Wir sind schon ein merkwürdiges Völkchen. Während einige der Meinung sind, alle Welt solle sich hier in Deutschland niederlassen und machen wie er oder sie das für richtig hält, sind andere das schon skeptischer. Ob das so richtig ist? Manch einer meint gar, man müsse sich ganz allgemein gegen alle Zuwanderer schützen. Manch anderer sieht das nicht ganz so krass und schränkt das ein wenig ein. Reicht ja, wenn man "die" dazu bringt, sich zur "
Deutschen Leitkultur" zu bekennen. Sowas ähnliches macht man in den USA ja auch. Und was man in den USA macht, muss ja gut sein.
Ganz weit vorne weg läuft Herr
Volker Bouffier. Er ist Innenminister in
Hessen und er macht sich ganz dolle Sorgen um unser Deutschland. Er meint: "Wer die deutsche
Staatsbürgerschaft erwerben will, soll sich zuvor intensiv mit unserem Land und seiner
Werteordnung auseinandergesetzt und sie auch akzeptiert haben." Aha. Na denn... Das heißt also, wer schon Staatsbürger ist, der hat das "voll drauf". Der hat sowohl die Werteordnung verinnerlicht als auch akzeptiert. So so. Na da passt ja
die Geschichte mit Halberstadt von neulich voll ins Bild, nicht wahr? War es nicht die Bundes-CDU, die neulich erst das Vorgehen in Halberstadt verteidigte? Naja, so ein bisschen nach rechts flirten ist ja nicht schlimm, nicht wahr? Das ist ja alles im Namen der Demokratie... Ich schweife ab.
Zurück zu Herrn Bouffier. Der forderte in seiner Presseerklärung einen sechs Punkte umfassenden Mindeststandard für die Einbürgerungswilligen:
- Mindestens acht Jahre Aufenthaltsdauer
- ausreichende Deutschkenntnisse
- Verpflichtung zu Einbürgerungskursen mit einem Wissens- und Wertetest
- Ausschluss verfassungsfeindlicher Bestrebungen
- Loyalitätserklärung
- Eidesleistung
Besonders der Punkt mit dem Wissens- und Wertetest verdient ein wenig Aufmerksamkeit. Als "zentral" bezeichnete Innenminister Bouffier die Notwendigkeit, das in einem Einbürgerungskurs vermittelte Wissen über Deutschland und das Werteverständnis zu überprüfen. Damit die inhaltliche Ausgestaltung des "Wissens- und Wertetests" nicht völlig ausartet, hat er schon mal einen "
Leitfaden Wissen und Werte in Deutschland und Europa" vorgelegt. 100 Fragen (jedoch ohne Antworten!) aus Geographie, Geschichte, Politik und Kultur der Bundesrepublik Deutschland sind darin zu finden.
Na dann schauen wir mal: "
Bist auch Du ein Deutscher?"
"Wie viele Einwohner hat Deutschland?" dürfte wohl noch bei den meisten einigermaßen korrekt beantwortet werden. Auch die Frage nach den drei durch Deutschland fließenden Flüssen wird noch gerade zu beantworten sein.
Die ersten Ausfälle erwarte ich aber bei: "Wie viele Bundesländer hat die Bundesrepublik Deutschland? Nennen Sie sieben Bundesländer und ihre Hauptstädte!" Ich mein, wie war das noch mit Pisa? Endgültig verreißen dürften aber wohl die meisten bei: "Welche Voraussetzungen muss man erfüllen, um deutscher Staatsbürger zu werden?"
Wer weiß denn, welche Versammlung 1848 in der Paulskirche in Frankfurt zusammenkam? Welches Ereignis fand am 20. Juli 1944 statt? Wann ging diese erste deutsche Republik zu Ende? Wie hieß der erste Bundeskanzler? Welcher deutsche Bundeskanzler bekam den Friedensnobelpreis? Woha. Das ist nicht gerade Wissen aus der Grundschule.
Erste "Knüllerfrage" - Der "Schicksalstag der Deutschen". Von den fünf für Deutschland relevanten Ereignissen werden zwei abgefragt: "Der 9. November hat in der deutschen Geschichte eine besondere Bedeutung. Welche Ereignisse fanden statt a.) am 9.11.1938 und b.) am 9.11.1989?" Was in dem Zusammenhang allerdings "Erläutern Sie den Begriff 'Existenzrecht' Israels!" mit Deutschland zu tun hat, erschließt sich mir nicht ganz, aber ich bin ja auch nicht Minister für Inneres und Sport in Hessen.
Weiter im Text. Grundrechte ("Nennen sie vier") und Verfassung ("Wo sind die Grundrechte der deutschen Staatsbürger festgelegt?" und "Von wem geht in der Bundesrepublik Deutschland alle Staatsgewalt aus? Welche Vorteile ergeben sich daraus für die Bürgerinnen und Bürger?") dürfte sich doch jeder mal eben so aus dem Ärmel schleudern. Aber dann kommt's: "Beschreiben Sie den Grundgedanken der Gewaltenteilung!" - Na denn, ich wünsche gutes Gelingen... Ich kenne nicht viele aus den heutigen Generationen, die dieses Konzept wirklich beschreiben, geschweige denn erklären können. Aber egal, die sind ja schon Deutsche. Oder sollte ich besser sagen "noch"?
Fragen nach Parteien und Wahlen ("Unter welchen Umständen können in der Bundesrepublik Deutschland politische Parteien und Vereine verboten werden? Würden Sie trotz eines solchen Verbots die Partei oder den Verein doch unterstützen? Unter welchen Umständen?") finden sich harmonisch neben Fragen zu Parlament, Regierung und Streitkräften - Fällt nur mir an dieser Zusammensetzung irgendetwas auf? - und werden wohl niemandem Probleme machen. Oder fällt jemandem die Antwort auf: "Für die Abgeordneten in den Parlamenten gilt der 'Grundsatz des freien Mandats'. Was heißt das?" etwa nicht sofort ein? Und es wird doch wohl jeder wissen, wie die Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland heißen, wann und zu welchem Zweck sie gegründet wurden, oder?
Und so geht es weiter. Immerhin ganze sechs Fragen zu Europa sind vorgesehen. Dazu dann noch Kinder-Fragen wie drei deutschen Philosophen, Werke von Goethe und Schiller, einen deutschen Nobelpreisträger der Literatur, drei überregionale Tageszeitungen, zwei öffentlich-rechtliche Rundfunksender...
Ich musste dann aber doch echt nachdenken als gefragt wurde, was dem deutschen Wissenschaftler Otto Hahn erstmals 1938 gelang. Ich wollte nämlich spontan antworten: "Die Flucht aus Hessen."
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