Sonntag, 22. April 2007

Kontrolle und Vertrauen

Unser Innenminister, inzwischen unter einigen Druck geraten wegen seiner nicht eben beliebten Gesetzesvorstellungen und einiger nicht unbedingt unbedenklicher Äußerungen, bemühte sich klar zu stellen, dass er nicht etwa ein Gener der Verfassung sei, sondern jemand, der diese Verteidige. Und außerdem wäre er in seinem Tun ja nicht alleine - da sind ja noch andere im Kabinett - und er führe ja nur weiter, was sein Vorgänger bereits ins Rollen gebracht hätte.

Das liest sich wie: "ich mag Schuld sein, aber ich bin es nicht alleine!" Aus diesem Kreise war jedenfalls neulich noch zu hören, dass man den Christian Klar auf gar keinen Fall frühzeitig begnadigen dürfe, weil der ja ein ganz super Schlimmer ist und da sei Gnade ja nun völlig fehl am Platze.

Und dann kam da ein ehemaliger Kumpane von dem Christian und erzählt eine kleine Geschichte und plötzlich sieht alles ganz anders aus. Plötzlich war jemand, der wegen Mordes verurteilt wurde, am Tage seiner angeblichen Tat gar nicht in Deutschland und jemand anderes, der eigentlicht der Todesschütze gewesen sein soll, war tatsächlich "nur" der Fahrer eines Fluchtfahrzeugs. Naja, irren darf man sich ja und außerdem: Was ist schon von den Worten eines ehemaligen Weggefährten zu halten?

Wenn da nicht noch eine zweite und eine dritte Aussage von anderen Weggefährten wären, die das ebenfalls ziemlich genau so belegen. "Naja," mag man denken, "eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Ist halt alles so daher gesagt, um sich gegenseitig zu helfen." Könnte man meinen. Allerdings sind das Aussagen gegenüber verschiedenen Behörden. Vernehmungsprotokolle und so weiter. Diese waren schon vor den Verurteilungen bekannt. Wurden aber in den Verhandlungen und Verurteilungen überhaupt nicht berücksichtigt. Hupsi.

Nicht das an dieser Stelle irgendwelche Zweifel aufkommen: Es geht um Leute, die alles Andere als "völlig unschuldig" sind. Es geht nicht um "eigentlich ganz liebe, nette Leute". Oh nein, so ja nun nicht. Es geht um Menschen, deren Methoden und Vorgehen im Kern gegen die Verfassung steht und stand und denen Menschenleben nicht viel bedeuteten. Insgesamt geht es um die schlimmsten Terroristen, die wir hier in Deutschland bislang erlebt haben. Trotzdem: Es bleibt ein unangenehmer Beigeschmack und es bleiben einige Fragen.

Hat sich die Justiz instrumentalisieren lassen? Wurden von Behörden Informationen bewusst unterdrückt? Wer hat das veranlasst? Der Grund wäre nur zu offensichtlich: Die Politik brauchte damals dringend Erfolge und musste Exempel statuieren lassen. Beides bekam man und so gelang es, die Öffentlichkeit darüber hinweg zu täuschen, dass die RAF im Großen und Ganzen eine bislang unerreichte Serie nicht aufgeklärter Morde vorzuweisen hat und eine ganze Reihe der Täter nie gefasst wurden. Von 22 Gewalttaten der dritten RAF-Generation (1984-1998) sind bisher nur zwei aufgeklärt und von sieben Tätern fehlt noch immer jede Spur.

Wenn sich jetzt bestätigen sollte, dass Behörden Aussagen zurückgehalten haben, um eine möglichst strenge Verurteilung derjenigen Täter erreichen zu können, derer man überhaupt habhaft werden konnte, dann stellt sich die Frage, was noch so alles in den "Datensammlungen" der Behörden herumlungert. Und dann stellt sich schon fast zwingend eine noch sehr viel wichtigere Frage: Wenn schon bei solchen prominenten Fällen unter den Augen der Öffentlichkeit und der Medien so skrupellos Daten manipuliert wurden, in Zeiten, in denen die Behörden angeblich unter sehr viel strengerer Kontrolle standen und viel weniger Handlungsspielraum hatten und deren Arbeit insgesamt angeblich sehr viel schwieriger war, als sie es mit den "neuen" Sicherheitsgesetzen sein soll, was mag das alles dann für die Zukunft bedeuten? Wer überwacht die Überwacher? Wer kontrolliert die Kontrolleure?

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