Dass Deutschlands Rechtssystem so seine Macken hat, ist bekannt. Eine dieser Macken kam im Laufe dieser Woche zum Vorschein. vor fast 10 Jahren verabschiedete der Bundestag das Kindschaftsrechtsreformgesetz, mit dem Eltern nicht nur das Recht auf Umgang mit dem eigenen Kind eingeräumt, sondern auch die Pflicht dazu auferlegt wird. Argumentiert wird - vereinfacht - über das Recht des Kindes darauf, beide Elternteile zu sehen.
Genau darauf legt es zur Zeit eine Mutter an, die ihr Kind in einem Heim großziehen lässt (ein Gutachter hat ihr angeblich sogar Erziehungsmängel attestiert) und nun den Vater per Beschluss des BGH dazu zwingen lassen will, das Kind zu "sehen". Der Vater wiederum hat daran gar kein Interesse. Seine gegenwärtige Ehefrau, mit der er zwei Kinder hat, hat (angeblich?) angekündigt, sich scheiden zu lassen, wenn er zu seinem außerehelichen Kind Kontakt hält. Ob nun das Verhalten der Ehefrau toll ist oder nicht, steht nicht zur Debatte. Zur Debatte steht aber: Besucht der Mann das Kind, verliert er seine Familie (Ehefrau und zwei Kinder) und "gewinnt" dafür den Kontakt zu einem Kind, mit dem er rein gar nichts verbindet.
Familienverbände hoffen auf eine Entscheidung des BGH im Sinne der Frau. Sie warnen vor eine "Sogwirkung". Eltern, die keine Lust auf ihre Kinder haben, könnten sich in Zukunft vor ihrer Verantwortung drücken und das sei "ethisch sehr fragwürdig". Ist es ethisch gerechtfertigt, wenn - wie in diesem Fall - das Leben von vier Menschen gründlich beschädigt wird, nur damit ein Mensch - die leibliche Mutter - Genugtuung erfährt? Es sei, so die Familienverbände, absolut angebracht, auch unwillige Eltern zu einem Kontakt mit ihren Kindern zu zwingen, unabhängig von der Qualität der Beziehung.
Das Kind benötige Klarheit, so die Familienverbände, und muss ein Bild seiner Eltern haben. Auch die bittere Erfahrung, dass ein Elternteil kein Interesse hat, wäre besser als falsche Hoffnungen. Aber das Leben der Eltern spielt dabei keine Rolle, oder wie? Hauptsache das Kind hat den ihm vom Gesetzgeber am grünen Tisch so vorgedachten Willen bekommen. Ob das für irgendeinen der Betroffenen nun ein wie auch immer gearteter Vorteil ist, ist - wie so oft in der Rechtsprechung dieses Landes, ich erinnere nur an das Phänomen der Aktenhaltung - völlig egal.
Ich sehe vollkommen ein, dass man wenigstens Unterhalt zahlen muss. Keine Frage. Aber zum Umgang zwingen? Wie soll ein Kind damit fertig werden, dass ihm - egal ob leiblicher Vater oder Mutter - vorgesetzt wird und der oder die ihn dann ignoriert oder vielleicht sogar an den Kopf wirft, wie Scheiße es (das Kind) doch sei und an welchen persönlichen Unglücken dieses Kind doch alles Schuld wäre. Klar, es wird darauf spekuliert, dass der arme, fehlgeleitete Elternteil angesichts des hübschen, unschuldigen Kindes von seinen Gefühlen übermannt wird und Kraft wundersamer Fügung eine spontane Familienzusammenführung stattfindet mit Happy End und Glück bis ans Ende aller Tage. Aber mal ehrlich: Welche Farbe hat der Himmel bei Leuten, die so denken?
Ich kenne einige Eltern, die außerehelichen Nachwuchs haben. Männer wie Frauen. Ich gehöre selber auch dazu. Erstaunlicher Weise sind es nicht nur die Männer, die ihren Nachwuchs quasi "abgegeben" haben. Es sind auch ein paar Frauen darunter. Klar, die Mehrheit sind Männer, denn mir fallen aus dem Stand zwar vier Frauen ein, aber bei den Kerlen... 10? 15? Egal, zumindest eine Frau ist dabei, die ganz klar gegen Kinder ist. Auch gegen ihr eigenes. Okay, die Dame gilt selbst nach meinen Maßstäben als (höflich formuliert) "socially challenged" und der Umgang mit ihr ist selbst an guten Tagen für geübte und widerstandskräftige Erwachsene bestenfalls "schwierig", aber sei es drum. Es geht um das Prinzip.
Diese Frau hasst Kinder. Nicht etwa, dass sie sich belästigt fühlte, nein, sie reagiert mit tief empfundener, offener, unverhohlener Abscheu. Ich habe das mehrmals miterlebt. Ihr sind alle Kinder einfach nur zuwider und ihre verbalen Reaktionen reichen im freundlichen Fall von "dreckige Rotzblagen" bis "Scheißkinder". Wenn sie richtig übel drauf ist, wird sie persönlich und nimmt sich im schlimmsten Fall Zeit für sorgsam ausgewählte, treffende Beleidigungen, die das Kind auf jeden Fall versteht und auch garantiert auf sich beziehen wird. Stelle ich mir vor, dass diese Frau zum Umgang mit ihrem Kind gezwungen wird... Die Welt wäre um mindestens einen Psychopathen reicher.
Nehme ich dazu noch den Fall dieses Mannes, dessen Frau angedroht haben soll, sich scheiden zu lassen - egal wie glaubwürdig diese Drohung auch immer sein mag - dann sehe ich doch eine ganz klare Grenze erreicht: Es gibt Menschen, denen ist ihr Nachwuchs nicht einfach nur "egal". Es gibt offenbar Menschen, für die ist ihr eigener Nachwuchs offenbar auf einer Stufe angesiedelt mit unheilbaren Krankheiten oder der Steuerfahndung. Das ist wirklich nicht toll, aber man sollte diese Realität akzeptieren, denn: Was also soll es jetzt bringen, wenn der BGH urteilt "und Du gehst doch zu Deinem Kind, notfalls mit Zwang!"
Wie muss man sich das in der Praxis vorstellen? Wird dem Kind dann von der Polizei ein gefesselter und geknebelter Mensch vorgesetzt, der jede Chance nutzen wird, seine wohl eher nicht eben positive Meinung lautstark kund zu tun? Ist es wirklich "zum Wohle des Kindes", wenn das Treffen von "Sicherheitskräften" überwacht wird, die dem unwilligen Elternteil mit körperlicher Gewalt zu Leibe rücken, sobald dieser seinen Unwillen äußert? Das soll "zum Vorteil des Kindes" sein? Zusehen zu müssen, wie jemand zusammengeschlagen wird, weil der nicht mit ihm spielen will?
Singen und klatschen in allen Ehren, aber irgendwo sollte dann doch mal mit etwas Nachdenken an die Sache herangegangen werden.
Samstag, 24. November 2007
2 Kommentare:
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Gut geschrieben. Ich teile durchaus deine Meinung.
AntwortenLöschenhttp://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,519265,00.html
AntwortenLöschenDürfte die hier im Posting beschriebene Dame sein...