Mittwoch, 18. April 2007

Sicherheit für alle

Der Staat will den gläsernen Bürger. Er will jederzeit alles über ihn wissen und er setzt alles daran, dieses Ziel zu erreichen. Im Zuge der Bekämpfung des internationalen Terrorismus wurden nahezu unreflektiert verschiedensten Eingriffen in die Grundrechte Tür und Tor geöffnet, deren Sinnlosigkeit sogar von denen eingestanden wird, die diese Maßnahmen gefordert haben.

Ganz weit vorne auf dieser Liste ist die Kameraüberwachung, die angeblich der Verhinderung von Straftaten dienen soll, was jedoch widerlegt ist. Aber wenigstens soll sie bei der nachträglichen Aufklärung der Straftaten helfen, allerdings stellt das jeden unter einen Generalverdacht, der so nicht zulässig ist. Also schlagen die paranoiden Kontrollfetischisten der Politik jetzt einen dritten Weg ein, die von ihnen so innig geliebte Kameraüberwachung flächendeckend umzusetzen. Sie behaupten, dass die Überwachung von den Bürgern gefordert wird!

Neulich titelte die lokale Zeitung hier:

Eine Befragung von 848 Oldenburgern habe ergeben, dass zwei Drittel der Bevölkerung eine Überwachung durch Kameras wolle. Eine interessante Schlussfolgerung, denn die Tapirherde war teil dieser Befragung und bei der ging es zwar um so wichtige Dinge wie "gefühlte Sicherheit" (ziemlich hoch) und ob man denn mehr Polizei auf der Straße sehen wolle (nein, sinnvoller wären da andere Maßnahmen, aber das ist ein anderes Thema) und wo subjektive Problemviertel gesehen werden (Gibt es so was hier überhaupt?), aber von Kameraüberwachung und ob ich diese will war bei dieser Befragung nicht die Rede.

Da stellt man sich dann doch die Frage, wie die Verantwortlichen zu diesem Schluss kommen, dass die Bevölkerung, von der ja immerhin 848 befragt wurden, also knapp ein halbes Prozent der Bevölkerung, zu zwei Dritteln für eine Überwachung öffentlicher Wege und Plätze wäre.

Diese Stadt liegt damit voll auf der Linie des Bundesinnenministers, der heute bekannt gab, dass er die Unschuldsvermutung nicht gelten lassen wolle:

"Die Unschuldsvermutung heißt im Kern, dass wir lieber zehn Schuldige nicht bestrafen, als einen Unschuldigen bestrafen. Der Grundsatz kann nicht für die Gefahrenabwehr gelten. Wäre es richtig zu sagen: Lieber lasse ich zehn Anschläge passieren, als dass ich jemanden, der vielleicht keinen Anschlag begehen will, daran zu hindern versuche. Nach meiner Auffassung wäre das falsch."

Wolfgang Schäuble, im Stern
"Gefahrenabwehr" meint in diesem Zusammenhang nicht etwa die Gefahr, dass ein Deich bricht oder etwa die Gefahr eines Verkehrsunfalls, sondern generell alles, was im Behördendeutsch als Gefahr eingestuft wird und das wiederum ist alles, was gegen irgendein Gesetz oder eine Verordnung verstößt. Herr Schäuble sagt nichts anderes, als dass der Grundsatz der Unschuldsvermutung zwar vielleicht für die Justiz gelten mag, die vielleicht im Nachhinein entscheidet, ob die von den Sicherheitsbehörden getroffenen Maßnahmen aufrechterhalten werden, aber für die Sicherheitsbehörden gilt dies nicht.

Mit anderen Worten: Gegenüber der Polizei muss der Bürger beweisen, dass er unschuldig ist und nicht etwa die Polizei muss nachweisen, dass derjenige schuldig ist. Das frappierende daran: Ein Kernprinzip der Rechtstaatlichkeit wird vor den Augen aller abgeschafft und scheinbar niemanden interessiert es.

"Alle Experten sagen, es sei nicht eine Frage des Ob, sondern nur noch eine Frage des Wann des nächsten Anschlags. In dieser Zeit leben wir"

Wolfgang Schäuble, im Stern
Wir leben auch in einer Zeit vor dem nächsten Meteoriteneinschlag, vor der nächsten Sturmflut und vor dem nächsten Reaktorunfall und vor dem nächsten Krieg. Entscheidend für eine Gefährdungsanalyse ist nicht, ob eine Gefahr grundsätzlich besteht, sondern wie konkret diese Gefahr ist. Herr Schäuble ist der Meinung, dass die Gewährleistung von Sicherheit für Leib und Leben seiner Einwohner ein wesentlicher Teil der Aufgabe des Staates ist. Dafür darf seiner Meinung nach jedes Grundrecht eingeschränkt oder aufgehoben werden. Nicht nur ein Fehler, der in der Geschichte schon häufiger begangen wurde, sondern auch erschreckend kurzsichtig, denn mit dieser Argumentation und der sich anschließenden Handlungseuphorie kann der Bürger vom Staat beliebige "Schutzmaßnahmen" erzwingen: Wo sind unsere Bunker? Wo die Meteoritenabwehranlagen? Wo sind unsere Atombombenabwehreinrichtungen? Wo ist unsere schlagkräftige Armee, die uns alleine vor jeder Gefahr beschützen kann? Oder weshalb gilt diese Forderung für diese Probleme nicht?

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