Freitag, 27. Juli 2007

Rent-a-Ministerium

Bundestag PlenumSchon lange ist klar, dass Politik und Wirtschaft in Deutschland eng miteinander verflochten sind. In fast allen namhaften Firmen sitzen Politiker im Vorstand oder im Aufsichtsrat. Nicht erst seit die Politiker gezwungen sind, ihre Nebenverdienste zu veröffentlichen ist das in der Öffentlichkeit ins Gerede gekommen. Was vielen jedoch nicht klar zu sein scheint: Diese Verflechtung ist zweiseitig. Nicht nur die Politiker sitzen in den Firmen, auch die Firmen sitzen in der Politik.

LobbyControl hat intensiv nachgehakt und herausgefunden, dass über 100 Angestellte von Unternehmen und Verbänden in Bundesministerien arbeiten - bezahlt von den jeweiligen Firmen. Nicht nur deutsche Firmen sitzen in den Ministerien, auch internationale Firmen sind sich nicht zu fein, der Bundesregierung ihre Dienste anzubieten.

Nicht nur Mitarbeiter bezahlen die Firmen der Regierung. Auch Geld- und Sachspenden sind immer wieder gern gesehen - lassen sie sich doch auch steuerlich absetzen. Die Bundesministerien, aber auch die obersten Bundesbehörden bekamen in den letzten zwei Jahren mehr als 80 Millionen Euro von den Firmen. Besonders bemerkenswert sind wohl die Spenden an den Bundesrechnungshof und das Bundesverfassungsgericht.

80 Millionen Euro plus mehr als 100 hochqualifizierte Mitarbeiter für lau, deren Gehalt im Monat bestimmt nicht unter 3.000 Euro netteo liegen wird. Wenn das mal nicht ein hübsches Sümmchen ist. Und das verschenkt die Wirtschaft "einfach so"? Bestimmt nicht. Für das Geld werden (stillschweigend?) Gegenleistungen erwartet und wohl auch gewährt, wenn man sich so manche politische Entscheidung ansieht. Die Mitarbeiter werden wahrscheinlich ihre Firmen regelmäßig informieren, was denn Her oder Frau Minister gerade so aushecken.

Die Politiker wiederum, die direkt in den Firmen tätig sind, werden bestimmt auch nicht zum Nachteil ihres eigenen Jobs, "ihrer" Firma entscheiden und wenn der Aufsichtsrat beim Essen mit Herrn Bundestagsabgeordneten nebenbei über ein dringendes politisches Problem diskutiert, dann dürfte jedem ohne lange Erklärung klar sein, mit welchem Hintergrund das "rein zufällig" zur Sprache kommt.

Damit wird vor allem eins klar: Die Politik ist massiv von der Wirtschaft unterwandert und durchsetzt. Die finanziellen Abhängigkeiten einzelner Politiker sind so groß, dass von unbefangen oder unabhängig kaum jemand mehr ernsthaft reden kann. Die Dimension dürfte mit dem Doping beim Radsport vergleichbar sein, zumindest die Argumentation klingt sehr ähnlich: Das sind alles nur Berater, die uns mit ihrer Fachkompetenz bei wichtigen Entscheidungen beraten. Genau. "Die Fahrer haben nicht gedopt, die haben nur Medikamente genommen."

Es ist nicht verwerflich, wenn sich die Politik Rat aus der Wirtschaft holt. Dort hat man in vielen Bereichen einfach mehr Ahnung. Es ist aber mehr als fragwürdig, ob man diese Berater unmittelbar im Ministerium als Mitarbeiter des Ministeriums beschäftigen muss, das sich ausgerechnet mit Themen besschäftigt, welche diejenigen Firmen betreffen, von denen eben jene Berater entsandt wurden. Wenn im Umweltministerium Mitarbeiter von zum Beispiel Bayer und BASF sitzen, dann wundert sich wohl niemand, warum die Umweltschutzpolitik auf der Stelle tritt.

Ist unsere Politik korrupt? Schwer zu sagen. Im Sinne der juristischen Bestechlichkeit dürfte das schwerlich zu beweisen sein. Aber das muss man auch gar nicht. Alleine der Eindruck reicht, um den Ruf und das Vertrauen nachhaltig zu schädigen. Wundert es da, dass kaum ein Politiker zu diesem Thema zu sprechen ist? Nicht wirklich. Hilft es, dass genau diese Politiker darauf hinweisen, dass diese Praxis nicht gegen geltendes Recht verstößt? Wenn man bedenkt, dass diese Praxis offenbar ganz bewußt außerhalb jeder juristischen Regeln gehalten wird, dann ist man vielleicht doch geneigt, spontan mit "nein" zu antworten.

Was also tun? Verhindern kann man die Einflußnahme nicht. Alleine die Idee ist absurd. Aber man kann doch einiges daran tun, dass Wirtschaft und Politik vielleicht nicht ganz so eng miteinander ins Bett gehen. Und man kann dafür sorgen, dass das Ganze n icht so den Eindruck der Mauschellei macht. Und man kann sogar was dafür tun, dass die Firmen aus den Ministerien keinen Selbstbedienungsladen machen.

Das allerdings setzt zwei Dinge voraus: Bürger, die das erzwingen und Politiker, die sich diesem Druck beugen. Umfallpolitiker haben wir wahrscheinlich genügend. Nur Bürger mit politischem Interesse haben wir etwas wenige. Darum wird alles so bleiben und die Artikel in der Presse zu diesem Thema können getrost als Füllmaterial des Sommerlochs angesehen werden.

Aber irgendwas ist ja immer.

(Quelle: LobbyControl, Spiegel, dpa)

1 Kommentar:

  1. Es ist nunmal so das alle Politiker korrupt sind bis aufs Mark.
    Kein Wunder wenn dieses Verhalten schon dem kleinsten Entscheidungsträger eintrichtert wird, wie soll es sich dann auf dem Weg nach oben nochmal rauslösen?

    Zwar sind nicht alle korrupt im Sinne, das sich da fein die Kohle der Wirtschaft in den Arsch gepudert wird. Dafür werden dann bei diesen Leuten wider besten Wissens und Gewissens Nachteile die langfristig allen Schaden in Kauf genommen nur um sich kurzzeitig profilieren.

    In gewisserweise lernt hier ja die Wirtschaft von der Politik. Bei Politikern ging es immer schon darum nur bis zur nächsten Wahl zu denken. In der Wirtschaft denkt man ja mittlerweile auch nur noch bis zum nächsten Quartal/Halbjahres/Jahresbericht.

    Auch ist ja allgemein bekannt das bei den wenigsten Politikern was gutes raus kommt, wenn man diese mal alleine denken lässt. Insofern ist es wahrscheinlich das kleinere Übel, wenn extern bezahlte Mitarbeiter da die Vordenker spielen und gegebenenfalls das schlimmste verhindern.

    AntwortenLöschen

Bedingt durch die DSGVO müssen Kommentare zu Beiträgen der Tapirherde manuell freigeschaltet werden, um um der Veröffentlichung von Spam-, Hass- oder sonstiger unerwünschten Kommentaren vorbeugen zu können. Die Veröffentlichung eines Kommentars kann deshalb ein wenig dauern. Sorry dafür.
Wenn Sie Beiträge auf Tapireherde kommentieren, werden die von Ihnen eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. die IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Weitere Infos dazu finden Sie in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.