Dienstag, 22. August 2006

Sind wir in Gefahr?

Ich verstehe es wirklich nicht. Es wurden erfolgreich Attentate auf die Bahn verhindert. Niemand ist zu Schaden gekommen. Sogar den Täter hat man schon gefasst und den zweiten - wenn es den denn tatsächlich gibt - scheint man auch so gut wie eigesackt zu haben. Trotzdem werden - weit vorne weg mal wieder Wolfgang Schäuble - "mehr Überwachung" und "mehr Kontrolle" oder vereinfacht "mehr Eingriffe in die Grundrechte der Bürger durch den Staat" gefordert, als wären in den letzten Monaten in Deutschland hunderte von Zügen gesprengt worden.

Kann natürlich sein, dass tatsächlich jede Menge Züge Ziele von Gewalttaten geworden sind, und die Medien wegen des ganzen Rummels um Israel einfach keinen Bock dazu hatten, darüber zu berichten. Möglich ist das ja. Möglich, aber nicht wahrscheinlich. Ist es nicht so, dass die aktuellen Überwachungsmaßnahmen und Kontrollen und so weiter offensichtlich vollkommen ausgereicht haben? Was soll da eine Ausweitung der Überwachung und Kontrolle bringen? Kamen die entscheidenden Hinweise auf den Bombenbauer nicht aus dem fernen Pakistan? Was bringt uns mehr Kontrolle und Überwachung hier, wenn die Schlüsselinformationen aus dem Ausland kommen?

Mir stellt sich deshalb eine Frage: Verhindern denn die übermäßige Kontrolle und der ausufernde Sicherheitswahn überhaupt das Entstehen von Terroristen? Durch das aufhängen von Kameras verhindert man keine Straftaten. Das geben inzwischen sogar diejenigen öffentlich zu, die das vehement fordern. Bestes Beispiel ist London. Trotz zig tausender Kameras konnten die Anschläge 2005 nicht verhindert werden. Hinterher wusste man zwar wer das gewesen war, aber hat das geholfen?

Erreicht man nicht daurch, dass der Staat in jedes Grundrecht nach Belieben wegen eines völlig unbegründeten Anfangsverdachts eingreift, genau das Gegenteil? Fördert man auf diesem Wege nicht gerade den Widerstand gegen das System? Oder was war noch genau das Motiv für die Entstehung der RAF? War das nicht der Widerstand gegen das System?
"Es gibt keinen Grund, in Angst zu leben."

Wolfgang Schäuble in der Bild am Sonntag vom 13.08.2006
Gerade diese Aussage widerspricht doch allem, was zur Zeit durch die Medien getragen wird. Am deutlichsten wird der Widerspruch doch, wenn man die folgende Aussage daneben stellt:
"Die Bedrohung war noch nie so nah!"

Wolfgang Schäuble am 19.08.2006 im ZDF
Ja was denn jetzt? Entweder sind wir alle in Gefahr, dann sollten wir auch alle Angst haben, oder wir sind es nicht.
"Aber dieser Staat ist nicht omnipotent, er darf es nicht sein, und er soll es nicht sein um der Freiheit willen. Und deswegen muss man sich bei der Behandlung dieses Themas immer klar machen, dass der freiheitliche Staat nicht alles leisten kann, was man gern in dieser oder jener Richtung hätte, dass er es leisten soll. Und deswegen kann er auch nicht alles erzwingen, was man sich gerne wünschen würde."

Wolfgang Schäuble in einer Rede am 26.06.2006 in Berlin
Der Staat kann gar nicht alles können und dürfen. Selbst Herr Schäuble hat das erkannt. Herr Schäuble ist sich außerdem durchaus über die Ursachen des Terrorismus durchaus im Klaren:
"Wir haben zwar im Moment keine akuten Hinweise auf eine Verschärfung der Sicherheitslage in Deutschland.
Aber mir bereitet die Entwicklung im Nahen Osten Sorge, weil sie zu einer stärkeren Radikalisierung islamistischer Gruppen führen kann. Je länger der Konflikt anhält, um so größer wird die Gefahr von Terror-Aktionen in anderen
Ländern. Das gilt auch für Deutschland."

Wolfgang Schäuble in der Bildzeitung am 24.07.2006
Nur bei der Bekämpfung der Ursachen hat er irgendwie eigenartige Ansichten. Manchmal den Eindruck, dass er durch seinen eskalierenden Sicherheits- und Kontrollwahn kompensieren will, was er am eigenen Leib erfahren musste. Gerade er als Rechtsanwalt und Opfer einer Gewalttat müsste doch verstanden haben, dass es keine absolute Sicherheit geben kann.

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