Freitag, 30. November 2007

Spielverderber!

Schule Unterricht Tafel Klasse LehrerSchule ist - wir alle wissen es - ein Politikum. Und ein Trauerspiel. Ein Possenspiel und eine Lachnummer ist es auch. Je nach dem, wen man gerade so alles fragt. Pünktlich in die endlich zum großen Vergnügen von Politik und Kultusministerkoferenz eingekehrten Ruhe um die elende Debatte um das verrampelte Schulsystem in Deutschland platzt die Bombe der aktuellen Pisa-Studie. Geplant war eigentlich, die Ergebnisse als "tollen, bahnbrechenden, weltbewegenden Erfolg" zu feiern, endlich den pissigen Besserwissern in der Bevölkerung mal so richtig zu zeigen, wie geil unsere Schule eigentlich ist und was passiert?! Irgendeiner kommt an und fährt so richtig volles Mett in die noch nicht mal ganz aufgestellte Parade.

Was ist passiert? Die Ergebnisse der Pisa-Studie (und einiger anderer Untersuchungen) gelten bis zu einem bestimmten Stichtag als "geheim". Man darf nicht darüber reden und niemand darf irgendetwas darüber wissen. Sonst geht die Welt unter. Oder der Russe kommt. Oder irgendwie sowas. Jedenfalls, das Stichdatum der aktuellen Pisa-Studien ist eigentlich der kommende Dienstag. Jemand aber, der bei den Studien mitmachen darf, nämlich der Herr Schleicher, hat schon mal vorab aus dem Nähkästchen geplaudert und eine eigentlich wundervolle Medieninszenierung des inzwischen scheinbar zum deutschen Garanten für Misserfolge, Pleiten, Pech und Pannen mutierten, in den Augen der meisten völlig weltfremden Verwaltungsmollochs, der KMK, gründlich versaut.

Nachdem Deutschland einige Male in Folge vor der versammelten Weltöffentlichkeit so richtig mit Schwung und Anlauf um die Ohren geballert bekam, wie Kacke unser Schulsystem und unsere Bildung eigentlich wirklich sind, hat die politische Elite der OECD mal gezeigt, wo der Hammer, beziehungsweise der Geldsack, hängt. Wie es offiziell heißt "auf Bitten Deutschlands", was aber wahrscheinlich genau so gut heißen kann "auf klare Anweisung einiger Polit-Bonzen", wurde die Studie angepasst. Jetzt werden plötzlich Umweltfragen berücksichtigt. Und Fragen über naturwissenschaftliche Verfahren.

Wie auch immer, jedenfalls kaum wird die Studie umgebaut, schon - schwuppdiwupp - schneidet Deutschland besser ab. Bei naturwissenschaftlichen Aufgaben schafften unsere Nachwuchseliten diesmal im Durchschnitt 516 Punkte. Vor drei Jahren waren es nur 502 Punkte in den Naturwissenschaften, 503 Punkte in Mathematik und 491 Punkte beim Lesen. Eine Steigerung um - großzügig gerechnet - 20 Punkte. Wer jetzt aber befürchtet, Deutschland wäre damit plötzlich bestes Pferd im Stall, der kann sich gaaanz entspannt wieder hinlegen. Keine Panik. Erreichten wir 2003 noch Platz 18 von 40 Teilnehmern, schafften wir jetzt doch tatsächlich schon Platz 13 von 57 Teilnehmern.

Das klingt ja erstmal toll. Von Platz 18 auf Platz 13, das ist doch schon richtig Leistung! Genau das wollte die KMK auch als "Erfolg" verkaufen und sich so richtig schön feiern. Denkste, Puppe. Matthias Rumpf, Pressesprecher des Berlin Centre der OECD verkündete denn auch, dass man aus den neuen Ergebnissen der deutschen Schüler nicht den Schluss einer Verbesserung ziehen dürfe. "Wegen der unterschiedlichen Aufgaben kann man die Testergebnisse von früher nicht mit den jetzigen Ergebnissen vergleichen." Peng! Der saß.

Und nu ist richtig Achterbahn bei der KMK. Zeter und Mordio wird geschrieen und die Meute will Blut und verlangt den Kopf des Herrn Schleicher, der nicht nur die Ergebnisse vor dem Stichtag verriet, sondern auch noch die schöne Feier versaute. Zwar versucht die von deutschen Geldern nicht eben unabhängige OECD die Wogen zu glätten und verkündet in einer Pressemitteilung, dass Deutschland "zum ersten Mal signifikant über dem OECD-Durchschnitt liegt". Aber dennoch: Die Party ist geplatzt und die Bonzen sind stinkig. Die Minister sind "grob verärgert", wie es Karin Wolff, Sprecherin der CDU/CSU-Kultusminister verkündete.

Im Ernst meine Damen und Herren Kultusminister, hackts? Jetzt mal im Ernst: Ist das etwa wirklich alles, was man von diesem Hochbezahlten Tagungs- und Debattierclub zu erwarten hat? Eine aufgeplusterte Horde keifender Sesselpupser, die sich wie die Blöden ereifern? Ausgerechnet solche hochbezahlte Fachleute sollen sicherstellen, dass Deutschland den Anschluss an die Spitze der Bildung und Forschung in der Welt nicht verliert beziehungsweise überhaupt erst einmal in die Nähe der Spitze kommt?

Es geht hier nicht um den Unterschied von Platz 50 zu Platz drei oder vier, wir reden hier vom lächerlichen DURCHSCHNITT des OECD-Standards aller teilnehmenden Staaten. Deutschland hat mal gerade eben so den Sprung über den Durchschnitt geschafft. Deutschland, eins der reichsten und angeblich tollsten und besten Länder dieser Erde schafft gerade mal eben so, sich mit mauscheln und tricksen und Studie anpassen über den Durchschnitt zu erheben? Und damit soll jetzt plötzlich alles toll sein?

Unser Bildungssystem, dessen angeblich hochqualifizierte Lehrkräfte sich nicht entblöden medienwirksam vor Gericht zu ziehen (und mit Pauken und Trompeten in allen Instanzen zu verlieren), weil diejenigen, die mit ihnen Tag für Tag konfrontiert sind, öffentlich über sie ihre Meinung sagen, soll plötzlich totengeil sein? Ein Bildungssystem, dass es nicht auf die Reihe bekommt, seine Absolventen vernünftig auf die eigenen Hochschulen vorzubereiten, so dass immer wieder ganze Stoffblöcke mehrerer Schuljahre in ein, zwei Vorlesungsstunden an den Universitäten den Studenten endlich einmal klar und verständlich vermittelt werden?

Die Kritik der UN über die Benachteiligungen, die unser ach so tolles Bildungssystem seinen Zwangsteilnehmern aufhalst, ist plötzlich weggeblasen und hat nie existiert? Das aus der Steinzeit stammende, mit Gewalt auf irgendwelche politischen Ziele und Sparmaßnahmen zurechtgedängelte Schulsystem soll plötzlich ach so toll sein?

Glaubt ihr Euch das eigentlich selber?

(Quelle: Tagesschau, Spiegel)

5 Kommentare:

  1. Achtung! Verschwörungstheorie: "Je dümmer das Volk, desto freier das Spiel, dass die politische Führung hat. Warum soll man in Bildung investieren und sich das Leben nur selbst schwer machen?"
    klingt zwar doof und an den haaren herbei gezogen, aber anders kann ich mir diese posse nicht mehr erklären...

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  2. kann ja auch nicht besser werden, wenn man sich anguckt was die referendare so von sich geben

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  3. Achja, traurig wie eh und je. Gut, dass ich bald mit dem Abitur durch bin und den Krempel dann aus sicherer Entfernung betrachten kann.

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  4. Hmm, bei der ZEIT scheint man hierzu ja deutlich enthusiastischer gestimmt..

    Bedenklich finde ich bei dem ganzen aber vor allem, dass die Pisa-Studie zwar "tieferes und kritisches Durchdringen der Wissensgebiete" prüfen soll (so hieß es doch jedenfalls), dennoch drängt sich mir irgendwie der Verdacht auf, dass man die Schülerleistungen hauptsächlich durch mehr und mehr Unterrichtsstoff "verbessern" möchte...
    Das würde jedenfalls zu meinen eigenen Oberstufen-Erfahrungen und zu einigen Meinungen von Mittelstufen-Schülern gut passen, die mir so zu Ohren gekommen sind.

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  5. ...denn es darf doch nicht vergessen werden, dass Studien wie Pisa die Qualität des Schulsystems nur indirekt bewerten können - direkt bewerten sie schließlich die "Qualität(en)" der geprüften Schüler.
    Und klar ist es gut und wichtig, Schüler angemessen (!) zu fördern (oder fordern? War da nicht mal ein Unterschied?), aber das Fordern besserer Leistungen allein kann noch keinen großartigen Leistungszuwachs hervorbringen, möchte ich behaupten.

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