Der Papst macht zurzeit mal wieder von sich und seiner Sache reden. Nicht nur, dass der ältliche Herr jüngst seinen 80. Geburtstag feiern durfte, er verkündete auch das Erscheinen seines Buches, an dem er in seiner Freizeit gearbeitet habe. Dieses Buch ("Schöpfung und Evolution", Sankt Ulrich Verlag) sei nicht als Werk in seiner Funktion als Papst zu sehen, sondern als Beitrag des Religionswissenschaftlers, der er ja gleichzeitig auch sei und aus dieser Kombination ergibt sich eine eigentümliche Perspektive auf jene Versammlung, die aus dem Verkauf von Dogmen nicht unerhebliche Mengen Geld zu machen weiß.
Noch der Vorgänger hatte gezeigt, dass die Kirche sich nicht vor der Wissenschaft verschließen kann, ohne in profunde Schwierigkeiten zu geraten. Deshalb wurde Galileo Galilei rehabilitiert und seine Ideen als nicht im Widerspruch zum Weltbild der Kirche stehend. Trotzdem gibt es noch genügend offene Fragen, so zum Beispiel die Frage der intelligenten Schöpfung, die im Widerspruch zur Evolutionstheorie Darwins steht. Aus diesem Disput erwachsen profunde Probleme für die Kirche und ihre Anhänger.
Grund genug für den Papst sich des überspannenden Problems zu widmen und zu versuchen für Ruhe zu sorgen. Das tat er denn auch, wenn auch nicht unbedingt so, wie es nach den Ansätzen seines Vorgängers zu erwarten gewesen wäre. Der Papst erklärte kurzerhand, dass es der Wissenschaft nicht nur nicht alle Fragen beantworten könne, sondern es ihr obendrein verboten sei, alle sich stellenden Fragen zu beantworten. Die wissenschaftliche Erkenntnis hatte er ja bereits früher schon zu "einer Erkenntnisquelle unter vielen" herabgestuft, was alle Scharlatane und Wunderheiler, Seher und Orakel dieser Welt hellauf begeistern dürfte. Der Mensch müsse sich der "schöpferischen Vernunft" anvertrauen.
Schöpferische Vernunft war es übrigens, die Ablasszettel und die Spanische Inquisition hervorbrachten, Kreuzzüge initiierten und die Sonne als Zentrum des Sonnensystems verneinten. Auch stellt wohl kaum jemand die Geschichtsschreibung insgesamt in Frage, nur weil nicht minutiös jedes Ereignis rekonstruiert werden kann. Selbst die Kirche, die sich der Wissenschaft in diesem Punkt ausgiebig bedient, stimmt darin überein. Eine Transferleistung dieser Erkenntnis auf einen anderen, nicht unähnlichen Bereich, nämlich den der Evolutionstheorien, verneint sie jedoch vehement.
Die Kirche wehrt sich gegen die Erkenntnis der undogmatischen Moderne, in der Plausibilität mehr zählt, als die Überzeugung, dass etwas "nun mal eben so sei". Wie schon bei vielen anderen Fällen hat sich gezeigt, dass die Kirche im Wettkampf mit der wissenschaftlichen Erkenntnis nicht gewinnen kann. Zu oft musste die Kirche zugeben, sich geirrt zu haben. Zu oft musste die Kirche eingestehen, Fehler gemacht zu haben, auch wenn in klassischer Wortspielerei vermieden wird zuzugeben, dass man tatsächlich Fehler gemacht habe.
Im Endeffekt zeigt sich bei all diesem Gehabe jedoch nur eins wirklich deutlich: Die Kirche hat Existenzangst. Zunehmend gerät ihr der Zweck, der Auftrag, der die Menschen vereinende Kern abhanden. Zunehmend fragen sich die Menschen, was sie mit einer dogmatischen Religion anfangen sollen, die im Alltag mehr Probleme bedeutet als Hilfe. Daraus erklärt sich auch, warum immer mehr Sekten und damit vergleichbare Organisationen so erfolgreich werden können: Viele Menschen sind auf der Suche nach einer "höheren Weisheit", nach einer Lebensweisheit jenseits des wissenschaftlichen Disputes. Genau das kann jedoch die Kirche in ihrer gegenwärtigen Haltung nicht leisten, denn zu sehr versteift sie sich mit ihren dogmatischen Setzungen auf genau jene Fragen, die die wissenschaftliche Erkenntnis mit Nachdruck zu beantworten sucht.
Vielleicht täte die Kirche besser daran sich aus der Wissenschaft zu verabschieden und sich stattdessen auf das Gebiet zu spezialisieren, in dem sie eine glaubwürdige Autorität darstellt, nämlich auf dem des Zusammenlebens der Menschen.
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