Dienstag, 27. Februar 2007

Wir sind Oscar?!

Florian Henckel von DonnersmarckMontagmorgen, irgendwann zwischen drei und fünf Uhr, passierte es. Für den Film "Das Leben der Anderen" erhielt der deutsche Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck den Oscar für den besten "fremdsprachigen Film". Der Bundesverband Regie als auch FDP-Chef Guido Westerwelle bejubelten in Anlehnung an die Bild-Schlagzeile "Wir sind Papst!" den Film. Die gesamte Hohe Politik freut sich über den Erfolg und bezeichnet ihn als großen Erfolg. Von der Hochschule für Film und Fernsehen in Bayern hört man:
"Es ist eine unbeschreibliche Freude, dass diese Kino-Koproduktion des Bayerischen Rundfunks die Mitglieder der Oscar-Academy überzeugt hat, und dass das sehr deutsche Thema ausgerechnet in Amerika ein so starkes Interesse fand."
Wofür haben "wir" denn einen Oscar gewonnen? Man halte sich vor Augen, dass die Oscars nicht wirklich für den jeweils "besten" Film verliehen werden, sondern durchaus eine politische Aussage haben. Warum wohl gewinnt in derselben Verleihung die Schlacht um Iwo Jima Oscars, der Schlacht des Zweiten Weltkrieges, die wie kaum eine andere für die US-amerikanische Propaganda ausgenutzt wurde? Warum wohl werden plötzlich Oscars verliehen für Aufrufe an den Patriotismus, doch mal was für den Umweltschutz zu tun?

Wofür haben "wir" den Oscar bekommen? Für ein "sehr deutsches Thema"? Überwachung und Kontrolle sind "sehr deutsche" Themen? Natürlich in Kombination mit der viel gerühmten "deutschen Perfektion". Die bedrückende und zuweilen groteske Realität der umfassenden Kontrolle des Bürgers ist Aufhänger des Films, der Voyeurismus des Hauptdarstellers und deren Folgen gibt der Story Inhalt. Die zentrale Figur ist der gute Verräter, der menschenfreundliche Spitzel, den es allerdings in Wirklichkeit nie gab: Der Film hat keine historsiche Grundlage und wird deshalb von manchem Kritiker auch als "begrenzt realistisch" und wohl nicht ohne Grund als "kreative Verharmlosung" bezeichnet - herbere Kritik kann man sich von einem früheren DDR-Bürgerrechtler kaum vorstellen.

Das, was hier an Deutschlands Filmkunst in den USA offenbar bewundert wird, ist die beschönigende, die verharmlosende, die schon fast idealisierende Darstellung des totalen Kontrollstaates, das epische Ausmalen der Bespitzelung der eigenen Bürger, bei der es doch eigentlich recht lustig zugeht und immer irgendjemand das Allerschlimste verhindert. Und eben das wiederum löst hierzulande bei der Politik Beifall aus? Sollte uns das vielleicht irgendwie zu denken geben?

Wir erinnern uns? Man setzt hier und heute zunehmend Kameras ein, um die Bürger rund um die Uhr zu beobachten. Zwar gibt man zu, dass dadurch nicht ein Verbrechen verhindert wird, die Aufklärung im Nachhinein aber ganz bestimmt vielleicht erleichtert wird. Man erklärt mal eben alle Kreditkarteninhaber pauschal zu Verdächtigen der Förderung der Kinderpornographie, einzig und allein deshalb, weil sie eine Kreditkarte haben. Man will pauschal das Recht den Bürgern Spionagesoftware unterschieben dürfen, um herauszufinden, ob er vielleicht etwas Verbotenes auf seinem Rechner tut - ohne ihn davon informieren zu müssen, weder vorher, noch nachher.

Gamer gelten als gefährdet, man unterstellt pauschal Verdummung und Verrohung, obwohl niemand einen tatsächlichen Zusammenhang beweisen kann. Der Zusammenhang zwischen Gaming und Internet legt nahe, dass das Internet auch der Hort für Gewalt und extreme Propaganda sein muss. Der Bürger ist natürlich zu dumm dafür, sich mit solchen Inhalten kritisch auseinander zu setzen, deshalb ist es besser, wenn der Staat ihn davor schützt. Darum wird für die staatliche Kontrolle der Inhalte Werbung gemacht. Im Fernsehen. Zur besten Werbezeit.

Gefeiert wird ein Film über ein Schreckensszenario, das manchen Politikern feuchte Träume bereitet. Gefeiert wird scheinbar nicht etwa die "handwerkliche" Leistung des Films, sondern die plastische Darstellung dessen, was man mit ein wenig mehr staatlicher Kontrolle alles erreichen kann. Darüber sollten wir vielleicht ein klein wenig nachdenken.

1 Kommentar:

  1. Ich hab die Ansage Stoibers gehört zur "Oscarmeldung".
    Auch da dacht ich mir selbiges. Würde er sich mit dem Inhalt öffentlich auseinandersetzen würde offensichtlich werden dass er selbiges doch fordert...

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