Montag, 8. Februar 2010

Erfolgreich ausbilden

Unsere Regierung bemüht sich nach Kräften die Erfolge des Einsatzes in einem positiven Licht darzustellen. Der Einsatz ist notwendig, heißt es, wenn auch aus Berlin nicht immer konkret verlautet, warum der Einsatz denn nun notwendig ist - was geht's den Bürger auch an? Mitreden darf er, ja, das wird ihm gerade noch zugestanden, mitentscheiden allerdings nicht. Und so wird immer wieder darauf hingewiesen, dass der Einsatz der Bundeswehr in erster Linie ein Einsatz zum Wiederaufbau ist und deshalb notwendig. Eine der zentralen Aufgaben, so heißt es, sei die Ausbildung der Polizei in Afghanistan, der ANP (Afghan National Police).

Nun gut, aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Ausbildung von Sicherheitskräften und besonders von Polizisten nicht gerade einfach ist. Vor dem Hintergrund der Situation in Afghanistan dürfte jedem einleuchten, dass diese Aufgabe durch die Gegebenheiten vor Ort nicht gerade vereinfacht wird. Niemand wird daher Wunder erwarten. Die Fraktion Die Linke wollte es genau wissen und stellte eine entsprechende kleine Anfrage (17/432) an die Bundesregierung. Die wiederum antwortete heute darauf (17/586).

Zwischen 2002 und 2009 wurden durch "deutsche Polizeiausbilder" rund 30.000 Polizisten in den Bereichen "allgemeine polizeiliche Grundfertigkeiten" sowie "kriminal- und grenzpolizeiliches Fachwissen" aus- und fortgebildet. Im Jahr 2009 wurden 3.594 afghanische Polizisten ausgebildet. Bei diesen Zahlen kommt man also auf gut 4.000 Polizisten, die "von uns" pro Jahr ausgebildet wurden. So die Antwort der Bundesregierung. Auf den ersten Blick sieht das doch schon ganz toll aus, nicht wahr?

Nun, Zahlen sind immer relativ. Zunächst sollten wir uns klar machen, dass die Polizisten von Polizisten ausgebildet werden, nicht vom Militär. Für diese Aufgabe standen bisher von deutscher Seite sagenhafte 123 (in Worten: einhundert dreiundzwanzig) Ausbilder zur Verfügung. Insgesamt wurden von den in Afghanistan operierenden Staaten mindestens 96.600 Polizisten ausgebildet und in den aktiven Dienst überstellt. Deutschland hat damit weniger als ein Drittel der jetzt eingesetzten Polizisten in Afghanistan ausgebildet. (Vorausgesetzt die Ansage der Politiker stimmt was den Zweck und Auftrag unseres Einsatzes angeht, dann werden 123 Polizisten von 4.500 Bundeswehrsoldaten beschützt. Das sind - rein rechnerisch - gut 36 Soldaten je Polizist... Nicht schlecht Herr Specht.)

Ob "ein Drittel" viel ist oder wenig, darf diskutiert werden, allerdings sollte dabei nicht vergessen werden, dass die Ausbildung der Polizei in der politischen Argumentation für den Einsatz in Afghanistan bislang immer als Hauptaufgabe des deutschen Kontingents kommuniziert wurde. Tatsächlich war es bis 2007 ganz allein Aufgabe und Verantwortlichkeit des deutschen Kontingents Polizisten in Afghanistan auszubilden. Seit 2007 liegt diese Aufgabe aber nicht mehr alleinverantwortlich bei Deutschland, sondern ist Aufgabe von EUPOL. EUPOL Afghanistan wiederum setzt sich zusammen aus Kräften aus den Mitgliedsstaaten der EU plus Kanada, Kroatien, Neuseeland und Norwegen.

Mit anderen Worten: von 2002 bis 2007 hat man Deutschland machen lassen. Dann hatte man die Faxen dicke und hat Deutschland die Verantwortung weg genommen und stattdessen in die Hände der EU und anderer Staaten gelegt. Angesichts der Zahlen wundert mich das wenig: Wenn zwei Drittel der Arbeit, die eigentlich unsere Aufgabe sein soll, von anderen erledigt wird, kommt es zumindest mir so vor, als wenn diese Aufgabe irgendwie nicht so wirklich von "uns" erledigt wird, sondern irgendwie dann doch eher von "anderen".

Immerhin: Aus dem politischen Olymp wurde uns jüngst kund getan, dass die Hauptaufgabe jetzt besonders verstärkt werden solle. Das ausbildende Personal solle deshalb deutlich verstärkt werden. Deshalb werde Deutschland zukünftig sage und schreibe 200 (in Worten: zweihundert) Polizeiausbilder nach Afghanistan entsenden. In Deutschland streiten sich derweil die Betreiber der Polizei - die Bundesländer - darüber, wer denn alles keine Polizisten entsenden will. Oder muss. So steht zwar schon mal fest, dass wir 77 Polizisten mit Ausbilderfunktion und -befähigung zusätzlich entsenden werden, wir wissen lediglich noch nicht so ganz genau, wo wir die her nehmen. Vielleicht finden wir ja welche beim Winterschlussverkauf.

Parallel zu den angekündigten finanziellen Mitteln soll so das Ziel einer einsatzfähigen Polizei und damit eine stabile innere Sicherheit in Afghanistan zügig erreicht werden. "Zügig" darf man übrigens wörtlich nehmen. Dem "einfachen" Polizisten wird nach Angaben des BMI (2008) in den von Deutschland betriebenen Ausbildungsgängen in zwei Kursen zu jeweils zwei Wochen der Grundstock polizeilicher Kompetenz mitgegeben. Führungskräfte erhalten drei weitere Kurse zu jeweils zwei Wochen. Bei uns in Deutschland dauert die Ausbildung zum Polizisten übrigens drei Jahre.

Ok, rechnen wir mal. 123 Ausbilder schaffen 3.600 Auszubildende in 2009. Demnach schafft ein einzelner Ausbilder im Jahr rund 29 Auszubildende erfolgreich durch die Lehrgänge. 200 Ausbilder würden damit - rein rechnerisch - rund 5.800 neue Polizisten ausbilden. Eine satte Steigerung um immerhin 61%. Nun, wir haben von unserer politischen Führung ein Ziel genannt bekommen. Dieses Ziel lautet: 134.000 Polizisten für Afghanistan. Einhundert und vierunddreißigtausend. Neunzigtausend (und 'nen Keks) haben wir jetzt. Wenn wir 5.800 Polizisten im Jahr ausbilden, dann schaffen wir das Planziel in nur noch... moment, eben ausrechnen... siebeneinhalb Jahren.

Was für ein Glück, dass sich die Alliierten in Afghanistan nicht auf die Leistung der deutschen Polizeiausbildung verlassen, im Gegenteil, die wurde in der Vergangenheit sogar mehrfach deutlich kritisiert. Die Einsatzbereitschaft der meisten Polizeieinheiten wird überwiegend als "auf dem niedrigsten denkbaren Niveau" beschrieben. Im April 2008 erreichte keine einzige Einheit der Afghan National Police den "Capability Milestone 1" (CM1), die höchste der vier Bewertungen hinsichtlich Training und Führung (die übrigen entsprechend CM2, CM3 und CM4). Im November 2008 - also nicht mal ein Jahr nachdem Deutschland nicht mehr den Ton bei der Polizeiausbildung in Afghanistan angab - erreichten bereits 18 (achtzehn!) Polizeieinheiten den CM1. Dem standen zwar noch immer 317 Einheiten auf dem Niveau CM4 gegenüber, (16 CM2, 22 CM3), aber irgendwie möchte man angesichts dieser Zahlen doch ein paar Fragen stellen. Egal wie, immerhin brauchen "wir" die fehlenden Polizisten auch nicht mehr alleine auszubilden. Man nimmt uns einen Teil der Arbeit ab. Honi soit qui mal y pense.

Zum Nachdenken am Ende noch ein paar Zahlen. Während Deutschland alleinverantwortlich für die Ausbildung der Polizei zuständig war, also im Zeitraum von 2002 bis 2007, wurden von Deutschland Mittel in Höhe von insgesamt 80 Millionen US$ für die Ausbildung bereitgestellt. Seit EUPOL Afghanistan übernommen hat, wurden von 2007 bis 2009 bereits 87 Millionen US$ investiert. In Zukunft wird Deutschland seine finanziellen Anstrengungen denn auch deutlich erhöhen. Auf insgesamt 480 Millionen Euro (rund 658 Millionen US$) jährlich werden die Investitionen für den gesamten Wiederaufbaueinsatz in Afghanistan steigen. Eine gewaltige Summe, auf die wir stolz sein können.

Für 2007 haben die USA übrigens 2,5 Milliarden US$ alleine für die Ausbildung der afghanischen Polizei budgetiert und dieses Budget 2008 noch einmal um weitere 800 Millionen US$ aufgestockt. Im den USA unterstehenden Distrikt Farah, genauer in Adraskan, haben die USA ein Ausbildungszentrum speziell für die afghanische Polizei aufgebaut, in der 800 Auszubildende in jeweils 16 Wochen dauernden Kursen ausgebildet werden...

Warum mache ich mir eigentlich Sorgen um das deutsche Bildungssystem?

1 Kommentar:

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