Donnerstag, 11. September 2008

Datum

ZeitungWohl fast jedem ist es schon mal passiert einen Artikel zu lesen und sich zu fragen, von wann dieser Text eigentlich ist. Manche Medienhäuser halten es für eine grandiose Idee, ihre Online-Artikel durch das Vorenthalten des Datums der Veröffentlichung interessant zu gestalten. Immer wieder findet man im Netz Publikationen, die sich hartnäckig weigern, dem Leser in irgend einer Form Auskunft darüber zu geben, von wann ein bestimmter Artikel ist. Die Begründungen - wenn man denn überhaupt eine erhält - reichen von abstrusen technischen Behauptungen ("Das geht nicht") über haarsträubende Verweise auf das Urheberrecht bis hin zu der Feststellung, dass wirtschaftliche Aspekte im eigenen Haus dies so vorgeben ("Das Marketing will das so").

Man kann dieses eigenwillige Verhalten beurteilen, wie man will. Eins ist es mit Sicherheit nicht: Klug. Leser einer Internetzeitung in Florida hielten eine Mitteilung von 2002 für "brandaktuell" und super toll, das United Airlines pleite sein soll. Sie hielten diese Uraltmeldung für dermaßen "toll", dass sie mit der "Vote News" Funktion dafür sorgten, dass diese Mitteilung im Ranking der Webseite weit nach vorne gelangte. Welcher Leser macht sich schon die Mühe und vergleicht mit anderen Medien?

Derart nach vorne geschoben fand der Newscrawler von Google diese undatierte Nachricht von 2002 und hielt sie, wohl auch wegen des aktuellen Bezugs zum 11. September, für "neu". Der Haken ist allerdings, dass das zwar 2002 aktuell war, heute aber überhaupt nicht den Tatsachen entspricht. Da dieser Artikel aber nicht datiert war, setzte der Newscrawler die Mitteilung am 8. September 2008, mehr als sechs Jahre nach dem Event, als "News von heute" auf die Titelseite.

Kaum dort erschienen, reagierten andere Automatismen. Weitere Webseiten griffen die Story auf und die automatischen Schutzmechanismen des Finanzmarktes griffen ein, um das Kapital der Anleger zu schützen. Vereinfacht: Banken grasen automatisiert Webseiten ab, um wichtige Meldungen zu finden. Taucht eine solche auf mehreren bestimmten Webseiten auf, werden automatisch bestimmte Mitteilungen verschickt. In diesem Fall wurde im Prinzip die Mitteilung verschickt "United pleite, Aktien sofort verkaufen".

Die Anleger taten genau das und so fiel die Aktie binnen kürzester Zeit von 12 US$ auf 3US$, was einem Kapitalverlust von 1.4 Milliarden US$ entspricht. Zwar erholte sich die Aktie im Laufe des Tages wieder, schaffte es aber nur wieder auf knapp 10 US$ zu steigen. United Airlines verlor so rund 300 Millionen US$ Kapital.

Ob dieser Vorfall Folgen haben wird, ob z. B. United Airlines die Zeitung verklagen werden, ob sich die Börsenaufscht einschaltet oder ähnliches, ist unklar, dürfte aber nicht ganz unwahrscheinlich sein. South Florida Sun-Sentinel hält sich zu dem Thema jedenfalls bedeckt und datiert jetzt seine Meldungen...

(Quelle: Wall Street Journal, Google)

3 Kommentare:

  1. Krass!
    By the way: Wann passierte das denn? Kann man Deinem Artikel leider nicht entnehmen... aber immerhin isser ja datiert... ;o)

    PS: Hast Du eigentlich meine Mail mit einem Zeitungsausschnitt an tapirherde[at]gmail.com bekommen?

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