Mittwoch, 20. August 2008

Polizeieinsatz - Aftermath

Merkel SaakaschwiliDie Polizeiaktion in Georgien macht den Normalsterblichen zur Zeit etwas aufmerksamer dafür, was in Russland so alles los ist. Sicher, das ARD-Magazin Monitor hat herausgefunden, dass in Georgien G36 Gewehre der Firma Heckler und Koch benutzt werden und halb Deutschland ist deswegen in Aufruhr. Aber wer redet über die vielen hundert - wenn nicht gar tausend - von der russischen Armee in Gori beschlagnahmten Bushmaster, bei uns umgangssprachlich bekannt als M-14? Im Moment wohl nicht so viele.

Warum eigentlich nicht? Sind westliche Waffensysteme in einem Kriegsgebiet automatisch gefährlicher, wenn sie von Firmen hergestellt werden, die irgendwas mit Deutschland zu tun haben? hk wohnt schließlich auch nicht nur hier in Deutschland. Die Antwort ist so naheliegend, wie unangenehm: Wenn die Amerikaner im Rahmen eines humanitären Hilfsprogramms (wie in diesem Fall seit 2002) Waffen liefern, dann ist das für uns Deutsche "okay", wir setzen das sogar irgendwie voraus, aber wenn wir das selber machen, ist das verboten. Wundern darf ich mich aber noch, ja? Naja, wenigstens kann ich gut verstehen, warum sich die Amerikaner so aufregen.

Wo wir gerade von erstaunten Leuten reden: Wenn man Leute ausbildet, sollte man sie auch ausrüsten. Richtig so, Israel. Die Sache mit den Waffenlieferungen aus an Georgien erweist sich jedoch offenbar als Bumerang. Das Resultat ist, dass das zukünftig der EU assoziierte Syrien seine Verbindungen zu Russland aufpoliert, was wiederum den Israelis gar nicht gefällt, hat der Iran doch gerade erst gezeigt, dass man - zumindest theoretisch - ins Orbit kann und behauptet, dass die eigenen Flieger locker bis nach Israel und wieder zurück fliegen können. Strange World.

Dabei sagen sogar die Leute aus Süd-Ossetien (das ist übrigens die Gegend, um die es eigentlich geht), dass sich Europa zwar nie so wirklich um diese Region gekümmert hat, das aber die Mitgliedsstaaten der EU nicht daran gehindert hat, Georgien militärisch aus- und aufzurüsten: "Many form the EU member states have taken active part in Georgia’s military equipment during the last ten years. The governments of those countries were aware of the fact that Georgia will use their arms, including the weapons of mass destruction, not for defense". Huch? Ich denk, wir haben damit gar nichts zu tun?

So richtig geil war das Ergebnis der Russen übrigens auch wieder nicht. Oder wie es das Pentagon ausdrückte: Die russischen Truppen "performed very badly". Augenzeugen sprechen davon, dass zwischen 25 und 50 Prozent der in Richtung Georgien in Marsch gesetzten Panzer auf der Strecke mehr oder weniger verreckt sind und erst wieder repariert (teilweise auch abgeschleppt) werden mussten. Schätzungen gehen davon aus, dass mindestens 10% der mobilisierten Panzer nicht mal den Einsatzraum erreicht haben.

Was uns zur nächsten Frage bringt: Was haben die Russen da eigentlich hingeschickt? Eine Infanteriedivision mit recht beeindruckenden Profis. Dazu einen ordentlichen Stapel Panzer, vielleicht 2 oder 3 Divisionen, und Gelorre. Überwiegend T72 und T60 aus den 1970er Jahren und ein paar T80. Altes Zeug. Dazu die üblichen BMP, Shilkas und Kleinkram. Was haben sie nicht dahin geschickt? Luftunterstützung und modernes Gerät. Klar, eine handvoll Frogfoot, das Gegenstück zur amerikanischen A10, und wohl auch die eine oder andere Hind, aber ansonsten war in der Luft eher sehr wenig los. Zumindest wenig Russisches. Die Lücken versuchten die Russen mit SS-21 zu schließen. Bei der Bekämpfung der georgischen Polizei war das wohl hin und wieder erfolgreich.

Was Russland erreichen wollte? Ich will jetzt gar nicht erst davon anfangen, ob Russland die Verträge mit der Nato und der UN über den an Russland ultimativ und verbindlich gegebenen Auftrag zu Befriedung der Region erfüllt oder übertrieben hat. Ach, davon wusstet ihr nichts? Wenn es diese Verträge nicht gäbe, was sollte den Westen, die Nato, die Amerikaner, davon abhalten, sofort irgendwelche Truppen "zur Rettung der Welt" (lies: Georgien) zu mobilisieren und mit aller Härte zuzuschlagen? Warum wohl hat (noch-) Präsident Bush so vorsichtig herumlaviert, als es darum ging Flagge zu zeigen? Warum wurde wohl von allen Staaten zwar das Vorgehen, die Methode und der Umfang, aber nicht das Handeln als solches kritisiert?

Offensichtlich ging es Russland aber auch darum, innenpolitisch Zeichen zu setzen. General Anatoly Nogovitsyn, Chef des Generalstabs, formulierte es am 14. August ziemlich eindeutig, aber für viele wohl nicht eindeutig genug: "Wir werden schwerwiegende Schlüsse aus den Ereignissen ziehen." Wie schwerwiegend mag wohl schwerwiegend sein? Als gut informierter Sofastratege denkt man an ein paar neue AK47 und vielleicht auch ein paar neue Autos, vielleicht sogar ein neuer Hubschrauber.

Nun, der Russe denkt anders. Der beschließt erstmal ein paar Flugzeugträger zu bauen. Fünf oder sechs Träger will man in den nächsten 15-20 Jahren bauen. "Na und?" Nun, in der Fachsprache meint "Träger bauen" (as opposed to "Bus bauen") nicht nur den eigentlichen Träger, sondern die komplette Trägergruppe, will sagen den Träger, seine Eskorte (Fregatten, Uboote, Zerstörer, sowas die Richtung), die Flugzeuge, Mannschaften, Versorger und so weiter. Kurz gesagt: Russland will fünf oder sechs komplette Flotten auf Kiel legen.

Nebenbei dürfte das Auseinanderfallen der Panzer eine Steilvorlage für einige längst im Schreibtisch liegende Pläne für eine Rundummodernisierung der russischen Bodentruppen sein, denn den Entwicklungen im Westen, weg vom MBT, muss langsam mal Rechnung getragen werden. Die Panzerschlacht in der Norddeutschen Tiefebene ist Strategie von vorgestern. Auch die Luftwaffe dürfte sich über weiteren Aufwind freuen, was sich schon jetzt in den schon fast ängstlichen Protesten der US-Außenministerin über die steigende Anzahl von Flügen russischer Bomber über "fremden Gegenden" deutlich wiederspiegelt: "Nobody needs Russian strategic aviation along America's coasts".

Wie schön, dass es in Europa und der Welt so wunderbar ruhig ist. Lieb Vaterland, magst ruhig sein...

5 Kommentare:

  1. Nur weil der Russe mit seinen Bombern bis nach Russland kommt, bedeutet das ja nicht das er auch bis Deutschland kommt...Die USA sind immerhin noch ein ganzes Ende von Europa entfernt! Reine Panikmache also.

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  2. Ich bin aber in Deutschland ...

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  3. "Nur weil der Russe mit seinen Bombern bis nach Russland kommt, bedeutet das ja nicht das er auch bis Deutschland kommt..."

    lol?

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  4. Ja sowas dachte ich erst auch und dann habe ich mich beim zweiten mal total verlesen.

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  5. meinte halt usa, tut mir leid aber du weißt ja das ich meine Finger manchmal nicht unter Kontrolle hab :)

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