Donnerstag, 27. September 2007

Buch und Bildung (2)

BücherEnde Juli 2007 kam die ehemalige Kultusministerin und jetzige Bundesministerin für Bildung und Forschung, Annette Schavan (CDU), auf die naheliegende Idee, dass die Sache mit den Qualitätsunterschieden der Bildungsabschlüsse irgendwie nicht so die Wende ist. Sie brachte - unter anderem - die Idee in ins Gespräch, dass die Schulbücher für alle Bundesländer einheitlich sein sollten. Sie erhielt übel Gegenwind, unter anderem auch von ihren eigenen Parteigenossen, zum Beispiel vom niedersächsischen Kultusminister Bernd Busemann (CDU). Der sagte nämlich:
"Wir wollen den Schulen doch gerade mehr Freiheiten geben, damit sie ein eigenständiges Profil herausbilden können."
Insgesamt geriet die Diskussion bald wieder in Vergessenheit, denn die Politiker haben ja schließlich ihre Lobby zu schützen, der sie ja gerade erst mit Verabschiedung des nächsten "Korbes" der Urheberrechtsnovelle quasi eine Lizenz zum Gelddrucken geschenkt haben (Stichwort: Rückkauf der eigenen Forschungsergebnisse). Wie dem auch sei, so ganz in Vergessenheit geriet das Thema nicht, denn die Stiftung Warentest dachte sich wohl: "Mal schauen, was da so dran ist an dem Qualitätsstandard der deutschen Schulbücher." Darum testete man dort 17 Schulbücher. Exemplarisch wurden aktuell in den Schulen verwendete Bücher für die Klassen 7 bis 10 des Gymnasiums aus den Fächern Biologie (10 Bücher) und Geschichte (7 Bücher) ausgewählt und geprüft.

Wir erinnern uns noch selber an unsere Schulbücher und damals wie heute kritisieren besonders Schüler die unnötig komplizierten Texte, die unverständlichen und verklausulierten Erklärungen und die insgesamt wenig paxisbezogene Gestaltung der Lehrmaterialien. Aber von diesen noch diskutierbaren Mängeln abgesehen kamen die Tester noch zu ganz anderen Ergebnissen. Sie beurteilten sachliche Richtigkeit, fachliche Eignung und didaktische Qualität.

Dr. Holger Brackemann von der Stiftung Warentest fasst das Ergebnis im Kern zusammen:
"Auffällig war, dass wir in sehr vielen Schulbüchern Fehler gefunden haben, teilweise sogar auf jeder geprüften Seite einen Fehler, und dass auch die didaktische Qualität, das heißt also im Aufbau und der Nutzerfreundlichkeit, in der Verständlichkeit der Texte, deutliche Unterschiede bei den Schulbüchern festzustellen waren."
Bitte was?! Auf JEDER geprüften Seite ein sachlicher Fehler? Also nicht etwa Rechtschreibung oder Satzbau, sondern so richtig voll daneben? Quasi "total falsch"? Und dann auch noch die wenig schmeichelhafte Feststellung, dass es "deutliche Unterschiede" bei der Benutzbarkeit gibt, was im Klartext wohl nichts Anderes bedeutet, als das einige Schulbücher vollkommen unbrauchbar sind? Das ist doch hoffentlich ein schlechter Scherz?

Leider nein. Die Stiftung Warentest hat alle Schulbücher von Gutachtern untersuchen lassen. Deren Ergebnis ist vernichtend. Einige der geprüften Schulbücher verbreiten "Halbwahrheiten" (z. B. "die sächsische Kleinstadt Werder", die nicht in Sachsen liegt, sondern in Brandenburg.) In jedem(!) geprüften Buch wurden Fehler gefunden. In einem Geschichtsbuch trat Erich Honecker nicht etwa am am 18. Oktober 1989 zurück, sondern schon am 18. September. Als Ausgleich dafür trat dann Egon Krenz nicht am 3. Dezember 1989 zurück, sondern sehr viel später. Ein Biobuch zeigt den Uhu als an der Spitze der Nahrungspyramide stehenden "Endkonsumenten" an, der sich, über den Füchsen, Mardern und Kohlmeisen als "Konsumenten 2. Ordnung" stehend, von diesen ernährt, was völlig an der Wirklichkeit vorbei ist. Erschwerend kommt hinzu, dass die Gutachter viele Schulbücher insgesamt als "schwach" einstufen, weil diese teilwese große Lücken im vermittelten Lernstoff aufweisen.

Gegenüber der Welt erklärte der Bereichsleiter der Stiftung Warentest, Hubertus Primus, für die Qualitätsmängel die unterschiedliche Schulpolitik der Bundesländer mitverantwortlich sei. Manche Verlage müssen für einen Titel bis zu 16 unterschiedliche Länderausgaben herstellen. Darum bleibt den Verlagen gar nichts anderes übrig, als hastig zu produzieren, wodurch für eine gründliche Überarbeitung einfach keine Zeit übrig bleibt.

Unter den getesteten Schulbüchern bekommt im Fach Bio "Nautilus Biologie 2" vom Bayrischen Schulbuchverlag in fachlicher Eignung, Fehlerfreiheit und Didaktik jeweils das Qualitätsurteil "gut". Es war das einzige Biobuch, dass im Bereich Fehlerfreiheit diese Note erreichte. Von den Gschichtsbüchern schnitt "Zeiten und Menschen 4" vom Schöning Verlag mit ebenfalls "gut" in allen drei Kriterien ab. Der ausfürhliche Test ist in der Ausgabe 10 vom Oktober 2007 der Zeitschrift "Test" nachzulesen.

Wer nach diesem unabhängigen Test noch immer ernsthaft der Meinung ist, dass viele unterschiedliche Schulbücher für viele unterschiedliche Schulen eine tolle Idee™ sind, der sollte mal dringend nachlesen, wie wir in den letzten Pisa-Studien abgeschnitten haben und was uns die OECD gerade in Hinblick auf unser Schulsystem an den Kopf geworfen hat.

(Quelle: Stiftung Warentest, Welt)

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