Donnerstag, 1. März 2007

Possenspiel

Irgendwie ist diese Geschichte langsam mehr als nur etwas eigenartig. Da wird ein türkischer Staatsbürger von den USA in einem reichlich umstrittenen Lager auf Kuba gefangen gehalten. Irgendwann wird er dann doch frei gelassen und kehrt nach Deutschland zurück. Dort geht der Mann dann vor Gericht, weil sich die Bundesregierung nicht um seine Freilassung gekümmert hätte. Spätestens an dieser Stelle fragt sich wohl jeder: Was um alles in der Welt hat die Bundesregierung mit der Freilassung eines Türken aus US-Amerikanischer Haft am Hut? Ist das nicht eher Sache der Türkei?

Egal wie, bei uns hat man scheinbar nichts zu tun und so stürzt man sich mit Anwälten und Untersuchungsausschüssen auf dieses ziemlich seltsame Thema. Inzwischen wird mehr oder weniger der gesamte Bundesnachrichtendienst aufgerollt und darf sich zum Thema räuspern. Auch hohe Politiker dürfen dort aussagen. Das tun sie auch, mal mehr, mal weniger begeistert. Aber immer wieder heißt es, dass die (damalige) Bundesregierung alles getan habe, um den Herrn Kurnaz aus der Haft frei zu bekommen.

Natürlich gibt es über diesen ganzen Vorfall von "damals" auch etliche Akten. Die möchte der Untersuchungsausschuss auch ganz gerne mal einsehen und so fordert er vom Landesamt für Verfassungsschutz Bremen - dort lebte Kurnaz vor seiner Inhaftierung - die Akten an. Das schickt auch brav die Akten nach Berlin. Ist ja nicht so weit weg. Dort kreisen diese Akten nun durch allerlei Behörden und Ministerien und werden gelesen, zerpflückt und wohl auch zensiert. Jedenfalls sind sie bis heute nicht beim Untersuchungsausschuss angekommen.

Der wiederum hat jetzt die Faxen dick und erklärte gegenüber dem Parlament, dass man ohne diese Akten nicht arbeiten könne und setzte alle Vernehmungen und Sitzungen etc. ab sofort wegen der seit Wochen fehlenden Akten aus. Das kommt natürlich sehr gut, zumal die Presse schon sehnsüchtig auf Aussagen ranghoher Politiker in dieser Sache wartet. Noch besser natürlich, dass diese Ankündigung veröffentlicht wurde.

Parallel dazu meldet sich heute jemand in dieser Sache zu Wort, dessen Schweigen man wohl hierzulande ganz gerne gesehen hat. Der ehemalige US-Sonderbotschafter und Beauftragte für Guantanamo, Pierre Prosper, sagte heute gegenüber der Presse ziemlich deutlich, wie sehr sich die Bundesregierung für die Freilassung des Herrn Kurnaz eingesetzt hatte:
"Von den Deutschen kam keinerlei Signal. Die deutsche Bundesregierung hat sich bezüglich des Kurnaz-Falles niemals an mich gewendet und ich habe auch keinen Hinweis meines Vorgesetzten, Außenminister Colin Powell, erhalten."
Upsi. Nunja, nun muss ja nicht jeder bei den Amerikanern über so etwas Bescheid wissen, mag man denken. Aber jetzt kommts:
"Hätte die deutsche Regierung gesagt, wir wollen Kurnaz haben, hätten wir uns sofort zu Verhandlungen zusammen gesetzt, um eine Verständigung darüber zu erreichen, die es ihm ermöglicht hätte, nach Hause zurückzukehren. Während meiner gesamten Amtszeit hat Deutschland mir gegenüber niemals ein Interesse bekundet, und ich war die Person, die innerhalb der US-Regierung dafür zuständig war."
Hm, naja, wissen ist eine Sache, aber frei lassen wollen ist ja ein ganz anderes Thema. Und da hatten die USA ja angeblich so sehr geblockt. Auch dazu äußerte sich Herr Prosper:
"Im Fall Kurnaz wussten es Deutschland und die Türkei, oder hätten es wissen müssen, dass die USA bereit waren, über seine Ausreise zu sprechen." "Unser Ziel war es, die Zahl der Gefangenen in Guantanamo drastisch zu reduzieren, und dies betraf auch Kurnaz."
Öhm, ja. Aber die USA haben doch verlangt, dass Kurnaz als Spitzel in Bremen gegen islamisten eingesetzt würde. Auch das scheint irgendwie nicht ganz zu stimmen, denn Prosper widerspricht dem entschieden. Von Herkunftsländern wie Deutschland sei nur verlangt worden "zu gewährleisten, dass von den Gefangenen nach deren Rückführung keine Gefahr für die Sicherheitsinteressen der USA oder der internationalen Gemeinschaft ausgeht." Nicht mehr, nicht weniger.

Jetzt bin ich richtig gespannt, wie sich diese Posse weiterentwickelt.

(Quelle: Tagesschau, Monitor, Pressedienst des Deutschen Bundestages)

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