Freitag, 23. November 2007

Sparen kostet Menschenleben

In Schwerin kam ein fünfjähriges Mädchen ums Leben, weil es von seinen Eltern dermaßen vernachlässigt wurde, dass es schließlich verhungerte. Das Fatale an diesem Fall: Die Behörden wussten, dass diese Familie irgendwie ein Problemfall war. Durchgeführte Kontrollen waren nachweislich oberflächlich, weil man keine Zeit hatte für intensive Nachforschungen. Und warum? Die Leute vom Jugendamt ersaufen in Aktenbergen. In Schwerin, auf Landes- und sogar auf Bundesebene hat sich in Windeseile herumgesprochen, dass die laschen Kontrollen in erster Linie darauf zurückzuführen sind, dass den Jugendämtern Geld und Personal fehlt.

So traurig dieser Fall auch ist, aber die Ursache, das blinde Sparen um des Sparens willen, ist tres chic. Nicht nur beim Jugendamt. Auch bei anderen öffentlichen Stellen. Überall wird gekürzt und gespart, was das Zeug hält. Das untere Limit ist in den meisten Fällen schon lange unterschritten und kaum eine Behörde kann noch ernstlich behaupten, sie hätte genug Mittel oder genug Personal. Für den Bürger ist das in den meisten Fällen völlig unerheblich. Dann braucht die Behörde eben länger. "Mir doch egal", so die gängige Denkweise. Behörden sind sowieso Mist.

Schulen sind übrigens auch Behörden. Die Polizei auch. Gesundheitsämter auch. Wir erinnern uns an ungelernte Aushilfskräfte als Vollzeitlehrer? Wir erinnern uns an den jüngsten Vorschlag aus Berlin, die Polizei doch durch Streifen des Ordnungsamtes zusammen mit "Rentnern und Arbeitslosengeld-II-Empfängern" auf Streife zu schicken, um das Gefährdungsempfinden der Anwohner zu beruhigen? Erinnert sich noch jemand an die nicht eben wenigen sogenannten "Gammelfleischskandale", bei denen die Gesundheitsämter mehr oder weniger offen zugaben, dass die Inspektoren völlig überfordert zu sein, weil es viel zu wenige davon gäbe? Die Liste lässt sich fortsetzen.

Das sind nur Beispiele. Beispiele, die jedoch alle zwei Dinge gemeinsam haben: Durch von oben angeordneten Sparzwang wurde die Situation dermaßen verschärft, dass die gesamte Bevölkerung betroffen, wenn nicht sogar gefährdet ist. An unserer tatsächlichen Sicherheit des Alltags, der Gesundheit und der Bildung wird gespart wo es nur geht. Gleichzeitig wird tonnenweise Geld in die fiktive Sicherheit gepumpt, die dem offensichtlichen Verfolgungswahn einiger weniger entspringt. Wieviele Milliarden kostet der Bundestrojaner? Wie viel Geld kostet die Vorratsdatenspeicherung? Damit aber nicht genug. Noch eben die eigenen Gehälter erhöht - mal eben 700 Euro netto im Monat oben drauf, wir haben es ja! Das Geld muss ja weg - und dann feststellen, dass der Aufschwung irgendwie nicht so recht fruchtet und die Entschuldung des Staates auch nicht so recht klappt.

Ja warum denn bloß? Tritt man einen Schritt zurück und betrachtet das Gesamtbild, dann wird klar, dass der Begriff "Reform" in den Köpfen der Politiker bestenfalls "Mittel kürzen, Personal entlassen, Material reduzieren" bedeutet. Ob es mit Deutschland mit solchen Vorzeichen überhaupt irgendwann aufwärts gehen kann, das bezweifle ich allerdings sehr. Die Frage, die viele vom Tod des kleinen Mädchens in Schwerin aufgeschreckte Eltern stellen, lautet "Warum?" - Wie die Antwort lautet, lasse ich mal offen, aber "Zufall" war das nicht und sicherlich auch nicht "Irrtum". Aber leider wird das nicht die letzte hausgemachte Katastrophe sein, die uns bevorsteht, da bin ich mir ziemlich sicher.

1 Kommentar:

  1. Dass das Budget überall gekürzt und beschnitten wird ist ja nun nicht so neu... Und dass das alles so tragische Auswirkungen haben kann, wird im Endeffekt bei den verantwortlichen wohl verpuffen - "ist ja nur die AUsnahme"

    Was ich mich frage: Andere Länder mit einem ähnlichen Entwicklungsstand wie Dtl. kommen mit ihrem Haushalt doch scheinbar auch ohne größere Defizite zurecht... Was machen die anders? Warum lernen wir nicht von denen?

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