Montag, 29. Mai 2006

Was wir falsch machen

Recep Tayyip ErdoganDer türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan belehrte jüngst Tante Angie und auch ganz Deutschland darüber, wie "Integration" zu funktionieren hat und was wir hier in Deutschland alles falsch machen. Seiner Meinung nach geht das mit der erfolgreichen Integration wie folgt:
"Es gibt in Deutschland zu wenig Möglichkeiten, Türkisch zu lernen. Dabei kann ein junger Mensch Deutsch viel besser und viel schneller lernen, wenn er seine Muttersprache beherrscht."
Merke: Die Muttersprache ist nicht die des Landes, dessen Staatsbürgerschaft man hat, sondern die desjenigen Landes, das vor X Generationen von den Vorfahren verlassen wurde. Aber immerhin gesteht Herr Erdogan doch noch gerade zu, dass eine gemeinsame Sprache der zentrale Aspekt einer erfolgreichen Integration ist. Allerdings ist seiner Ansicht nach naheliegend, dass natürlich die Deutschen Türkisch zu lernen haben, denn Deutsch ist ja als Zweitsprache noch gerade eben gut genug aber tendenziell sowieso "völlig out".

Warum sonst sollten Deutsche erst Türkisch lernen bevor sie Deutsch lernen? Wenn "junge Menschen" die deutsche Sprache sowieso besser lernen, wenn sie zuerst die türkische Sprache lernen, dann kann Deutsch auch komplett wegfallen, wenn hier alle sofort Türkisch sprechen. Darüber hinaus dürften wahrscheinlich auch eine ganze Reihe von Linguisten und Sprachpädagogen nicht gerade wenig verblüfft darüber sein zu erfahren, dass gerade die türkische Sprache das Erlernen der deutschen Sprache vereinfachen soll.

Unbestritten ist allerdings, dass das Erlernen mehrerer Sprachen in früher Kindheit nicht nur bedeutend einfacher fällt, sondern in der Entwicklung zum Erwachsenen und auch generell später erhebliche Vorteile mit sich bringt, allerdings ist es dabei für die Entwicklung völlig unerheblich, welche Sprachen das sind.

Herr Erdogan hat aber noch weiterer Ressentiments gegen Deutschland:
"Dass man nach den Attentaten plötzlich mit der Polizei in Moscheen kommt und Razzien macht, sollte nicht akzeptabel sein."
Merke: Moscheen sind jene Zonen, in denen das Hoheitsrecht des Staates nicht gilt. Hier gilt einzig das Recht des Islam. Die Exekutive des Staates hat dort nicht nur nichts verloren, sondern schon gar keine Rechte. Wahrscheinlich hat Herr Erdogan in diesem Punkt eine grundlegend andere Vorstellung vom "Kirchenasyl" als wir es in Deutschland haben. Die Frage sei an dieser Stelle erlaubt, wie es denn in der Türkei mit der Polizei und dem Militär in Moscheen aussieht. Oder meint Herr Erdogan mit der von ihm gepriesenen Trennung von Kirche und Staat etwa genau das, nämlich eine Exklusivität der Kirche gegenüber dem Staatlichen Handlen?

Da es durchaus einige Türken deutscher Abstammung gibt, die in die Türkei zurückkehren, kann man an dieser Stelle auch fragen, an welchen staatlichen, allgemeinbildenden Schulen in der Türkei Deutsch gelehrt wird. Aber halt, das ist ja eh überflüssig, denn wer Türkisch kann, dem fliegt Deutsch ja ohne Mehraufwand zu. Quasi "Buy one - get one free" oder so. Ebenso Gegenstand der Spekulation dürfte wohl sein, wie Herr Erdogan den Umgang der Türkei mit Kurden, Griechen und Zyprioten rechtfertigt.

Auch ist wenig bekannt darüber, wie Herr Erdogan über das Verhalten seiner "Landsleute" in Deutschland denkt, die gerade durch ihr eben nicht gerade vorbildliches Verhalten auffallen. Auch zu den jüngst der breiten Öffentlickeit bekannt und bewusst gemachten Phänomenen Ehrenmorde, Eheversprechen, Jugendhochzeiten und so weiter, die ja angeblich insgesamt ein "Deutsch-Türkisches Problem" sind (behauptet jedenfalls die TAZ), hat sich Herr Erdogan in diesem Zusammenhang nicht geäußert, ebensowenig wie zum Beispiel zu den Themen Polygamie, Menschenrechte, Korruption, Analphabetismus etc. in der Türkei.

Wahrscheinlich ist das aber wieder "etwas völlig Anderes" und darf gerade von Deutschland wegen seiner "historischen Verantwortung" nicht angesprochen werden.

(Quelle: FTD)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Bedingt durch die DSGVO müssen Kommentare zu Beiträgen der Tapirherde manuell freigeschaltet werden, um um der Veröffentlichung von Spam-, Hass- oder sonstiger unerwünschten Kommentaren vorbeugen zu können. Die Veröffentlichung eines Kommentars kann deshalb ein wenig dauern. Sorry dafür.
Wenn Sie Beiträge auf Tapireherde kommentieren, werden die von Ihnen eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. die IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Weitere Infos dazu finden Sie in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.