässt, dass diese Rapper öffentlich beispielsweise gewaltverherrlichende Texte zum Besten geben, nimmt seine Verantwortung nicht wahr."Auch dazu braucht es nicht etwa neue Gesetze, "sondern des verantwortlichen Handelns, des allgemeinen Bewusstseins auch der Gesellschaft, die Gewalt und Sexismus demonstrativ ächten sollte". Er fordert, dass Intendanten und Veranstalter mehr Verantwortung übernehmen. Verantwortung wofür? Für die Inhalte, die Künstler zum Gegenstand ihrer Kunst machen? Was stand da noch in Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes? "Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei." Und was stand da noch im selben Artikel im Absatz 1? "Eine Zensur findet nicht statt."? Und jetzt sollen plötzlich Intendanten und Veranstalter verhindern, was bestimmten Politikern nicht in den Kram passt, weil denen das Eisen zu heiß ist? Wie bitte?! Sind wir wieder so weit, dass der Staat zwischen zulässiger und "entarteter" Kunst unterscheidet oder wie?
Neumann sieht ja auch einen direkten Zusammenhang mit der Gewaltbereitschaft der Schüler. Er sieht da unmittelbar die Jugendbehörden der Länder in der Pflicht, die hier regulierend eingreifen müssten - ob der Herr weiß, dass diese Behörden bereits unmittelbar bei der USK mit eingebunden sind? Und er ist auch der Meinung, dass die Medien, besonders die Computerspiele und Live-Konzerte "der" Auslöser für die Gewaltbereitschaft an Schulen sind?
Na super. Die Probleme der gewalttätigen Kinder und Jugendlichen liegen also nicht darin begründet, dass Kindern und Jugendlichen in vielen Fällen keine Werte, keine soziale Orientierung und auch kein verbindlicher sozialer Wertemaßstab mehr vermittelt werden. Es liegt auch nicht daran, dass aufgrund der Arbeitswelt der dauerhafte Kontakt zu den Eltern zu oft fehlt oder massiv gestört ist. Und es hat auch überhaupt keine Auswirkungen, dass in vielen Fällen keine Bezugsperson mehr da ist, die sich für die Erziehung verantwortlich fühlt (die Schulen wehren sich ja mit Händen und Füßen gegen jeglichen Anschein eines staatlichen oder gesellschaftlichen Erziehungsauftrages.) Es liegt auch nicht daran, dass den Kindern und Jugendlichen in vielen sozialen Brennpunkten keinerlei Perspektive vermittelt wird und sich Gewalt in deren Realität als probates und funktionierendes Mittel bewährt hat.
Vielleicht sollte der Herr Kulturstaatsminister dann doch besser heute als morgen unser neuer
Ich finde es gut, dass Herr Neumann das fordert. Ehrlich.
AntwortenLöschenBesser kann man es nämlich nicht anstellen, sich selbst die Wähler zu vergraulen.
Er mag vielleicht im Augenblick damit einige Wähler fangen können. Aber nicht alle. Und von dem nachwachsenden Rohstoff "Wählerstimmen" werden sich einige vielleicht bei ihrer ersten Wahl dann daran erinnern, dass Herr Neumann ihnen ein Hobby zerstören wollte oder zerstört hat.
Weitsicht ist also nicht ganz seine Stärke.
freiheit von kunst, etc. gehört eigentlich nicht in frage gestellt. da sollten sich alle halbwegs vernünftig denkende menschen schon darüber einig sein...
AntwortenLöschenallerdings nur mal als beispiel... ich erinnere misch da dunkel an eine text-passage aus irgendeinem (wohl eher unbekannten) stück geistigen dünnpfiff von diesem "akkustischen und lyrischen künstler" genannt "sido", die da in etwa so lautete: "...nur weil du eine frau bist und man dich in den bauch f****, heißt das nicht, dass ich dich nicht schlage bis du blau bist..."
wenn ich mir dann vor augen führe, dass dieser mensch für eine nicht unbedeutende anzahl von jegendlichen eine art leitfigur darstellt, dann macht das auch mich nachdenklich - nicht mehr, nicht weniger
"The antidote to distasteful or hateful speech is not censorship, but more speech."
AntwortenLöschenEs ist eine Sache, wenn das Werk eines Künstlers gesellschaftlich geächtet wird. Es ist eine andere, wenn auf politischer Ebene eingegriffen wird.
ich wollte nicht ausdrücken, dass ich staatlichen handlungsbedarf oder zensur für notwendig erachte... mir ging es mit diesem beispiel lediglich darum zu zeigen, dass man überhaupt verantwortung übernehmen muss, um dem geistigen bullshit, der vielerorts verbreitet wird, so nicht im raum stehen zu lassen - meiner meinung nach geht es mit der deutschen medienkultur im allgemeinen steil bergab und die möglichen konsequenzen stimmen mich für die zukunft nicht gerade zuversichtlich
AntwortenLöschenAhso, dann hab ich das nur halb verstanden gehabt.
AntwortenLöschenund in der Sache, diskutieren ersetzt Verantwortung. Muss ich leider auch zustimmen...weil, warum wird solange diskutiert? weil keiner den Mumm hat etwas zu entscheiden oder anders, weil keiner die Verantwortung für eine eventuell falsche Entscheidung tragen will.
AntwortenLöschen