Freitag, 13. Juni 2008

Kreationisten und die wahre Welt

Gertrudenkirche OldenburgDamit das ungläubige Pack in Deutschland die Sache mit dem Schöpfungsplan auch endlich mal begreift, haben sich ein paar Schweizer überlegt, dass es doch ein prima Plan wäre, wenn sie in Deutschland ein biblisches Begegnungszentrum aufbauen. Im Raum Heidelberg soll es entstehen und dort soll nicht nur die Arche Noah im Maßstab 1:1 aufgestellt werden. Die Firma Genesis-Land AG. Deren Chef, Gian Luca Carigiet, ist wiederum Vorsitzender von ProGenesis (nicht zu verwechseln mit "progenesis").

Nach eigenen Worten ist ProGenesis
"ein Verein, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die breite Öffentlichkeit darüber aufzuklären, dass die Evolutionslehre nach wie vor eine unbewiesene Theorie ist, dass die Bibel entgegen den Behauptungen moderner liberaler Theologen und evolutionsgläubiger Wissenschaftlern auch historisch relevant ist und dass der dreieinige Gott der Bibel weder ein mythologisches Märchen noch ein der Natur innewohnendes Urprinzip ist, sondern eine erfahrbare Realität".
Diese Zielsetzung wird detailliert erklärt und ist tatsächlich ernst gemeint. Kurz gesagt, dieser Verein will, dass die Bibel zwingend von jedem als faktische Grundlage allen Seins anerkannt und aufgeklärte Wissenschaft sowie alle nicht christlichen Lehren als Humbug abgelehnt werden, sofern sie im Widerspruch zum Wortlaut der Bibel stehen.

Mit dieser Präambel will der Verein im Raum Heidelberg "die Zeit von der Schöpfung bis zur Sintflut" darstellen, "in der Mitte das Alte Testament" "rechts die Zeit von Jesus Christus" bis zur Erschaffung eines "neuen Himmels und einer neuen Erde". Ein Themenpark, der auch Achterbahn und Wildwasserbahn enthalten soll. Das Projekt ist auf Rendite ausgelegt und natürlich, so Carigiet, der zufällig auch Unternehmensberater ist, werde die Rendite reinvestiert. Diese Rendite sollen vor allem Restaurants und Geschäfte liefern. Ein Schelm, der glaubt, es ginge beim Glauben am Ende nur um den Mammon.

Im Kern lebt der Kreationismus davon, dass die Evolution nicht minutiös beweisbar sein soll. Es gibt, so die Überzeugung der Gläubigen, keinen Schlüssigen Beweis dafür, dass sich die Arten aus gemeinsamen Vorfahren und letztendlich aus "der einen Urzelle" entwickelt haben. Evolution als Zufallsprodukt ist in ihren Augen undenkbar und nur ein "höherer Wille" oder "Plan" kann überhaupt jemals dazu geführt haben, dass es heute z. B. den Menschen gibt. Die Crux der Wissenschaftler ist, dass Evolution über lange Zeiträume wirkt und nicht mit Vollgas von heute auf morgen. Jedenfalls war das bis jetzt so.

New Scientist berichtet von Richard Lenski, Biologe der Michigan State University. Der nahm vor zwanzig Jahren ein einzelnes Escherichia Coli Bakterium und legte daraus im Labor 12 Kulturen an. Diese 12 Kulturen haben seit dem rund 44.000 Generationen durchlaufen und werden kontinuierlich von Richard Lenski beobachtet und überwacht. Das war zum weit überwiegenden Teil ziemlich langweilig, weil die Bakterien irgendwie immer genau das taten, wie ihre Kollegen, Vorfahren und Kinder.

Allerdings irgendwo um die 31.500ste Generation herum passierte mit einem Stamm der E. Colis etwas merkwürdiges. Von heute auf morgen entwickelte diese Kultur die Fähigkeit Zitrate zu verdauen. Die Unfähigkeit Zitrate zu verdauen ist der Indikator für Biologen weltweit, anhand dessen E. Coli von anderen Bakterien unterschieden wird. Diese Fähigkeit galt bislang als "jenseits der Möglichkeiten" von E. Coli.

Lenski ging davon aus, dass es sich um eine Mutation handeln müsse. Um herauszufinden welche Art von Mutation vorliegt, griff er auf die Exemplare zurück, die alle 500 Generationen von jedem Stamm tiefgekühlt gelagert werden. Das erlaubt ihm, jede Kultur an jedem beliebigen Punkt erneut zum Leben zu erwecken und deren Entwicklung von da an erneut ablaufen zu lassen. Lenski fand nicht nur heraus, dass irgendwo um Generation 20.000 herum in Stamm derjenigen Kultur, die später das Verdauen von Zitraten entwickelte, es zeigte sich auch, dass alle folgenden aus diesem Stamm angelegten Kulturen früher oder später dieselbe Fähigkeit entwickelten, die anderen jedoch nicht, obwohl für alle exakt dieselben Voraussetzungen galten.

Das Experiment zeigt, dass Evolution nicht immer zum bestmöglichen Resultat führt, sondern manchmal eben doch zufällige Ereignisse zu Veränderungen in einer Population führen können, die andere Populationen derselben Art nicht erleben. Kreationisten behaupten, dass eben genau das nicht möglich sei: Sie behaupten, dass sich keine komplexen Eigenschaften durch rein zufällige Ereignisse entwickeln können. Lenskis Beobachtung, die durch Andere Wissenschaftler inzwischen bestätigt wurde und jetzt weltweit sehr detailliert untersucht wird, beweist das Gegenteil.

(Quelle: New Scientist, Zeit)

2 Kommentare:

  1. Ich hab ja zudem das Gefühl das dieser Kreationismus auch hier in meiner Gegend stark verbreitet ist. Besonders merkt man das im Gespräch (wenn das Thema angeschnitten wird) mit älteren Personen und auch mit Jugendlichen vom Land, bzw aus religiös geprägten Schulen die meistens von Nonnen geleitet werden.

    Und mit sowas wie dieser Studie kann man ihnen nicht kommen, manchmal hat man sogar das gefühl, nicht nur dass sie solche Studien leugnen, sondern dass so etwas geistig garnicht begreifen. Komisch zu erklären, es ist kein Abblockverhalten, aber das Verständnis fehlt wie wissenschaftliche Arbeiten ablaufen.

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  2. Normales Verhalten eben. Als (unter anderem) Galilei mit der Idee ankam, dass die Erde vielleicht doch nicht so ganz scheibenförmig sein könnte, wie sich das im Weltbild der gesamten Menschheit bis dahin verfestigt hatte, gab es zunächst auch Skeptiker und "Ewiggestrige". Und als dann auch noch später der Weg vom Geozentrischen Weltbild weg zum Heliozentrischen Weltbild führt (wovon wir ja mittlerweile auch wieder abgekommen sind, da ja bekanntermaßen die Sonne nicht den Mittelpunkt der Galaxie oder des Universums darstellt), war das Geschrei ebenso groß.

    Die Reaktion ist normal: Alles, was man bis dahin zu wissen glaubte, wurde in Frage gestellt. Das Verständnis vom Funktionieren der Welt wurde dadurch so fundamental umgekrempelt, dass viele konservativ eingestellte Leute damit eben nicht klarkommen. Das wiederholt sich gerade mit den Kreationisten.

    Interessanter Weise ist es so: Diese Evolution der E-Coli wird als "Zufall" abgetan, aber der Lehre der Kreationisten nach ist gerade die zufällige Mutation etwas, was es nicht geben kann. Insofern widersprechen sich diese Leute selbst und machen sich damit vor den anderen lächerlich.

    Meine Meinung: Sollen sie ihren Glauben leben. Sollen sie auch gerne Informationszentren bauen - von mir aus auch Freizeitparks - so lange sie mich damit nicht belästigen und so lange sie mit ihren Ansichten nicht so aufdringlich hausieren und missionieren gehen wie die ZJs von der "Wachturm"-Gesellschaft.

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