Mittwoch, 21. März 2007

Verfassungsbedenken gegen Kameraüberwachung

CCTVEin besonders in Bezug auf die zum Teil grassierende Überwachungswut des Staates gegen den Bürger interessantes Urteil fällte das Bundesverfassungsgericht zum Nachteil der Stadt Regensburg. Die wollte nach mehreren mutwilligen Beschädigungen ein Denkmal der ehemaligen mittelalterlichen Synagoge in Regensburg mit vier Kameras überwachen. Die Videos sollten aufgezeichnet werden. Die Stadt Regensburg berief sich auf die Grundlage des Bayerischen Datenschutzgesetzes und erklärte sich deshalb für diese Überwachungsmaßnahme für zuständig.

Ein Regensburger Bürger allerdings, der sich regelmäßig am Ort des Denkmals aufhält, sieht das anders. Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof scheiterte er zunächst und erhob deshalb Verfassungsbeschwerde.

Die Richter in Karlsruhe argumentieren in ihrem Urteil, dass die geplante Videoüberwachung erheblich in das Recht des Mannes auf informationelle Selbstbestimmung eingreift. Wenn die Kameras installiert werden, dann erfassen sie "überwiegend Personen, die selbst keinen Anlass schaffen, dessentwegen die Überwachung vorgenommen wird". Aus dem Kreise der Menschen, die die Begegnungsstätte des Denkmals betreten, verstößt sehr wahrscheinlich nur eine kleine Minderheit gegen die Benutzungssatzung oder andere rechtliche Vorgaben, betonen die Verfassungsrichter.

Im Klartext bedeutet das: Nur weil ein paar wenige Idioten gegen Recht und Gesetz verstoßen, darf nicht jeder Bürger auf Video aufgezeichnet werden. Ob und in wieweit dieses Urteil auswirkungen auf andere Überwachungseinrichtungen anderer Städte und Gemeinden hat, ist noch unklar, aber wahrscheinlich dürften schon bald eine ganze Reihe Klagen eingereicht werden, die genau diese Frage klären werden. Allerdings wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen und die Sache an das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg zurückverwiesen.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass unser Herr Innenminister des Bundes von diesem Urteil nicht so 100% begeistert sein wird...

(Quelle: Bundesverfassungsgericht)

10 Kommentare:

  1. Ich verweise mal ungeniert auf die Diskussion bei heise-online, denn da gibts einige recht interessante und durchaus kontroverse Diskussionen zum Thema:

    Diskussion im Heise-Forum

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  2. ich möchte den namen des mannes und ihm die hand schütteln!

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  3. es geht übrigens um das denkmal, falls sich jemand ein bild von der lage machen will

    http://www.faszination-altstadt.de/images/10.gif

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  4. @devender: über 500 beiträge, mach mal ne zusammenfassung ;)

    @thema: Icb bin da geteilter Meinung. Einerseits möchte ich nicht das irgendwer mich den ganzen Tag beobachtet und erforscht, was ja mit Kamera überwachung sehr einfach wäre. Andererseits ist es auch blöd das man nicht den technischen Vortschritt nutzen darf um Verbrecher zu jagen. Vielleicht sollte man einen Kompromiss finden das zumn Beispiel zwischen 22 und 5 Uhr das Denkmal und andere Orte überwacht werden. Dann steigt das Verhältnis Gauner/Rechtschaffende wahrscheinlich extrem.

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  5. Das Problem bei Staatlicher Kameraüberwachung ist die fehlende Prävention. Nur weil Bereiche lückenlos gefilmt werden, wird kein Anschlag verhindert. Das haben die Bombenanschläge von London eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Das Argument, dass die Kameras bei der Aufklärung von Verbrechen helfen ist zwar richtig, aber das hilft den Opfern kein Stück.

    Andererseits eignen sich Kameras hervorragend zur massenhaften Aufzeichnung von Bewegungsprofilen und so weiter, was dem Staat hervorragende Auskünfte über jeden einzelnen Bürger gibt, den Bürger außerdem pauschal zum Verdächtigen macht und so das Prinzip der Unschuldsvermutung umkehrt: Der Bürger muss sich überwachen lassen, damit seine Unschuld geglaubt wird. Das ist eine sehr bedenkliche Entwicklung, die nicht im Sinne der freiheitlich demokratischen Grundordnung ist.

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  6. Das mit der Prävention ist schon teilweise korrekt. Videoüberwachung öffentlicher Räume ist durchaus dazu geeignet, Kriminelle abzuschrecken.
    Otto Normalverbrecher wird es sich vermutlich gründlicher überlegen, jemanden in einer videoüberwachten Ubahn zu überfallen, als wenn er sich sicher sein könnte, dass die Tat nicht aufgezeichnet wird.

    Unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes ist es natürlich katastrophal, erst einmal pauschal alles und jeden abzufilmen und diese Informationen womöglich noch zu Personenprofilen weiter zu verarbeiten, keine Frage.

    Dass sich durch Videoüberwachung 'richtige' Terroranschläge wie in London nicht verhindern lassen, stimmt sicherlich. Liegt wohl vor allem daran, dass jemand, der beabsichtigt, ein Verbrechen dieser Größenordnung zu begehen einfach damit rechnet, dass unter Verwendung sämtlicher Ressourcen nach ihm gefahndet werden wird. Deshalb ist der Fluchtplan Richtung Ausland meistens schon vor der Planung des eigentlichen Coups perfektioniert. Aber bzgl. der 'alltäglichen' Vergehen wie Raub/Erpressung/Körperverletzung etc. kann eine Videoüberwachung imo sehr wohl dazu beitragen, Taten im Vorfeld zu verhindern.

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  7. "Das mit der Prävention ist schon teilweise korrekt. Videoüberwachung öffentlicher Räume ist durchaus dazu geeignet, Kriminelle abzuschrecken.
    Otto Normalverbrecher wird es sich vermutlich gründlicher überlegen, jemanden in einer videoüberwachten Ubahn zu überfallen, als wenn er sich sicher sein könnte, dass die Tat nicht aufgezeichnet wird.
    "

    Gerade das ist hinreichend widerlegt. Nicht nur durch "theoretische Studien, sondern auch durch die Kriminalitätsstatistiken. "Die Straftäter" wissen sehr genau, welche Bereiche wie überwacht werden und wie sie den Kameras "ein Schnippchen schlagen" können. Und ein Gutteil lässt sich von den Kameras erst gar nicht beeindrucken: "Sollen die mich doch filmen, erstmal müssen die mich kriegen!" Denn: Mehr Kameras bedeuten noch lange nicht per se "mehr Ermittlungserfolge" (jedenfalls konnte das bislang noch nicht nachgewiesen werden) und schon gar nicht "mehr Abschreckung": Den "Hardcore Straftätern", denen, die richtig "zulangen", ist es völlig egal, ob gefilmt wird oder nicht. Das ist vergleichbar mit der Behauptung, die Todesstrafe würde abschreckend wirken" - eben so ein Ammenmärchen, das sich bis heute hartnäckig hält und trotz aller Bemühungen immer wieder widerlegt, nur nie bewiesen wird. Selbst Schäuble und Beckstein haben in aller Öffentlichkeit unverblümt zugegeben, dass das Argument der Prävention für die CCTV-Netze absolut unzutreffend ist und das - wenn überhaupt - das Argument der nachträglichen Erleichterung der Aufklärung herangezogen werden könne, was aber keinen Einfluss auf das Begehen und die Häufigkeit von Straftaten insgesamt hat. Es wird also bewußt eine Beweislastumkehr betrieben, in dem Wissen, dass hier die Grundrechte jedes Einzelnen auf den Kopf gestellt werden.

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  8. Ich kenne keine Studien zu diesem Thema und bin einfach mal von mir selbst ausgegangen. Und ich persönlich würde, wenn ich vorhätte etwas sehr ungesetzliches anzustellen, darauf achten es unbeobachtet zu tun. Ich wäre vermutlich kein sehr erfolgreicher Verbrecher...
    Stimmt natürlich: Wer sowieso jeden dritten Tag auf der Polizeiwache landet weil er Mist gebaut hat, macht sich wohl auch keine Gedanken mehr um Kameras.
    Gut, dann ist Prävention wohl kein Argument mehr, außer die Welt besteht irgendwann nur noch aus solch übervorsichtigen Angsthasen wie mir. ;)

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  9. Das ist ja auch nicht verkehrt, nur trotzdem rechtfertigt das noch lange nicht, dass der Staat jeden Bürger pauschal als Verdächtigen behandelt.

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  10. Das Urteil zu Regensburg stellt auf die gesetzliche Grundlage ab, der ein derartiger Grundrechtseingriff in die informationelle Selbstbestimmung bedarf - welche in diesem Fall (noch) nicht gegeben war. Dass ein solcher Eingriff vorliegt, ist nicht Gegenstand, wie im Artikel behauptet. Weiter kann gefilmt werden, wo die gesetzlichen Grundlagen geschaffen wurden - in der Regel Polizeigesetze der Länder.

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