Samstag, 15. September 2007

Entartet

"Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kult im Ritualismus und die Kultur entartet. Sie verliert ihre Mitte."

Kardinal Joachim Meisner
Kunst gilt nach gängiger Auffassung als Produkt der Kultur, eine Hervorbringung von Menschen, das Ergebnis eines kreativen Prozesses. Kunst ist nicht zwingend an irgendeine Religion gekoppelt. Jede Kultur hat Kunst hervorgebracht und Kunst kann damit als eines der entscheidenden Merkmale für Kultur generell gelten. Ob man nun von "entarteter Kunst" oder von "entarteter Kultur" spricht, ist deshalb nebensächlich, man bedient sich so oder so der Wortwahl der Nationalsozialisten und nimmt, ob gewollt oder nicht sei dahingestellt, Bezug auf deren Rassendenken. Entsprechend deutlich fallen die Reaktionen aus:
"Dass Kardinal Meisner sich zu einem solchen Sprachgebrauch hinreißen lässt, ist erschreckend und zeigt, dass er keinerlei Zugang zu Kunst und Kultur hat."

Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff,
Kulturstaatssekretär Nordrhein-Westfalen

"Kunst ist frei, darf von niemandem vereinnahmt werden. Wer, wie Kardinal Meisner, bereit ist, Kunst, die nicht in die eigene Denk-Schublade passt, auszusortieren, sie an den Pranger zu stellen, der schürt ein gefährliches Feuer."

Michael Vesper,
ehem. Kulturminister Nordrhein-Westfalen,
Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbunds
Unklar ist, ob die Ansage dieses Kardinals in irgendeinem Zusammenhang mit dem Streit um die Ausrichtung der MTV Europe Music Awards in München an Allerheiligen geht - naheliegend scheint diese Vermutung jedoch irgendwie...

3 Kommentare:

  1. Meisner und Schäuble waren früher immer die Kinder mit denen keiner spielen wollte und denen auch nie einer zugehört hat.

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  2. Lassen wir Schäuble hier mal außen vor, auch wenn ich seine Politik nicht mag.

    Und ich frage mich, wieso jemand wie Meisner nicht auch von seinem Amt zurücktritt, wie das vernunftbegabte Politiker nach einem derartigen Fauxpas tun.

    Es ist weniger die gewagte Verwendung von Formulierungen aus der Zeit des NS-Regimes. Es ist vielmehr die Anmaßung, über etwas zu urteilen und dabei a) die eigenen Werte als die einzig Richtigen darzustellen und vor allem b) die Werte anderer als minderwertig abzutun.

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  3. Naja, es geht halt darum, die Bedeutung des eigenen Clubs als "unverzichtbar", "elementar" und vor allem "untrennbar" hervorzuheben. Interessant ist ja auch die Reaktion der Kirche auf die öffentliche Kritik. Den Kritikern wird das Versagen jeglicher Ethik unterstellt, denn, so die Erwiderung, wer die Predigt in Gänze liest, der weiß, dass der Kardinal etwas völlig Anderes gesagt hat, als ihm jetzt unterstellt wird. Der Kardinal selber stellt dagegen klar, dass es ihm einzig um den unbedingt notwendigen Bezug auf Gott (natürlich den der Katholischen Kirche) ginge, damit Kunst nicht "ihre Mitte" verliert - wobei ich mich frage, was denn dann für zum Künstler aus zum Beispiel Indien oder Japan gilt und vor allem was denn wohl bitte die "Mitte der Kunst" sein mag...

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