Montag, 7. Januar 2008

Sicherheit in Deutschland

Schlägerei in U-BahnNicht lange ist es her, da verkauften uns Sicherheitsexperten Überwachungskameras als die Wende in Sachen Gefahrenabwehr. Teures Personal lasse sich so einsparen und könne sehr viel effizienter zu den Tatorten geschickt werden, weil man ja ein sehr viel größeres Gebiet überwache. Und so wurden die Gesetze angepasst und der Bürger muss es sich seit dem gefallen lassen, zunehmend lückenlos beobachtet zu werden. Hat das eigentlich Auswirkungen auf das Kriminalitätsgeschehen? Die Experten drücken sich um eine klare Aussage. Man müsse die Entwicklung abwarten. Von "langfristigen Veränderungen" ist die Rede, die man noch nicht absehen könne.

Die Vorfälle der letzten Zeit zeigen vor allem eins: Kameras dokumentieren, dass Täter mit zunehmender Härte und Brutalität zuschlagen. Überall in Deutschland werden von den Medien und der Politik Fälle ausgegraben, in denen jemand wegen Nichtigkeiten zusammengeschlagen wurde. Toll ist ja, dass man die Täter gefasst hat. Den Opfern hilft das keinen Meter. Haben die Kameras die Gesundheit auch nur eines der Opfer geschützt? Wohl eher nicht. Dafür konzentriert sich die Politik jetzt aber auf eine Debatte, die vollkommen am Ziel vorbei geht. So soll das Jugendstrafrecht verschärft werden. Umerziehungslager sollen entstehen und "Warnarrest" eingeführt werden.

Schützt eine schärfere Strafandrohung vor Kriminalität? Die Erfahrung zeigt in aller Deutlichkeit, dass dem nicht so ist. Die Theorie "harte Strafen verhindern Straftaten" trifft nicht zu. Man nehme nur die Todesstrafe. In Staaten, in denen zum Beispiel Mörder hingerichtet werden, gibt es trotzdem Mörder. In den USA zum Beispiel erheblich mehr, als bei uns. Das wissen auch unsere Politiker, denn gerade die sind ganz weit vorne mit dabei, wenn es darum geht, zum Beispiel den USA kräftig ans Bein zu pinkeln, wenn es um die Todesstrafe geht.

Manche Politiker bemerken, dass irgendetwas vollkommen schief geht. Sie sehen, dass sie scheinbar wie die Wilden an der Sicherheit herumschrauben. Sie glauben mit Vorratsdatenspeicherung, Umkehr der Beweislast, Zusammenführung von Polizei und Geheimdienst, flächendeckender Überwachung und so weiter hätten sie doch schon alles getan, um Deutschland sicher zu machen. Und jetzt zeigt sich, dass Deutschland scheinbar immer unsicherer wird. Peter Gauweiler von der CSU glaubt die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Er fordert eine Sicherheitsinitiative zu Hause:
"Deutschland wird in der Münchner U-Bahn verteidigt, am Bahnhof Zoo in Berlin und in der Frankfurter Innenstadt."

Peter Gauweiler, Bild, 7.1.2008
Deutschland wird angegriffen! Es herrscht Krieg! Den Terrorismus, den der Eine von außen drohend sieht, erkennt der andere in dem Schläger ihm gegenüber im Bahnhof. Natürlich kennt Herr Gauweiler auch die Gründe: "Es wird zu wenig abgeschoben und zu viel undifferenziert hereingelassen. Jeder weiß das." So so. Wir alle wissen das. Weil wir alle das wissen, sollen wir denn auch alle dafür bezahlen. Der Herr Gauweiler stellt sich nämlich vor, dass man als Sofortmaßnahme in jeden S-Bahnwagen einen Wachmann stellen könnte. Die entstehenden Kosten sollten die Fahrgäste tragen, zum Beispiel durch einen Aufschlag von 10 Cents auf den Fahrpreis.

Vor einiger Zeit hatte man in Leipzig Hartz IV Empfänger als "Begleitpersonen" im öffentlichen Personennahverkehr beschäftigt worden. Auch andere Städte experimentier(t)en mit solchen Ideen. War wohl alles nicht so die wahre Lösung. Darum soll jetzt wieder eingestellt werden, was man erst gerade wegrationalisiert hat. Allerdings nicht etwa der gut ausgebildete Schutzmann, dem zurecht Fach- und Sachkompetenz zugetraut wird, sondern irgendwelche "Sicherheitsdienste", zu denen der Bürger in der Regel ein instinktiv zwiespältiges Verhältnis hat, aber aus Erfahrung in den seltensten Fällen Vertrauen.

Die Politik hat mal wieder voll 'reingegriffen. Die Sicherheitspolitik ist einseitig auf den Schutz der großen Wirtschaft ausgelegt und generell als reiner Kostenfaktor behandelt worden. Die aktuellen Extremfälle der Kriminalitätsentwicklung zeigen jedoch, dass mit Kameras und Bundestrojanern einem Schlägertrupp nicht beizukommen ist. Polizei auszubilden dauert lange und ist teuer. Das kann man sich nicht aus den Rippen schneiden. Also frickelt man jetzt mit irgendwelchen halbgaren privaten Sicherheitsdiensten herum und lässt sich das dann auch noch vom Bürger bezahlen, dem man ja gerade erst gehörig in die Tasche gegriffen hat.

Ich frage mich wirklich, wann hier in Deutschland mal jemand aufwacht.

(Quelle: Berliner Morgenpost)

4 Kommentare:

  1. Die Schlafphase braucht bei einem Deutschen ~70 Jahre. Danach ist er zu müde um sich zu wehren.

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  2. @devender: Aber Mitlaufen - darin sind wir großartig. Und dann können wir uns auch "wehren" (und "nicht beim Juden kaufen"). Und bevor jetzt alle meine Steinigung fordern: Ich befürworte das selbstredend nicht, was 1933-1945 abging!

    Zum Thema...

    Mal ehrlich: Wir brauchen definitiv mehr Sicherheit. Und zwar nicht die vielfach zitierte "subjektive Sicherheit", sondern objektive Sicherheit. Und das geht nicht ohne Geld. Klar greift uns der Staat (wer war doch gleich der Staat?) in die Tasche. Tief. Richtig tief. Dennoch fehlt es an fast allen Enden. Und *hier* muss zuerst gefragt und gehandelt werden, bevor man zuerst den zweiten Schritt macht. Dumm nur, dass das beim ersten Versuch, es besser zu machen, genau so versucht wurde - erst den zweiten Schritt machen wollen und dabei eben auf die Nase fallen.

    Sicherheitskräfte...Polizisten... Mir wären Polizisten auch lieber. Wobei ich deren Methoden auch teilweise skeptisch gegenüberstehe. Aber den "Sicherheitsfirmen" würde ich weniger vertrauen als eben dem Udel, den ich anrufen kann, wenns "brennt" und der dann *kompetent* hilft. Strafverfolgung durch private Dienstleister kann es ja nach der jetzigen gestezeslage ohnehin nicht geben - und das lässt mich befürchten, dass ich nachher doof dastehe.

    Was bin ich bereit, dafür mehr zu zahlen als bisher?

    Die gleiche Frage bitte nochmal stellen und dann *ehrlich* antworten...na?

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  3. ja nu, die schlägertrupps sind die terroristen und der polizeistaat greift halt erst nach dem verbrechen.
    um den bürger effektiv zu schützen müsste man natürlich da präventiv aktiv werden....

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  4. is doch wie immer: da soll mit fragwürdigen methoden etwas gerichtet werden, dem man kurzfristig nichts besseres entgegen zu setzen weiß
    aber wenn man nicht endlich mal an den ursachen der jugendkriminalität arbeitet, wird im besten fall nur für den moment etwas getan - das eigentliche problem bleibt bestehen und forciert sich weiter

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