Dienstag, 20. März 2007

Zahlenspiele (5)

Irgendwas ist eigenartig bei den Zahlen, die uns so jeden Tag präsentiert werden. Da heißt es zum Beispiel bei der Tagesschau heute, dass 7.700 Bundeswehrsoldaten im Ausland stationiert wären. An vielen Orten der Welt, in Afrika und im Mittleren Osten. Dazu gibt es auch eine hübsche Grafik, die das wunderschön erläutert.


(Quelle: Tagesschau)
Wir haben zur Zeit ungefähr 250.000 Soldaten in der Bundeswehr. Großzügig gerundet 8.000 von denen sind im Ausland im Einsatz. Gerne wird ja vergessen, dass man sich auf einen Einsatz vorbereiten muss und dass man nach einem Einsatz die so genannte "Nachbereitung" durchläuft. Dazu gehört Urlaub nehmen, Überstunden abbauen, Ausrüstung tauschen etc. Dadurch ist mehr oder weniger ständig die dreifache Menge der tatsächlich am Einsatzort eingesetzten Soldaten "gebunden" und mit dem Auslandseinsatz beschäftigt. Das wären dann ungefähr 24.000 Soldaten. Pi mal Daumen.

24.000 Soldaten aus einem theoretischen Kontingent von 250.000. Da stellt man sich die Frage, was eigentlich der Rest macht. Darum sprach ich in der letzten Zeit mit etlichen aktiven Soldaten verschiedenster Laufbahnen, Dienstgrade und Standorte und auch anderen, die sich mit dem Thema "Bundeswehr" weit besser auskennen als ich. Von denen erntete ich auf die Frage überwiegend heiteres Gelächter. Nicht etwa, weil die Frage albern wäre, sondern weil die Zahlen nicht stimmen!

Die Anzahl der aktiven Soldaten im Ausland wird in Bundeswehrkreisen mit rund 40.000 beziffert. Vierzigtausend. Dazu kommen die Einheiten in der Vor- und Nachbereitung. Das wären zusammen rund 120.000 Soldaten, die nur mit Auslandseinsätzen befasst sein sollen. Das wäre fast die Hälfte unserer Soldaten. Bestätigungen für diese Zahlen findet man von offizieller Seite allerdings nicht direkt. Das Verteidigungsministerium beschränkt sich auf "ungefähr 8.000" Soldaten, die im Auslandseinsatz unterwegs sein sollen. Eine unwesentliche Abweichung.

Wenn jetzt nur einer mit diesen Zahlen angekommen wäre, ok, "Wichtigtuer". Aber gleich mehrere unabhängig von einander? Ohne sich auch nur zu kennen oder zu wissen, dass ich mit ihnen über das Thema spreche? Und was hätten diese Leute davon den offiziellen Zahlen grundlos zu widersprechen? Welches Interesse hätten aber das Verteidigungsministerium und die Regierung deutlich andere - nämlich niedrigere - Zahlen zu nennen? Mir fallen da einige ein, ganz weit vorne weg "Beruhigung der Bevölkerung".

Passt das zusammen? Gute Frage. Das Argument, dass die Bevölkerung nicht beunruhigt werden soll, ist nicht von der Hand zu weisen. Sobald das Thema "Militär" im Zusammenhang mit Deutschland auf den Tisch kommt, setzt erfahrungsgemäß ein lang anhaltender, kontroverser Diskurs ein, dessen Grundnote stark antimilitärisch geprägt ist. Der Spiegel zitierte die Bundeskanzlerin in Bezug auf das Verteidigungsministerium:
"Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) klagte in der vergangenen Woche vor Abgeordneten, sie misstraue mittlerweile den Informationen des Verteidigungsministeriums."
In Sachen Militär ist nicht eben mit einer generellen Informationswut zu rechnen. Informationen werden tendenziell eher zurückgehalten, als in die Breite gestreut. Dafür spricht auch das Antwortverhalten bei "kritischen" Fragen, wie zum Beispiel der Antwort auf die Kleine Anfrage der Linksfraktion (16/424), die als Drucksache 16/568 schon fast als Musterbeispiel für "wir sagen nichts" gelten kann. Etwas aktueller ist das Lavieren um den Einsatz der Tornados in Afghanistan. "Die klären bloß auf, das ist kein Kampfeinsatz" ist in etwa der Tenor des Verteidigungsministeriums. Ja, sicher, aber was klären die da auf? Bestimmt nicht die Erfolge in der Landwirtschaft südafghanischer Rosenzüchter. Und die Aufklärungsergebnisse sind bestimmt nicht in "für die Akten" gedacht. Und wie war das mit den deutschen Leopard Kampfpanzern in Afghanistan, die man den Kanadiern verkaufen möchte? Alles sehr eigenartig.

Zurück zur Fragestellung vom Anfang: Stimmen die Zahlen? Angenommen die offiziellen Zahlen stimmen und es wird nichts irgendwie "vertuscht" oder "verschleiert", warum heißt es dann, dass die Bundeswehr bis an die Grenze des Zumutbaren mit den Auslandseinsätzen ausgelastet sei? Warum sollen dann in den nächsten Jahren wieder mehr Grundwehrdienstleistende eingezogen werden? Wenn "bloß" rund 24.000 Soldaten, also nicht mal 10% des Bestandes im Auslandseinsatz sind, wie kann das die Bundeswehr "bis an die Grenze" auslasten?

Es wird kaum daran liegen, dass die Bundeswehr nur aus "Grundwehrdienstleistenden" besteht, die für neun Monate die Sicherheit der Bundesrepublik sicherstellen. Das Verteidigungsministerium nennt folgende Zahlen:
"Die Bundeswehr umfasst 189.255 Berufs- und Zeitsoldaten, 38.434 Grundwehrdienstleistende und 23.740 freiwillig länger Wehrdienstleistende."
Zur Erinnerung: Grundwehrdienstleistende werden nicht ins Ausland geschickt, freiwillig länger Wehrdienstleistende schon.

Es wird wohl kaum jemand ernsthaft glauben, dass die Bundeswehr zur Verwaltung ihrer eigenen Belange 50% der Truppe braucht. Und selbst wenn das tatsächlich so wäre: 125.000 Soldaten wären dann trotzdem "einsetzbar", von denen "nur" die knapp 40.000 Soldaten im Grundwehrdienst nicht ins Ausland könnten. Und dann sollen 24.000 Soldaten die Bundeswehr "bis an die Grenze des Zumutbaren" auslasten?

Irgendwie sehr eigenartig das Ganze.

(Quelle: Tagesschau, Bundestag, Verteidigungsministerium, Bundeswehr, Spiegel)

7 Kommentare:

  1. Ich glaube, die "Grenze des Zumutbaren" ist eher finanziell und logistisch erreicht. Soldaten im Ausland müssen versorgt werden, und das ja nicht zu knapp.

    Interessanter finde ich ja die Zusammensetzung der Kontingente im Ausland. Ein Beispiel, frei aus Caliber vom Oktober '06:
    Im Juli 2006 waren in Afghanistan 2869 deutsche Solaten stationiert, von denen ein Großteil Verwaltungs- und Logistikarbeit gemacht hat. Die deutsche ISAF-Truppe gliedert sich in ein großes Unterstützungselement, eine Aufklärungskomponente(...), einen Sanitätstroß, viele Stabs- und Befehlsleisten Instandsetzung und Soladten für die zivilmiilitärische Zusammenarbeit. Ungeachtet der vielen Spezialisten, die Brunnnen bohren, SChulen bauen, Zeitungen verteilen, Analysen erstellen und wieder verwerfen, kochen, fahren, reparieren, warten und geschwindigkeitskontrollen bei Dienstfahrzeugen durchführen. Die tatsächlichen Kampftruppen dienen nur zum eigenen Schutz und waren zum Höhepunkt des Engagements in Kabul nie mehr als zwei SChutzkompanien. Selbst diese bestanden nur am Anfang aus waschechten Infanteristen. (...)
    Zum Schluss patroullierten Artilleristen udn Panzersoldaten in den Wirren von Kabul. Die dafür eher geeigneten Grenadiere, Jäger und Fallschimjäger hatte man schon vorher verbraucht.

    Da fragt man sich doch "Was machen wir da eigentlich?". Ungefähr so wie bei den 2 Soldaten in Eritrea...

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  2. Nein, der Bezug war seitens der Politik (insb. Steinmeier) ausdrücklich auf die Personalstärke abgestellt, nicht auf das Finanzielle, denn das wird jedesmal für solche Einsätze erneut vom Bundestag als "außerordentliche, unplanbare Ausgabe" in eigens dafür anberaumten Sitzungen aus irgendwelchen dunklen Finanztöpfen "umgelenkt".

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  3. 40.000 _im_ Ausland halt ich für total realitätsfern. Auf diese Zahl würde ich meiner Meinung nach nur kommen, wenn ich zu den ca. 8000 in Auslandseinsätzen befindlichen Soldaten auch diejenige hinzuzähle, die im Inland durch logistische und organisatorische Dinge _für_ die im Einsatz befindlichen Kräfte gebunden sind.

    Dazu kommen die genannten in Vor-/Nachbereitung befindlichen Soldaten.
    Etliche tausende die noch im Studium/Lehrgängen o.ä. stecken (Offiziere kommen z.B. erst als Leutnant/Oberleutnant zu ihrem ersten und teilweise einzigen Auslandseinsatz, also je nach Truppengattung und Verwendung nach 6-8 Jahren[Feldwebel nach 2-3 Jahren Ausbildung]. Und das kann für den Rest ihrer Laufbahn der einzige Einsatz sein, da sie danach entweder anderweitig gebunden sind. Außerdem ist nur ein Einsatz über 4-6 Monate Minimum. Alles dadrüber ist bei den meisten Einheiten freiwillig und befohlen wird ungern (hier kommt das "zumutbar" ins Spiel)).
    Der Anteil der Soldaten die für die Verwaltung im Inland draufgehen darf auf keinen Fall unterschätzt werden.
    Das sieht man z.B. auch bei dem geplanten Einsatz der 6-8 Aufklärungstornados, wo für Wartung etc insgesamt 500 Soldaten zusätzlich von Nöten sind.

    Das die Grenze des Zumutbaren erreicht ist halte ich durchaus für realistisch, ich würde sogar soweit gehen, dass die Bundeswehr bereits jetzt durch Auslandseinsätze überlastet ist und dadran werden auch nicht zusätzliche GWDLer was ändern.

    Btw die 2 Soldaten sind auf Bitte der UN für UNMEE in Äthiopien und sind unbewaffnete militärische Beobachter (Stabsoffiziere nehme ich mal an).

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  4. "Zur Erinnerung: Grundwehrdienstleistende werden nicht ins Ausland geschickt, freiwillig länger Wehrdienstleistende schon."

    leider nicht so ganz richtig. gwdler können auch ins ausland geschickt werden - allerdings nur auf eigenen wunsch. ob sich das mit den fwdlern auch so verhält, das vermag ich grade nicht zu sagen

    sorry, aber das mußte jetzt raus

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  5. Zitat Verteidigungsministerium:

    "Muss ich als Wehrpflichtiger auch in den Auslandseinsatz?

    Als Grundwehrdienstleistender müssen Sie nicht an Auslandseinsätzen teilnehmen. Wenn Sie dies aber möchten, so können Sie dies angeben. Eine Teilnahme am Auslandseinsatz erfordert in der Regel die Verpflichtung zum freiwilligen Wehrdienst mit einer zusätzlichen Wehrdienstdauer von mind. 1 und max. 14 Monaten.
    "

    Es ist in sofern richtig, dass sich Grundwehrdienstleistende dazu bereit erklären können, am Auslandseinsatz teilzunehmen, nur bedeutet das nicht, dass der GWDL ins Ausland kommt. Nach Informationen des Verteidigungsministeriums nehmen zur Zeit genau Null GWDL an Auslandseinsätzen teil.

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  6. ich glaube, wir reden grade aneinander vorbei. wollte folgendes zum ausdruck bringen:

    gwdler KÖNNEN THEORETISCH ins ausland gehen, aber nur auf eigenen wunsch. das es keine gdwler im ausland gibt, steht auf einem anderen blatt ;-)

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  7. Nein, wir reden nicht an einander vorbei. Grundwehrdienstleistende können sich bereiterklären, an Auslandseinsätzen teilzunehmen. Das ist soweit korrekt, aber nur die halbe Wahrheit. Sie können zum Ausdruck bringen, dass sie das gerne wollen. Und wollen kann man viel, auch beim Bund. Das Verteidigungsministerium verlangt allerdings - und das ist die andere Seite - dass sich die GDWL vor einem Auslandseinsatz dazu verpflichten, mindestens einen Monat länger Wehrdienst zu leisten. Sie sind damit dann aber nicht mehr im Grundwehrdienst, sondern Freiwillig Wehrdienst Leistende. Das mag nach "Haarspalterei" klingen, hat aber mehrer handfeste Implikationen für das Konzept der Wehrpflicht und die Fürsorgepflicht und den Status der parlamentarischen Verteidigungsarmee und so weiter.

    Anders herum betrachtet: Wenn die Personaldecke tatsächlich so dünn wäre und Grundwehrdienstleistende ins Ausland geschickt werden könnten, warum sollte das BMV das dann nicht auch tun? "Billigere" Kräfte als die GWDL kann das BMV doch gar nicht finden...

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