Freitag, 27. Juli 2007

Hexenjagd

Bund Deutscher Maedchen - Propagandafoto Drittes ReichKinder und Jugendliche treffen sich. Sie tauschen sich aus. Sie verarbeiten miteinander in ihrer Welt ihrer Ideen und Fantasien die Erfahrungen mit der Welt und den Menschen, die sie umgeben. Das gilt gemeinhin als "völlig normal", denn weder Eltern noch Lehrer haben Lust und Zeit dazu, sich selber mit diesen Themen auseinander zu setzen. Wen wundert es, dass dieser Verarbeitungsprozeß auch im Internet stattfindet? Wohl niemanden.

Der letzte Schrei im Internet sind sogenannte "Social Networks". Dazu gehört auch SchülerVZ, der an Jugendliche gerichtete Ableger von StudiVZ. Dort treffen sich eben jene Jugendlichen, die sich selbst überlassen mit sich und der Welt klarkommen müssen. Und im Großen und Ganzen klappt das wohl auch recht gut, nur gibt es da ein Problem: Jugendliche wollen provozieren. Sie wollen wahrgenommen werden, sie wollen, dass man sie als herausragend, als "anders als die anderen" erkennt. "Cool sein" eben.

Wie ist man "cool"? Genau so wie früher auch. Man tut etwas, was in den Augen der anderen möglichst verwegen ist. Früher hat man sein Moped solange getuned, bis es locker 50 km/h und mehr fuhr, heute... Ja. Heute greift man zu anderen Mitteln. Heute ist es in bestimmten Kreisen "cool", wenn man mit einschlägigen Sprüchen provoziert. Was interessiert Jugendliche? Alles. Was interessiert sie besonders? Alles Verbotene. Was machen Jugendliche dann wohl?

Exakt: Sie provozieren mit dem eigentlich Verbotenen. Die Liste ist lang und jeder hat auf Schlag bestimmt Beispiele parat. Auch die Tapirherde kann da mitreden. Pornographie ist ganz weit oben angesiedelt bei den "Kids" - man erinnere sich nur an den Artikel "Jugend". Und was wird den Jugendlichen noch so als ganz ganz dolle böse verboten eingetrichtert? Genau. Alles, was mit Hitläää zu tun hat. Was werden die Kids wohl machen? Genau. Sie werden sich über genau diese Themen austauschen, wo es möglichst viele Art nein sorry, Altersgenossen mitbekommen. Hinter dem Rücken der Eltern, versteht sich.

SchülerVZ ist da die ideale Plattform. Wen wundert es, dass es hier Gruppen gibt, die den vollkommen ahnungslosen und desinteressierten Eltern in aller Härte zeigen, was ihr Nachwuchs von der Welt weiß? Wer ist allen Ernstes darüber erstaunt, dass sich hier Gruppen mit solchen Namen finden: "Anal aber egal", "SmPuffHuren", "Beim Sex muss es richtig klatschen" oder "Hitler ist schon ok, nur das mit den Autobahnen war echt daneben"? Der Stern war der Meinung, dass hier eindeutig der Bestand des christlichen Abendlandes gefährdet ist und alarmierte die freiwillige Selbstkontrolle Multimedia.

Von "dunkler Praxis" spricht der Stern, nennt das Treiben der Jugendlichen(!) dort "überhaupt nicht jugendfrei" und zeichnet mehr oder weniger das Bild eines durch die Betreiber geschützten Bordellbetriebs. Ganz so, wie es auch manche weltgewandten und technikerfahrenen Politiker tun. Alarmierte Eltern, "eigentlich keine prüden Menschen", die wissen, dass "die Teenie-Bibel 'Bravo' mit Fotos von Halbnackten oder Erfahrungsberichten über den ersten Zungenkuss bei der Jugend von heute größtenteils Gähnen erntet" sind plötzlich bestürzt und entsetzt. Ein Paradies für Pädophile sei diese Seite.

Die Eltern machen Panik und verlangen, dass die Betreiber eingreifen, mobilisieren die Medien und machen Druck. Irgendjemand müsse die - in Augen der Eltern - unschuldigen Kinder doch schützen. Vor wem denn? Vor sich selber? Vor ihrer Umwelt? Ich vermute fast: Vor ihren Eltern! Ob den Eltern klar ist, dass die Kinder gar keine Kinder mehr sind, sondern Jugendliche in der Pubertät? Scheinbar nicht. Wie sonst wäre zu erklären, dass angeblich Eltern und alle zuständigen Stellen vollkommen vom Ausmaß überrascht worden wären? Wie können wirklich interessierte Eltern, die sich regelmäßig mit ihrem Nachwuchs austauschen und eine ernsthaft intakte Familie aufgebaut haben, vom Handeln des Nachwuchses dermaßen überrascht werden?

Wen wundert es, dass die ach-so-besorgten Eltern umfangreiche Verbote fordern? Wen wundert es, dass die "Expertin" Krafft-Schöning (sie ist übrigens Journalistin und Buchautorin und verdient wohl an der Panikmache ahnungsloser und besonders merkbefreiter Eltern ordentlich mit) verbindliche Standards für Seiten, die sich an Kinder und Jugendliche richten fordert, in denen den Themen, mit denen sich Jugendliche auseinandersetzen dürfen, möglichst restriktive Schranken auferlegt werden? Wer ist jetzt noch verblüfft darüber, wenn diese Dame im Stern fordert: "Schülervz ist lediglich die Spitze des Eisbergs. Und eigentlich sind solche Internet-Chats grundsätzlich nichts für Kinder unter 16 Jahren."

Warum darf eigentlich jeder Vollidiot Kinder in die Welt setzen und ist nicht vom Gesetz dazu verpflichtet, sich mit seinem Nachwuchs auch ernsthaft auseinander zu setzen? Warum gibt es keine Haftstrafen für Eltern, die ihre Kinder vor die Glotze schieben, statt sich mit ihnen zu beschäftigen? Und warum dürfen irgendwelche Boulevardmedien sogenannten "Eltern" mit ihren kruden Weltvorstellungen nicht nur ein Podium bereiten, sondern auch noch Behörden und Ämter damit belästigen?

(Quelle: Stern)

3 Kommentare:

  1. Es können ja nicht alle so sein wie Du.

    Aber das Problem ist, dass viele sich für gute Eltern halten, aber effektiv *keine* Ahnung von Erziehung haben. Vielleicht sollte man einfach mal sowas wie einen Führerschein für den Nachwuchs zur Pflicht machen. Einfach vor dem Sex den Nachweis einfordern, dass man geistig in der Lage ist, den Nachwuchs großzuziehen und entsprechendes Basiswissen besitzt.

    Und es wäre *ganz* wichtig, dass die Ansicht, die Erziehung wäre Aufgabe der Schule, des Fernsehens und des Internets, mal aus den Köpfen der Leute getilgt wird. Die soziale Kompetenz einiger Eltern ist doch auf "Ich habe keine Ahnung" oder "Ich komme damit einfach nicht mehr klar" beschränkt. Und es hilft ja niemand. Das Jugendamt? Die verwalten sowas nur noch. Die Schule? Die soll Wissen vermitteln und ein bischen soziale Kompetenz. Fernsehen? Wie soll ein rein passives Medium bitte dem Drang zur Interaktion nachkommen? Das Internet? Die Chance, durch falsche Ansätze noch mehr zu versauen ist größer, als durch passende Hilfe die Erziehung in den Griff zu bekommen.

    In der Pflicht zur Erziehung ist nicht die Regierung. Die kann allenfalls Regeln erlassen, wie die Eltern vorzugehen haben. Auch Schule, Fernsehen und Internet haben hier keinen Handlungsbedarf. In der Pflicht sind in erster Linie die Eltern, die sich - wenn sie schon selbst nicht wissen, was zu tun ist - gefälligst zu informieren haben, wo es lang geht.

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  2. Kinder sind Kinder, den sie wissen nicht was sie tun.
    Kinder wissen auch nicht das was einmal im Internet ist, für immer dort bleiben wird.
    Kinder wissen auch nicht das es ein leichtes ist Pseudonyme in Realnamen umzumünzen.
    Kinder wissen einfach nicht, das der Scheiss den sie dort fabrizieren um für den Moment "cool" zu sein, später ganz böse zurück kommt.

    Wüsste Kinder das, dann würden sie es nicht tun, aber dann wären es auch keine Kinder mehr.

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  3. mhh... plötzlich tauchen diskusionen (welchen sinns auch immer) im internet auf, die sonst nur auf dem schulhof während der pausen oder sonstwie geführt werden, wenn mal eben kein erwachsener zur stelle ist - und plötzlich stellen ein paar erwachsene menschen, denen der nachwuchs bisweilen reichlich egal zu sein schien, fest, was die sprößlinge untereinander so von sich geben - und plötzlich wird da ein skandal gewittert, der zumindest inhaltlich gar nicht so neu ist...

    und ich werde plötzlich ein fan staatlicher geburtenkontrolle

    das schlimme ist: es werden verbote und sanktionen kommen, welche die thematik in irgendeine ecke schieben, in der man davon nichts mehr mitbekommt - und man wird sich auf die schulter klopfen, dass man eine "lösung" für das problem gefunden hat, aber im grunde wird sich nichts bedeutendes ändern

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