Mittwoch, 12. September 2007

Bestimmungsfragen

Kreuz Denkmal KranzVor wenigen Tagen machte sich der Generalsekretär der CSU, Markus Söder, bei vielen beliebt, indem er feststellte, dass wir in Deutschland mehr Patriotismus brauchen und deshalb gehören seiner Ansicht nach in Klassenzimmer auf jeden Fall Kruzifixe und keine Kopftücher. Unterstützt wurde er mit dieser Forderung kurz darauf von Ronald Pofalla, Generalsekretär der CDU, der ebenfalls verlangte, dass in allen Klassenzimmern Kreuze aufgehängt werden müssen, damit "das Bekenntnis zum Christentum im öffentlichen Raum erhalten bleibt".

Ich meine, ist ja auch naheliegend. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich über die Werte und moralischen Vorstellungen in Deutschland bewußt werden. Wie ginge das besser, als unmittelbar jedem die Folgen für abweichlerisches Denken jeden Tag prominent unter die Nase zu halten? Knüpft ja nahtlos an ein Vorgehen aus der bei CDU/CSU offenbar sehr beliebten Zeit an, nämlich der des Mittelalters. Schon damals gehörte die "Territion", das Zeigen und Erklären der Folterwerkzeuge, verankert in der Constitutio Criminalis Carolina von 1532, zum "üblichen" Bestandteil der Strafrechtspflege. Erstaunt noch irgendjemanden, dass kurz darauf der Papst in Österreich erklärte, dass der christliche Glaube doch viel mehr sei, als eine reine Moralvorstellung?

Muss Deutschland jetzt doch noch mehr und noch radikaler reformiert werden? Gab es da nicht etliche eklatante Unterschiede zwischen der katholischen Doktrin päpstlichen Diktats und dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sowie deren sonstiger Rechtsprechung? War da nicht zum Beispiel was mit Abtreibung, Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung unabhängig von Geschlecht und Religion und so weiter? Wahrscheinlich verwechsel ich mal wieder alles, aber war es nicht so, dass die Staatsangehörigkeit entscheidet, ob man Deutscher oder Türke oder Russe oder Inder ist und nicht die Religion? Oder sind alle Christen automatisch Deutsche?

Wie wäre es, statt der in meinen Augen völlig schwachsinnigen Diskussion um Kopftücher und kultische Folterinstrumente in Klassenzimmern, mal mit der Idee, dafür zu sorgen den Kindern und Jugendlichen klar zu machen, dass sich auch hier die Religion dem Staat unterordnet? Wie wäre es - nur so als Idee - wenn man statt eines Tötungsinstruments eines nicht völlig kritikfreien Kultes in jedes Klassenzimmer eine Deutschlandfahne und eine Karte unseres Landes hängt und vielleicht sogar noch ein Grundgesetz dazu stellt? Machen andere ja schließlich auch.

Das wäre kein Präzedenzfall, denn in anderen Staaten ist das durchaus Tradition, ganz weit vorne wären da die USA zu nennen. Das vermeidet auch den Streit um die religiöse Identität, denn es sollte für die Staatsbürgerschaft völlig egal sein, ob und was irgendjemand anbetet. Auch die kulturelle Identität bleibt unberührt, denn ob jemand hier aus welchen Gründen auch immer zwanghaft um fünf Uhr seinen Tee in sich hinein kippt oder jedes Jahr mindestens einmal nichts essen will hat doch nichts damit zu tun, ob er Deutscher sein kann und will und sich mit diesem Land, diesem Staat identifiziert oder nicht.

Das sehen deutsche Politiker offenbar anders. Vielen davon ist es völlig wumpe, ob sie mit ihrer sogenannten "deutschen Leitkultur" anderen voll vor die Stirn treten. Denen ist es auch völlig schnurz, ob sie mit ihrer oftmals heuchlerischen Betonung der Bedeutung der christlichen Werte für ihre Partei allen Angehörigen anderer Religionen den Finger zeigen und so deutlich sagen "Fuck off, Du interessierst uns nicht". Nein, damit nicht genug. Wer anderen Religionen angehört, besonders dem Islam, der ist pauschal verdächtig. Wer sogar vom Christentum zum Islam wechselt, der erstrecht.

Darum fordert der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion Wolfgang Bosbach die Einführung eines "Konvertiten-Registers". Er hält eine solche Brandmarkung, Entschuldigung, amtliche Registrierung für "sinnvoll, denn wir wissen, dass sich einige nach dem Übertritt radikalisieren lassen. Das ist kein Generalverdacht, sondern eine Gefahrenabwehr." Man höre und staune. Weil es ein paar schwarze Schafe gibt, sind alle erstmal in ein Register aufzunehmen. Natürlich eins, das öffentlich zugänglich ist. Man will ja wissen, wer so alles in der Nachbarschaft haust.

Parallel dazu fordert der stellvertretende Vorsitzende der CDU und niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff die in Deutschland lebenden Moslems zur Denuntierung auf. Islamisten in den eigenen Reihen seien den Sicherheitsbehörden zu melden, denn jeder hätte die Pflicht, die Behörden beim Kampf gegen Extremisten zu unterstützen. Woraus sich diese Pflicht ableitet und was die Verfassungsgrundlage dieser speziellen Bürgerpflicht besonders für Moslems sein soll, ließ er natürlich offen.

Wundert es da noch, dass der Bundesinnenminister Schäuble von der CDU fordert, die Diskussion um die Beschneidung der Grundrechte endlich zu dadurch zu beenden, dass man die von ihm, natürlich nur stellvertretend für alle Fachleute und Sicherheitsexperten, geforderten Gesetze endlich ohne weitere Diskussion verabschiedet werden? Mich nicht.

Die CDU nennt sich selbst "christlich" und misst diesem Attribut sehr viel Bedeutung bei. Wenn "christlich" dafür steht, dass man den (Mit-)Bürger als Gegner, als potentiellen Feind und als ständige Bedrohung des Staates versteht, dann wird es Zeit auf breiter Front die Frage zu stellen, ob "christlich" wirklich genau das Attribut ist, das eine zukunftsfähige Gesellschaft der (noch) drittgrößten Wirtschaftsmacht der Erde dringend braucht.

6 Kommentare:

  1. da stellt sich mir die frage: was ist gefährlicher? christlicher oder islamischer extremismus?
    haben andere staaten etwa auch solche bestrebungen? oder fruchtet dieser wahnsinn nur auf deutschem boden?!?

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  2. deutschlandflage geht ja nicht. das wäre ja wieder nazi.
    da nimmt man lieber das kreuz. an die kreuzzüge etc erinert sich ja keiner.

    es ist echt vermessen. und diskriminierend. es gibt mehr als genug deutsche die nichts mit dem christentum zu tuen haben (man sehe sich die leeren kirchen an).

    und wärend noch große reden von moral und leitkultur geschwungen werden wird an anderer stelle unchristlichst regiert.
    ich hätte auch ehrlich nix gegen ein kreuz im klassenzimmer (moi persischer migrant ist und ganz vbestimmt kein christ^^) wenn dafür die regierung sich etwas mehr an die lehren jesu halten würde.
    was solls. seelig sind die aktionisten.

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  3. "deutschlandflage geht ja nicht. das wäre ja wieder nazi."

    Artikel 22(2) Grundgesetz: "Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold."

    Diese Flagge ist *das* Symbol der Bundesrepublik schlechthin. Was ist daran bitte "Nazi"? Oder sind wir jetzt bei der Debatte "Deutschland - entweder Ausländer oder Nazis"?

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  4. ich denke nur das die leute eher was gegen eine deutschlandflage als gegen ein kreuz sagen würden.
    der zynismus is wohl nicht ganz rüber gekommen.

    <---- selber weder blond noch weiß ist.^^

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  5. Wer sind "die Leute"? Und was genau ist das Argument gegen die Deutschlandflagge?

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  6. eben es gibt kein argument dagegen. (es ist sogar ne tausend mal bessere idee als das kruzifix)
    aber alles in der richtung läuft gefahr negativ gewertet zu werden. das beweist das den politikern die "deutsche leitkultur" und "chrisliche werte" egal sind. das ist eine reine aktionismusgeschichte die darauf abzielt stimmen bei den konservativen zu fangen, angst vor überfremdung zu schüren und vieleicht sich irgentwo eine identität zu schaffen die es onehin schon gibt und keine bestätigung braucht wie ein kreuz im klassenzimmer. mit welchem sich die meisten nichteinml indentifizieren.

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