Wir glauben ja gerne, dass Deutschland in der Forschung ganz super wichtig sei. Wir glauben auch gerne, dass wir in einigen Themen so weit voraus sind, dass wir mehr oder weniger "auf ewig" Spitzenreiter sind. Wie unangenehm da wohl die Erkenntnis sein muss, dass Deutschland gerade in der Forschung schon lange nicht mehr ganz weit vorne dabei ist, sondern zunehmend abrutscht. Woran das liegt? Gute Frage, aber ein Punkt dürfte wohl das Stichwort "Regulierngswahnsinn" sein.
Herausragendes Beispiel ist die Stammzellenforschung. Alle möglichen religiösen Gruppierungen meldeten sich zu Wort und meinten, angeführt von der katholischen Kirche, dass man ja nicht abtreiben darf - wäre Mord - und embryonale Stammzellen wären deshalb total no go und so weiter. Der zum Teil abenteuerlichen Argumentation verschiedener Lobbyisten, die zwar meinen, in Bezug auf das Seelenheil der Menschheit *DEN* Durchblick, dafür aber vom Rest leider eher gar keine Ahnung haben, wurde in Deutschland eine restriktive Gesetzgebung verabschiedet.
Die Folge dieser Gesetzgebung war nicht etwa, dass weniger abgetrieben würde oder dass die Geburtenrate anstiege oder es den Kindern insgesamt besser ginge. Eher gar keine Auswirkungen hatte dieses Gesetz auf die vielen dramatischen Szenarien, die die Moralapostel an die Wand malten. Stattdessen war die Folge, dass der Rest der Welt munter weiter an diesem Thema weiterarbeitet und Deutschland mit hochgehaltener Fahne des hohen moralischen Anspruchs im Sumpf der Bedeutungslosigkeit versackt.
So langsam wird dem Gesetzgeber klar, dass es das so irgendwie nicht sein kann. Der Wirtschaftsstandort Deutschland hängt ganz eng zusammen mit dem Stellenwert der Forschung und darum denkt man sich, dass es jetzt mal so langsam Zeit wird, dass hier mal Gas gegeben wird. Darum soll das Gesetz über den Umgang mit Stammzellen überarbeitet werden. Diese Idee kommt nicht etwa aus der Wirtschaft oder von der Bundesregierung. Nein, diese Idee kommt ausgerechnet vom nationalen Ethikrat, der vorher am liebsten ein allumfassendes, absolutes und möglichst rigides Verbot jeglicher Handhabung des Themas gesehen hätte.
Dieser Klüngelclub hat wohl von verschiedenen Leuten die nackten Tatsachen um die Ohren gehauen bekommen und scheinbar wird den Herren dort in ihrem abgehobenen Penthouse des Elfenbeinturms langsam klar, dass man nicht etwa zum Vorteil Deutschlands gehandelt hat, sondern ganz klar ein echter Klotz am Bein ist. Darum versucht man dort nun eifrig, aber möglichst unauffällig zurückzurudern. Bevor irgendjemand mit wirklich Macht entscheidet, einen großen Haufen auf die Empfehlung dieses in erster Linie von irgendwelchen religiösen Dogmatikern durchsetzten Debattierclubs zu scheißen, will man jetzt doch irgendwie Stammzellen nach Deutschland lassen.
Damit das aber nicht zu einfach wird, soll jeder einzelne Antrag individuell geprüft werden. Genehmigt werden sollen aber nur solche Importe, bei denen die Gewinnung der zu importierenden Stammzellen weder vom Antragsteller noch von sonst jemanden in Deutschland veranlasst wurde. Außerdem soll das Material nur von allgemein zugänglichen Stammzellbanken kommen, die damit keine finanziellen Gewinne erzielen wollen. Im Gegenzug will man aber embryonale Stammzellen nicht nur für die Forschung, sondern auch für die Diagnose und die Behandlung von Krankheiten erlauben.
Toll, nicht wahr? Während andere Länder überall auf der Welt lange entschieden haben, dass die Ansichten irgendwelcher religiösen Fanatiker zwar ganz nett sind, aber wenig mit der wirklichen Welt zu tun haben und fleißig in die Forschung investieren, lässt man sich in Deutschland schön auf der Nase herumtanzen und vorschreiben, wer wann was wie zu tun und zu lassen hat. Auf Grundlage einer Geschichtensammlung, die nicht nur gut zweitausend Jahre alt ist, sondern auch völlig fiktional und auf eine gänzlich andere Kultur ausgerichtet ist.
Hinter dieser Debatte um die Stammzellen steht nämlich eine ganz andere Frage und das ist die nach der Abtreibung und der Verhütung. Für Kirchen ein komplettes Tabuthema. Für den Menschen draußen auf der Straße hat dieses Thema allerdings eine gänzlich andere Dimension. Leider ist bei den Kirchen noch nicht angekommen, dass sich "seit fruchtbar und mehret Euch" zwar toll liest, angesichts der Entwicklungen der Weltbevölkerung und der wirtschaftlichen Situation der Menschen diese Idee aber meistens völlig illusorischer Schwachsinn ist.
Sieht so aus, als wenn da mal irgendjemand hinter der Kulissen kräftig auf den Busch geklopft hätte. Wäre allerdings schön zu wissen, wer denn da eigentlich den Pfaffen die Pistole auf die Brust gesetzt hat.
(Quelle: Süddeutsche Zeitung)
Montag, 16. Juli 2007
1 Kommentar:
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Viel viel schöner wäre gewesen wenn mal ein Politiker darüber nachgedacht hätte...aber die kriegen ihr Geld ja trotzdem...
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